Kunze, Rolf-Ulrich, Lehrbuch Familiengeschichte

– Eine Ressource der Zeitgeschichte. Kohlhammer, Stuttgart 2018. 232 S. Angezeigt von Gerhard Köbler.

Kunze, Rolf-Ulrich, Lehrbuch Familiengeschichte – Eine Ressource der Zeitgeschichte. Kohlhammer, Stuttgart 2018. 232 S. Angezeigt von Gerhard Köbler.

 

Die Familie ist nach vielfältiger Ansicht die Keimzelle der Gesellschaft, des Volkes, des Staates oder des Faschismus und ein vorzügliches Beispiel für die Vielfalt und die Geschichtlichkeit von Gegebenheiten. Ihre Geschichte gehört nach den Erkenntnissen des Verfassers des vorliegenden Werkes zu den gut erforschten Querschnittsgebieten der Sozialgeschichte und Mentalitätsgeschichte. Da dies aber nur für die Neuzeit bis 1914 und nicht für die Zeitgeschichte gilt, ist ein neuer Ansatz vielleicht erfolgversprechend.

 

Ihn unternimmt der familiär aus dem in der Gegenwart polnischen Teil Gubens und aus Berlin stammende, in Osnabrück 1968 geborene, von 1989 bis 1994 als Stipendiat der Studienstiftung des deutschen Volkes in Rechtswissenschaft, Geschichte, Germanistik und politischen Wissenschaften in Frankfurt am Main und Würzburg mit einem Abschluss als Magister Artium in dem Bereich neuere und neueste Geschichte ausgebildete, in Würzburg 1995 mit einer Dissertation über den Auslandsbischof der deutschen evangelischen Kirchen (DEK) Bischof D. Theodor Heckel (1894-1967) promovierte, an der Universität Mainz 1999 als wissenschaftlicher Mitarbeiter unter Betreuung durch Wolfgang Altgeld mit einer Schrift zur Geschichte der Studienstiftung des deutschen Volkes für neuere und neueste Geschichte habilitierte und nach vielfältigen anderen Tätigkeiten an dem Institut für Geschichte der Fakultät für Geisteswissenschaften und Sozialwissenschaften des Karlsruher Instituts für Technologie wirkende Verfasser. Seine Dankesworte stammen von dem 30. Juni 2017, an dem der Bundestag Deutschlands mit deutlicher Mehrheit die Ehe für alle beschloss. Obwohl nach Kunzes Meinung Kurt Tucholsky 1922 in seiner Satire Die  Familie in der Weltbühne von 1922 alles Wesentliche zum Thema bereits gesagt hat, legt er auf Grund eines mit den Pfarrerinnen seiner evangelischen Christuskirchengemeinde Karlsruhe gepflegten Langzeitprojekts ein Lehrbuch zu der Sicherung von familiengeschichtlicher Privatüberlieferung und Förderung familiengeschichtlicher Kommunikation vor.

 

Dieses gliedert sich in einen Theorieteil und einen Praxisteil. Theoretisch geht es um die Begründung von Familiengeschichte, erkenntnisleitende Perspektiven einer Familiengeschichte im 20. Jahrhundert, die Familie im 20. Jahrhundert auf dem Wege vom golden age of marriage zu dem ausgehandelten Patchwork und ausgewählte Forschungspositionen etwa Reinhard Sieders, Andreas Gestrichs und Tamara K. Harevens, praktisch um Quellen wie Briefe, Fotos, Oral History und Artefakte, die systematische Perspektive und im Ausblick um Themenbeispiele wie etwa die Familie Heckel, Trennung und Scheidung, deutsch-deutsche Familienzusammenhänge, Konfessionalität, Urlaub, Weitergabe von Spielzeug sowie noch bestehende Forschungsdesiderate. Möge das Innovation anstrebende, um Anhänge, Anmerkungen, Quellen- und Literaturverzeichnis (mit vielen Schriften des Autors) und Begriffsregister (von Adoleszenz bis Zivilisationsbruch) sowie Personenregister (von Adenauer über Heckel, Hitler und Mitterauer bis Wolle) bereicherte Lehrbuch viele interessierte Leser und Unterstützer finden.

 

Innsbruck                                                       Gerhard Köbler