Gerwarth, Robert, Die größte aller Revolutionen

. November 1918 und der Aufbruch in eine neue Zeit, aus dem Englischen von Weber, Alexander. Siedler, München 2018. 383 S. Angezeigt von Gerhard Köbler.

Gerwarth, Robert, Die größte aller Revolutionen. November 1918 und der Aufbruch in eine neue Zeit, aus dem Englischen von Weber, Alexander. Siedler, München 2018. 383 S., Abb. Angezeigt von Gerhard Köbler.

 

Nach der Ermordung des Thronfolgers Österreichs und seiner Frau durch den zwanzigjährigen, einem serbisch-kroatischen Geheimbund unter der Leitung Ivo Andrics angehörenden, mit sechs Mitverschwörern unter die Zuschauer einer Ausfahrt gemischten Bauernsohn Gavrilo Princip mittels einer von dem militärischen Geheimdienst Serbiens gestellten Pistole in Sarajewo an dem 28. Juni 1914 erklärte der greise Kaiser Österreichs an dem 28. Juli 1914 Serbien den Krieg. Er war auf ihn nicht ausreichend vorbereitet und unterschätzte die Folgen in jeder Hinsicht. Es entstand der erste Weltkrieg zwischen den Großmächten Europas um die Herrschaft über die wichtigsten Teile der Welt mit von jeder Seite unterschiedlich gewünschten Folgen.

 

Mit seinem unvorhergesehenen Ende beschäftigt sich das vorliegende Werk des in Berlin 1976 geborenen, in Berlin und Oxford in Geschichte ausgebildeten, in Oxford 2005 mit einer Dissertation über The Bismarck myth (Weimar Germany and the legacy of the Iron Chancellor) promovierten, 2011 eine Biographie Reinhard Heydrichs und 2017 ein Werk über die Besiegten (das blutige Erbe des ersten Weltkriegs) veröffentlichenden, in Dublin lehrenden und das dortige Zentrum für Kriegsstudien leitenden Verfassers. Es gliedert sich nach einer Einleitung über einen schönen Traum in 13 Kapitel. Sie betreffen 1917 und die Revolution der Erwartungen, das Hoffen auf den Sieg, das Endspiel, den Matrosenaufstand, den Ölfleck der Revolution, den Showdown in Berlin, den Friedensschluss im Westen, Herausforderungen für die Demokratie, den Kampf der Radikalisierung, den Triumph des Liberalismus, die Frühjahrsunruhen von 1919, Versailles als Torpedierung von außen und Deutschland als streitbare Demokratie zwischen 1919 und 1923.

 

Die Einleitung des nach einem Ausspruch Theodor Wolffs von dem 10. November 1918 betitelten Werkes beginnt nach einer Abbildung des von den Geschehnissen in dem Deutschen Reich sichtlich mitgenommenen, durch den Reichskanzler an dem 9. November ohne Einwilligung abgedankten Kaisers des Deutschen Reiches auf einem Bahnhof an der Grenze der Niederlande mit den frühen Morgenstunden des 10. November 1918, in denen einige Automobile nahe Eijsden die Grenze zwischen Belgien und den Niederlanden überquerten. Ziel der Untersuchung ist es, an die Stelle der Unvermeidlichkeit des fatalen Scheiterns die Offenheit des Ergebnisses zu setzen. Nach dem Verfasser des als synthetisierender Debattenbeitrag erarbeiteten, durch an dem Schluss des Textes angefügte Anmerkungen gestützten, mit ausgewählten Literaturhinweisen und einem von Adenauer über Ebert, Hindenburg, Wilhelm II. und Wilson bis Zweig reichenden Personenregister versehenen Buches war 1923 die Konsolidierung der Demokratie wahrscheinlicher als ihr Untergang, so dass der Autor überzeugend die Zukunft der Weimarer Republik als zu diesem Zeitpunkt, in dem Adolf Hitler noch ziemlich bedeutungslos war, unvorhersehbar einstuft.

 

Innsbruck                                                       Gerhard Köbler