Erziehen und Strafen, Bessern und Bewahren
Erziehen und Strafen, Bessern und Bewahren. Entwicklungen und Diskussionen im Jugendrecht im 20. Jahrhundert, hg. v. Schumann, Eva/Wapler, Friederike (= Göttinger juristische Schriften 20). Universitätsverlag, Göttingen 2017. V, 162 S. Angezeigt von Gerhard Köbler.
Die Jugend von Menschen hat es in dem weitgespannten Rahmen der Zeitlichkeit des Universums seit der Entstehung des Menschen gegeben. Sprachlich wird sie anscheinend bereits in der indogermanischen Sprache und danach in dem rekonstruierbaren Westgermanischen sichtbar und ist althochdeutsch an dem Ende des 8. Jahrhunderts bezeugt, das wohl lehnübersetzend entstandene Adjektiv jugendlich seit dem 9. Jahrhundert. Von mit Jugend gebildeten substantivischen Zusammensetzungen lassen sich Jugendarbeit bei Lessing (1729-1781), Jugendgericht nach sachlicher Vorbereitung seit dem Ende des 18. Jahrhunderts in dem 19. Jahrhundert nachweisen, Jugendamt, Jugendarbeitsschutz, Jugendarrest, Jugendgefährdung, Jugendgerichtsgesetz, Jugendgerichtshilfe, Jugendkriminalität, Jugendrecht, Jugendrichter, Jugendschutz, Jugendstrafe, Jugendstrafrecht, Jugendvertretung und Jugendwohlfahrt dagegen erst in dem 20. Jahrhundert.
Mit dem besonderen Aspekt der Entwicklungen und Diskussionen in dem Jugendrecht in dem 20. Jahrhundert befasst sich der vorliegende schlanke Sammelband, der an der juristischen Fakultät der Universität Göttingen entstand, in der Friedrich Schaffstein (1905-2001) bereits 1936 die Erneuerung des Jugendstrafrechts thematisierte und seit 1959 als erster ein sehr erfolgreiches Lehrbuch des Jugendstrafrechts vorlegte. Das Werkversammelt nach dem Vorwort der beiden Herausgeberinnen die Referate eines in Göttingen an dem 27. Mai 2016 durchgeführten Workshops mit dem Titel Erziehen und Strafen im Fürsorge- und Jugendstrafrecht 1920-1970. Diese von 25 sachkundigen Teilnehmern besuchte Veranstaltung geht ihrerseits auf eine Initiative der Vorsitzenden der deutschen Vereinigung für Jugendgerichte und Jugendgerichtshilfe zurück, die 2015 die Idee einbrachte, in dem Vorfeld der Feier des hundertjährigen Bestehens der 1917 gegründeten Vereinigung zentrale Aspekte des Jugendrechts in einem finanziell unterstützten Rahmen zu betrachten.
Insgesamt enthält das Werk sechs Beiträge. In ihnen befasst sich Kirsten Scheiwe mit der Entwicklung der Fürsorgeerziehung zwischen 1870 und 1990, Friederike Wapler mit dem Erziehungsgedanken in dem Fürsorgerecht und Jugendstrafrecht, Heribert Ostendorf mit der Entwicklung des deutschen Jugendstrafrechts von den Anfängen (in Geschäftsverteilungsplänen einzelner deutscher Gerichte seit 1908) bis zu der Gegenwart, Katrin Höffler mit Tätertypen in dem Jugendstrafrecht, Eva Schumann mit dem Ausschuss für Jugendrecht der Akademie für deutsches Recht zwischen 1934 und 1941 und Dieter Dölling mit einer Annäherung an das jugendstrafrechtliche Denken Friedrich Schaffsteins, der den Auslesegedanken und die Tätertypenlehre vertrat. In die interessante Thematik führen die in Göttingen und nach Göttinger Schulung in Mainz tätigen Herausgeberinnen sachkundig ein, verzichten aber auf ein benutzerfreundliches Sachregister.
Innsbruck Gerhard Köbler