Agstner, Rudolf, Handbuch des k. (u.) k. Konsulardienstes

. Die Konsulate der Donaumonarchie vom 18. Jh. bis 1918, hg. v. Bundesministerium für Europa, Integration und Äußeres aus dem Nachlass von Agstner, Rudolf in Zusammenarbeit mit Gonsa, Gerhard. New Academic Press, Wien 2018. XII, 503 S., Abb. Besprochen von Werner Augustinovic.

Agstner, Rudolf, Handbuch des k. (u.) k. Konsulardienstes. Die Konsulate der Donaumonarchie vom 18. Jh. bis 1918, hg. v. Bundesministerium für Europa, Integration und Äußeres aus dem Nachlass von Agstner, Rudolf in Zusammenarbeit mit Gonsa, Gerhard. New academic press, Wien 2018. XII, 503 S., Abb. Besprochen von Werner Augustinovic.

 

Neben dem diplomatischen Dienst verdichten konsularische Vertretungen die außen- und wirtschaftspolitische Präsenz eines Staates im Ausland. Der einleitenden Erinnerungsadresse der aktuellen österreichischen Außenministerin Karin Kneissl zufolge umfasst heute „das Netzwerk der österreichischen Diplomatie 89 bilaterale und multilaterale Vertretungsbehörden und 343 Honorarkonsulate“ (S. VIII). Im Vergleich dazu habe die Donaumonarchie 1914 bei Ausbruch des Ersten Weltkriegs nur 33 diplomatische (10 Botschaften, 23 Gesandtschaften), aber stattliche 468 konsularische Vertretungen (104 von Beamten geleitete „effektive“ Berufskonsulate, 364 „von unbesoldeten Konsularfunktionären mit dem Recht zum Bezug der tarifmäßigen Konsulargebühren“ geführte Honorarkonsulate; S. 497) unterhalten. Den erst ab 1914 der fachlichen Aufsicht eines Konsularinspektors im k. u. k. Ministerium des Äußern unterstellten Konsulaten oblag „die Förderung des Exports, die Unterstützung der heimischen Schiffe, Berichterstattung über Wirtschaftsthemen […]. Wichtig war der Schutz und die Betreuung der österreichischen und ungarischen Staatsbürger, ab 1878 auch der bosnisch-herzegowinischen Landesbürger [… ,] im k. u. k. Amtsdeutsch einfach ‚Konationale‘ genannt. Und fast noch wichtiger war damals die Evidenthaltung der militärdienstpflichtigen Staatsbürger und deren militärärztliche Untersuchung durch eine von den Konsuln vor Ort zu organisierende Stellungskommission“ (S. 4).

 

Im Hinblick auf dieses Aufgabenspektrum ist die Erforschung der Geschichte der Institutionen des konsularischen Dienstes als Teil der allgemeinen Diplomatiegeschichte ein berechtigtes Anliegen. Der geistige Vater des vorliegenden Handbuchs, Rudolf Agstner (1951 – 2016), wurde 1975 an der Universität Wien in den Rechtswissenschaften promoviert und ließ sich in der Folge an der Diplomatischen Akademie für den Dienst im österreichischen Bundesministerium für Auswärtige Angelegenheiten ausbilden, in das er 1977 eintrat. Da dieses Ministerium über keinen eigenen historischen Dienst verfügt, widmete er sich neben seiner hauptberuflichen Tätigkeit in zahlreichen Außenvertretungen – zuletzt als österreichischer Botschafter in Äthiopien – intensiv der Erforschung der Geschichte der Außeninstitutionen seit 1718, was schließlich „zur Publikation von 25 Büchern und rund 220 Artikeln über den Auswärtigen Dienst Österreichs und Österreich-Ungarns [und] zu Biographien von Diplomaten und Konsuln“ führte (S. IX). Sein überraschend früher Tod kurz vor dem Eintritt in den Ruhestand hat verhindert, dass Rudolf Agstner das nun mit Unterstützung des genannten Ministeriums unter der fachlichen Leitung Gerhard Gonsas, Archivar im Österreichischen Staatsarchiv, fertiggestellte Handbuch noch selbst vollenden konnte.

 

Die zur Verfügung gestellten Informationen verteilen sich auf drei Sektionen. Zunächst gibt eine vier Seiten umfassende Einleitung einen knappen Abriss über die Entwicklung der konsularischen Vertretungen des Habsburgerreiches seit 1718, wobei Themen wie die Gründe für die Einrichtung, Aufgaben, Finanzierung und Uniformierung der Amtsträger sowie die verwendeten Sprachen – „die Konsularsprache der Monarchie bis um 1900 war Italienisch“ (S. 2) – behandelt werden. Allerdings ist festzuhalten, dass sich diese narrativen Ausführungen bestenfalls als Skizze eines nicht mehr ausgeführten Werks – Gerhard Gonsa spricht von einem „Torso“ (S. XII) – präsentieren, die für eine genaue kontinuierliche Erfassung der Entwicklung des österreichischen Konsularwesens und vor allem für eine analytische Auseinandersetzung mit dieser Materie viel zu wenig Raum bietet.

