Groth, Carsten, Hanse und Recht

. Eine Forschungsgeschichte (= Freiburger rechtsgeschichtliche Abhandlungen, Neue Folge Band 74 Abteilung B Abhandlungen zur deutschen Rechtsgeschichte). Duncker & Humblot, Berlin 2016. 336 S.  Besprochen von Gerhard Köbler.

Groth, Carsten, Hanse und Recht. Eine Forschungsgeschichte (= Freiburger rechtsgeschichtliche Abhandlungen, Neue Folge Band 74 Abteilung B Abhandlungen zur deutschen Rechtsgeschichte). Duncker & Humblot, Berlin 2016. 336 S. Besprochen von Gerhard Köbler.

 

Hanse (ahd. hansa, Schar) ist der von hochmittelalterlichen Kaufleuten ausgehende, ziemlich offene norddeutsche Städtebund und Kaufleutebund. Seinen Anfang bildet vielleicht die schon im beginnenden 11. Jh. bevorrechtigte Genossenschaft deutscher Kaufleute in England. Bedeutsam wird danach die Gründung deutschbesiedelter Städte von Lübeck (1143) bis Riga (1201), Reval (nach 1219) und Dorpat (um 1230), wobei seit den Wirren des Interregnums (1254-1273) die einander nahestehenden Städte auf Hansetagen oder im Umlauf gemeinsame Beschlüsse fassen.

 

Mit dem forschungsgeschichtlichen Verhältnis zwischen Hanse und Recht beschäftigt sich die von Albrecht Cordes in Frankfurt am Main angeregte, von der Dr.-Carl-Böse-Stiftung in Lübeck großzügig geförderte, von Frank L. Schäfer betreute und in dem Sommersemester 2015 von der rechtswissenschaftlichen Fakultät der Universität Freiburg angenommene Dissertation des Verfassers über ein Objekt, das nach seinen Worten der Wissenschaft bis heute mehr Fragen aufgibt als es Antworten bereit hält. Aus diesem Grunde war es (für ihn) angezeigt, dieses Objekt nicht als solches zu behandeln, sondern vielmehr wissenschaftsgeschichtlich zuzugreifen, wobei es nur um den Randbereich ihres vermeintlichen Rechtes ging. Wenngleich dieser Aspekt nach den Worten des Verfassers mindestens so schillernd ist wie die sich zu diesem Bereich äußernden Wissenschaftler und das hansische Recht dunkel bis okkult und die Bemerkungen dazu vage und allgemein blieben, reizte dies dennoch viele, die ihr Augenmerk auf die Hanse legten.

 

Gegliedert ist die interessante weiterführende Untersuchung außer in eine Einleitung in fünf chronologisch gereihte Kapitel über das alte Reich bis 1806, das hansische Recht in Sartorius‘ Geschichte des hansischen Bundes, in den Städten des 19. und beginnenden 20. Jahrhunderts, im Nationalsozialismus sowie in der Bundesrepublik Deutschland und in der Deutschen Demokratischen Republik. Dabei ermittelt der Verfasser den von ihm als Rechtshistoriker Himmlers bezeichneten, hauptsächlich in Göttingen wirkenden, 1949 als Mitläufer eingestuften Wilhelm Ebel (1908-1980), dessen vor 1945 veröffentlichte Erkenntnisse der Verfasser im Vergleich zu anderen Arbeiten der Zeit als verhältnismäßig frei von nationalsozialistischer Ideologie einstuft, als von überragender Bedeutung für seine Arbeit, weil er als erster Autor 1949 über das hansische Recht publizierte (Vortrag auf der 65. Jahresversammlung des Hansischen Geschichtsvereins und 62. Jahresversammlung des Vereins für niederdeutsche Spracheforschung in Celle am 9. Juni 1949 „Hansisches Recht – Begriff und Probleme“), obwohl er kaum einschlägig zur Hanse geforscht hatte. Ebel verstand unter hansischem Recht die materiellen Rechtssätze, die neben, zwischen oder über den einzelnen Stadtrechten hansischer Städte eine einheitliche und gemeinsame Ordnung des hansischen Wirtschaftsverkehrs schaffen konnten und schufen, woran Cordes 2008 unter Ergänzung um die prozessualen Rechtssätze und das Rechtsleben anknüpfte.

 

Nach dem Verfasser verschleiert die Ausgabe lübischen Rechtes als hansisches Recht das Problem nur, weil dann eine Gleichförmigkeit und Quasistaatlichkeit behauptet wird, wo kein Staat sein soll. Dementsprechend antwortet der Verfasser am Ende auf die Frage nach dem hansischen Recht mit einer Gegenfrage des seinerzeitigen Rezensenten Hermann Schultze-von Lasaulx. Ist die Frage hier richtig gestellt? Dies kann vielleicht erst die weitere Forschung endgültig beantworten.

 

Innsbruck                                                                                                                 Gerhard Köbler