Kampmann, Ursula, Der Wiener Philharmoniker

. Eine Anlagemünze schreibt Geschichte. Battenberg, Regenstauf 2018. 119 S., Abb. Besprochen von Werner Augustinovic.

Kampmann, Ursula, Der Wiener Philharmoniker. Eine Anlagemünze schreibt Geschichte. Battenberg, Regenstauf 2018. 119 S., Abb. Besprochen von Werner Augustinovic.

 

Die Geschichte des Wiener Philharmonikers ist tatsächlich eine Erfolgsgeschichte: 1989 erstmalig zum Kauf angeboten, konnte das Produkt der Münze Österreich bereits 1992 mit einem Anteil von 40 Prozent die Weltmarktführerschaft bei Bullionmünzen erringen. Bis 2001 mit der Angabe des Nennwerts in Schilling (öS), ab 2002 in Euro (€) ist der Philharmoniker in Gold in folgender Stückelung erhältlich: 1 Unze (2000 öS/100 €), 1/2 Unze (1000 öS/50 €), 1/4 Unze (500 öS/25 €), 1/10 Unze (200 öS/10 €) und 1/25 Unze (4 €). 2004 wurde eine „Big Phil“ genannte Sonderprägung mit einem Feingewicht von sage und schreibe 1000 Unzen (100.000 €), 2009 eine weitere zu 20 Unzen (2000 €) aufgelegt. Darüber hinaus gibt es mittlerweile auch Philharmoniker in Silber (1 Unze) und Platin (1 Unze, 1/25 Unze). Als Bullionmünzen werden gemeinhin Anlegermünzen bezeichnet, die kursfähig sind und deren Wert nicht durch den angegebenen Nennwert, sondern durch den Wert des Edelmetalls bestimmt wird. Die Möglichkeit ihrer Verwendung im Geldumlauf ist somit nur eine theoretische. Die besondere Attraktivität für Anleger, Bullionmünzen in Gold zu erwerben, besteht nicht zuletzt in der Befreiung von der Mehrwertsteuer gemäß europäischem Recht. Im Vergleich mit Barrengold fällt somit für den Münzkäufer nur die Prägegebühr zusätzlich an.

 

Es steht nicht unbedingt zu erwarten, dass eine solche der Anlage gewidmete, an den Goldpreis gekoppelte Prägung einer eingehenden numismatischen Würdigung unterzogen wird. Dass sich eine solche aber durchaus lohnen kann, beweist das schmucke Bändchen, das die promovierte Historikerin, Spezialistin für Geldgeschichte und Verfasserin eines Numismatischen Wörterbuchs (2012) Ursula Kampmann hier vorlegt. Ihr Schwerpunkt liegt auf der Darlegung der Entstehungsgeschichte und des weiteren Werdegangs dieser ersten österreichischen Bullionmünze im Kontext einer geldmarktpolitischen Problemlage inklusive der gesetzlichen Rahmenbedingungen (Scheidemünzengesetz vom 4. November 1988) und des Erwerbs der Münze Österreich durch die Österreichische Nationalbank sowie auf der formalen künstlerischen Gestaltung des Philharmonikers (Themenauswahl, Motive, Umsetzung). Die institutionelle Entwicklung der Österreichischen Nationalbank, der Münze Österreich sowie des Orchesters, das als weltweit bekanntes Markenzeichen österreichischer Kultur der Prägung ihren Namen gibt, wird in je eigenen Exkursen vorgestellt. Weitere Ausführungen beschäftigen sich mit den Metallen Gold, Silber und Platin als den Grundmaterialien für die Münzprägung sowie mit den Unterschieden zwischen und den Charakteristika von Gedenkmünzen, Handelsmünzen (das bekannteste Beispiel ist der auf mehreren Kontinenten verbreitete Maria-Theresien-Taler in Silber), Bullionmünzen und Medaillen (von jedermann produzierbare Prägungen ohne Nennwert). Tabellen mit farbigen Abbildungen aller verfügbaren Varianten des Philharmonikers in (mit Ausnahme der zwei genannten, überdimensionierten Sonderprägungen) Originalgröße listen für jeden Typ und jedes Jahr die genauen Auflagezahlen, eine „Timeline“ von 1988 bis 2017 führt den Werdegang der Philharmoniker-Münze mit einigen markanten, willkürlich ausgewählten Ereignissen der allgemeinen – hauptsächlich österreichischen – Geschichte parallel.

