Ungleiche Kurfürsten
Ungleiche Kurfürsten? Die Pfalzgrafen bei Rhein und die Herzöge von Sachsen im späten Mittelalter (1356-1547), hg. v. Klingner, Jens/Müsegades, Benjamin (= Heidelberger Veröffentlichungen zur Landesgeschichte und Landeskunde – Schriftenreihe des Instituts für fränkisch-pfälzische Geschichte und Landeskunde 19). Winter, Heidelberg 2017. 280 S. Angezeigt von Gerhard Köbler.
Kurfürst ist in dem Heiligen römischen Reich der seit dem 13. Jahrhundert den König wählende Fürst, der vor allem in Eike von Repgows Sachsenspiegel von vielleicht 1221-1224 erstmals besonders aufgeführt und 1298 mit dieser Bezeichnung benannt wird. Wie dieser enge, und zwischen dem 13. Jahrhundert und dem 18. Jahrhundert kaum geänderte Kreis der besonderen Wähler des Königs und später Kaisers entstanden ist, ist ungeklärt und umstritten. Eindeutig ist nur, dass er sich während der längsten Zeit aus dem Erzbischof von Köln, Mainz und Trier und dem Herzog von Sachsen, dem Pfalzgrafen bei Rhein und dem Markgrafen von Brandenburg sowie dem König von Böhmen zusammensetzt.
Nach dem kurzen Vorwort des vorliegenden Sammelbands haben der Herzog von Sachsen und der Pfalzgraf bei Rhein seit langer Zeit das Interesse der geschichtlichen Forschung gefunden. Allerdings fehlten bislang Arbeiten, welche die beiden Kurfürsten vergleichend in den Blick nahmen und zueinander in Beziehung setzen. Diese Fragestellung nahm in der besonderen Form „(Un)Gleiche Kurfürsten?“ eine wissenschaftliche Tagung auf, die in Dresden an dem 8./9. Oktober 2015 stattfand und aus der Kooperation des Instituts für fränkisch-pfälzische Geschichte und Landeskunde der Universität Heidelberg, des Instituts für sächsische Geschichte und Volkskunde e. V. sowie des Sächsischen Staatsarchivs – Hauptstaatsarchiv Dresden erwuchs und sowohl Gemeinsamkeiten wie auch Unterschiede zwischen den beiden Kurfürsten ermitteln wollte, die nunmehr gedruckt der Allgemeinheit zu interessierter Verfügung stehen.
Das mit einer Collage geschmückte Ergebnis der Studien gliedert sich nach einer Einführung der Herausgeber über einleitende und abschließende Perspektiven von gleich, ungleich und Vergleich sowie einer Betrachtung Stefan Burkhardts über die Entwicklung der kurfürstlichen Stellung der beiden Beteiligten in drei Teile über Rangordnung, Familienordnung und Herrschaftspraxis. Dabei werden etwa Pfalz und Bayern bei Wahl und Krönung zwischen 1376 und 1519/1520 betrachtet, die Wahl Ferdinands von 1531, das Handeln auf Reichsversammlungen des 15. Jahrhunderts, das Verhältnis von Kurfürsten und Fürsten in dem spätmittelalterlichen Reich, die Nachfolgeregelungen von dem 14. bis zu dem 16. Jahrhundert, die Eheschließungen in der Reformationszeit, die Töchter in Kloster und Stift, die Unterwerfungsstrategien der Kurpfalz gegenüber dem Ritteradel, die Beziehungen zwischen den Herzögen Sachsens und dem Niederadel, die kirchenpolitischen Beziehungen zu Beginn des 16. Jahrhunderts sowie das Verhältnis zu dem Deutschen Orden in Preußen. Die dabei gewonnenen vielfältigen Ergebnisse der interessanten Tagung werden an dem Ende in neun Abbildungen veranschaulicht und durch ein Personenregister und Ortsregister von Aachen bis Zymunt bzw. Sigismund von Polen inhaltlich etwas aufgeschlossen, ohne dass über Gleichheit oder Ungleichheit insgesamt ein eindeutiges Urteil gefällt wird.
Innsbruck Gerhard Köbler