 

Die zweite Sektion, das „Verzeichnis der k. k. und k. u. k. Konsularämter“ (S. 9 – 375; „k. k.“ steht bekanntlich für „kaiserlich-königlich“ österreichisch, woraus seit dem Ausgleich mit Ungarn 1867 und mit der dort verankerten gemeinsamen Außenpolitik der nun dual verfassten Habsburgermonarchie „k. u. k.“, also kaiserlich österreichische und königlich ungarische Angelegenheiten wurden), bildet quantitativ und qualitativ den Kern des vorliegenden Nachschlagewerks. Die entsprechenden Ämter erscheinen unter Erwähnung der jeweiligen Gesamtzahl der Vertretungen im Land und, wenn verfügbar, von Hinweisen auf Rahmendaten und historische Fachliteratur alphabetisch den einzelnen (heutigen) Staaten von Ägypten bis Yemen zugeordnet. Innerhalb dieser Zuordnung erfolgt – wiederum in alphabetischer Ordnung entsprechend der aktuellen Schreibweise – die weitere Untergliederung nach den regionalen Amtssitzen. So kann man beispielsweise lesen, dass in Albanien insgesamt drei Konsularämter unterhalten worden sind, und zwar in Durres (Durazzo), Shkodra (Scutari, Scutari d’Albania) und Vlore (Avlona, Valona, Vlores). Die einzelnen Artikel sind folgendermaßen gegliedert: Geschichte des Amtssitzes, soweit erforscht (vorwiegend Daten der Einrichtung/Einstellung des Konsulats und die Gründe dafür), Archivsiglen zu relevanten Akten und Berichten, Adressen des Amtssitzes sowie die namentliche Nennung der jeweiligen Amtsträger in chronologischer Abfolge inklusive ihrer dienstrechtlichen Stellung und ihrer Dienstzeit vor Ort. Häufig sorgen beigestellte Fotografien vornehmlich der historischen Amtsgebäude für Anschaulichkeit, vom konsularischen Personal scheinen hingegen mit Ausnahme dreier Barone Rothschild in London (S. 138f.) und zweier Gruppenbilder aus dem Belgrader Konsulat (S. 292f.) kaum zeitgenössische Aufnahmen zu existieren. Beim dritten Abschnitt handelt es sich um eine 120 Druckseiten einnehmende, alphabetisch geordnete Zusammenstellung der namentlich noch bekannten Konsuln mit Dienstort(en) und Dienstzeit(en), dazu – soweit verfügbar – die Geburts- und Sterbedaten dieser Amtsträger.

 

Die Hinweise zur Geschichte lassen insgesamt die Förderung wirtschaftlicher Aktivitäten als vordringliches Ziel der konsularischen Tätigkeit erkennen. Der Entscheidung, ob an einem bestimmten Ort ein eigenes Konsulat eingerichtet werden sollte, gingen entsprechende Kosten-Nutzen-Kalküle voraus, wie im marokkanischen Tanger: „Laut Vortrag an Kaiser Franz Josef von 1868 […] ‚schienen (nicht allein) die sehr geringen Handelsbeziehungen mit Marokko die Ausgaben für einen daselbst zu bestellenden k. k. Consul nicht zu rechtfertigen, sondern es wurden dabei auch die früher unabweislich nötig gewesenen jährlich wiederkehrenden Geschenke an den Sultan und an die angesehenen Persönlichkeiten des marokkanischen Hofes in Betracht gezogen; und es wurde daher bis heute die Besorgung der österr. Consulargeschäfte immer einem der in Marokko befindlichen fremden Consuln unter dem Titel eines Agenten oder Generalagenten anvertraut, wofür der Betreffende in Folge allerhöchster Entschließung vom 22. April 1831 ein Ehrengehalt von 600 spanischen Piastern (1290 fl. ö. W.) und 50 Piastern (100 fl. ö. W.) für den Dolmetsch bezieht. … Es wurde daher die Aufstellung eines eigenen k. k. Consuls […] befürwortet […] umso mehr […] als […] die früher übliche Anforderung der marokkanischen Regierung von Geschenken … als beseitigt anzusehen ist, womit das wesentliche finanzielle Bedenken gegen die Aufstellung […] weggefallen ist‘“ (S. 225). In den 200 Jahren zwischen 1718 und 1918 habe die Donaumonarchie weltweit insgesamt 725 Konsulate unterhalten, die meisten in Italien (117) und Deutschland (26). Das 1787 zum Generalkonsulat umgewandelte Konsulat auf Mauritius mit seinem auf „die Isle de France, auf dem Vorgebirge der guten Hoffnung, und überhaupt in allen ostindischen Küsten und Gewässern, wo sich keine Konsuln befinden“, erweiterten Zuständigkeitsbereich habe „den größten Amtsbezirk [gehabt], den ein k. k. Konsularamt je hatte“ (S. 227).

 

Der Großteil des Archivmaterials zum Thema lagert ausweislich des Quellennachweises in den Abteilungen des Österreichischen Staatsarchivs in Wien, also im Haus-, Hof- und Staatsarchiv, im Finanz- und Hofkammerarchiv sowie im Archiv der Republik. Gezählte 65 in einer gesonderten Rubrik des Literaturverzeichnisses aufgeführte, zwischen 1992 und 2011 von Rudolf Agstner publizierte Titel lassen noch einmal erkennen, wie intensiv sich der Verfasser des vorliegenden nützlichen Hilfsmittels mit der Erforschung der Geschichte des Konsularwesens in der Donaumonarchie auseinandergesetzt hat.

 

Kapfenberg                                                    Werner Augustinovic