„Akten-Einsichten“. Beiträge zum historischen Ort der Staatssicherheit
„Akten-Einsichten“. Beiträge zum historischen Ort der Staatssicherheit, hg. v. Heidemeyer, Helge. Der Bundesbeauftragte für die Unterlagen des Staatssicherheitsdienstes der ehemaligen Deutschen Demokratischen Republik, Berlin 2016. 170 S. Besprochen von Gerhard Köbler.
Staat bedeutet Herrschaft von Menschen über Menschen unter Einschränkung von Freiheit. Herrschaft kann dabei rigide oder schwach und damit die Freiheit stark oder weniger stark eingeschränkt sein. Je stärker die Einschränkung der Freiheit ist, desto gefährdeter wird die Herrschaft wegen des Widerstands der Unterdrückten und desto intensiver müssen die Herrschenden ihre Herrschaft durch weitere Zwänge absichern.
In der früheren Deutschen Demokratischen Republik wurde zwar die Republik des Volkes behauptet, tatsächlich zwang aber eine politische Minderheit mit Hilfe der Sowjetunion der Mehrheit der anderen ihre Vorstellungen auf. Dementsprechend erwies sich eine umfangreiche Staatssicherheitsbürokratie als erforderlich, die in dem Augenblick fallen musste, in dem die Unterdrückten sich unter Duldung durch Michael Gorbatschow die Möglichkeit der freien politischen Willensäußerung durch friedliche Demonstrationen erwarben. In dem vorliegenden schmalen Sammelband werden unter der veranschaulichenden Abbildung eines Aktenbündels die von der Staatssicherheit hinterlassenen und der Vernichtung entgangenen Akten in elf Beiträgen untersucht, von denen fünf die Akten unmittelbar betreffen und je drei das Verhältnis von Staatssicherheit und Herrschaftssystem. sowie die Dysfunktionalität des MfS behandeln.
Dabei beschäftigt sich nach dem einführenden Vorwort des seit 2008 als Leiter der Abteilung Bildung und Forschung des Bundesbeauftragten für die Stasi-Unterlagen tätigen Herausgebers Ilko-Sascha Kowalczuk mit dem Mithören und Abhören in dem geteilten Deutschland und werden die Berichte der Abteilung Information für das Jahr 1956, die Verfahren gegen Robert Havemann, die STRA-Datenbank der MfS-Auslandsspionage sowie die Geschichte um den „Bindestrich der Freiheit“ betrachtet. Daniela Münkel beleuchtet die MfS-Kreisdienststelle Halberstadt, während andere Studien die Rivalität von Staatssicherheit und Volkspolizei sowie die öffentliche Darstellung und Wahrnehmung aufgreifen. Abschließend werden der Doppelagent Hans-Joachim Geyer, der „Feind“ in der Provinz und die Geschäfte des Organisators Gert Trebeljahr untersucht, so dass im Ergebnis vielfältige Einsichten in die durch das Archiv des Bundesbeauftragten für die Unterlagen der Staatssicherheit gebotenen Erkenntnismöglichkeiten über die Funktionsweise eines (deutschen) Überwachungsstaats und des ausführenden Organs dieser Überwachung geboten werden.
Innsbruck Gerhard Köbler