 

Laut Darstellung wurzelt die Geburt des Philharmonikers in den Problemen, welche die 1955 vom österreichischen Finanzministerium wieder aufgenommene, lukrative Prägung von als Sammelobjekt geschätzten Gedenkmünzen auf lange Sicht heraufbeschworen haben soll. Diese Gedenkmünzen „bringen nicht nur den Schlagschatz [= die Differenz zwischen den Herstellungskosten und dem Nennwert einer Münze; W. A.], sondern fließen in den meisten Fällen nicht in den Umlauf. Wer eine Gedenkmünze weglegt, gibt der Staatskasse damit praktisch einen zinsenlosen Kredit in Höhe des Nennwerts. […] Aber im Gegensatz zu normalen Staatsschulden, für die es geordnete Rückzahlungspläne gibt, weiß man bei solchen Gedenkmünzenausgaben nie, wann der Sammler sie nicht mehr haben will“ (S. 16). Eine solche Situation sei ab Mai 1980 mit dem Platzen der Silberblase und dem Verfall des Silberpreises eingetreten. „Ende des Jahres 1987 stehen einem Banknotenumlauf von rund 98 Milliarden Schilling ein Münzumlauf von fast 25 Milliarden gegenüber, von dem mehr als 18 Milliarden auf gehortete Gedenkmünzen entfallen. Damit befinden sich rund 15% allen Bargelds in den Sparstrümpfen und können jederzeit in den Umlauf gelangen. Dies beschert […] den Vertretern der Oesterreichischen Nationalbank unruhige Nächte“ (S. 23f.). Warum das so ist, also welche Folgen ein derartiges Verhalten der Sammler konkret heraufbeschworen hätte und in welcher Weise und wofür dieses eine Gefahr darstellen würde, erklärt die Verfasserin leider nicht. Man erfährt in der Folge, dass die im Rahmen der Budgetkonsolidierung in die Wege geleitete Übertragung des Hauptmünzamtes und des Prägerechts an die Österreichische Nationalbank mit dem erwähnten Scheidemünzengesetz 1988 rechtlich vollzogen worden ist; § 21 regelt die Rücknahme der alten Gedenkmünzen, wofür die Regierung die allfälligen Kosten zu übernehmen hätte. „Doch die Münze Österreich sichert zu, alles in ihrer Macht [S]tehende zu tun, damit es nicht zu einer massenhaften Rückgabe kommt“ (S. 27). Das „Ei des Kolumbus“ findet Paul Berger, ab 1989 Generaldirektor der Münze Österreich AG, im kanadischen Maple Leaf, einer Bullion-Goldmünze, die zum Impulsgeber des mit § 12.2 des österreichischen Scheidemünzengesetzes legalisierten Philharmonikers wird. Im Unterschied zu den Gedenkmünzen ist bei Bullionmünzen die Differenz zwischen Nennwert und Metallwert so groß, dass sie selbst bei einem stark fallenden Goldpreis nie zum Nennwert an die Nationalbank zurückverkauft würden, weil der bei einem Goldhändler zu erzielende Goldpreis in jedem Fall deutlich höher läge als der Nennwert. Da der Nennwert der sofort gut nachgefragten Bullionmünzen zudem den Nennwert der umlaufenden Geldmenge stark erhöht, sinkt gleichzeitig der Anteil der gehorteten Gedenkmünzen im Verhältnis zum Gesamtumlauf. So sei es „zu keiner Massenrückgabe der silbernen Gedenkmünzen“ gekommen, sondern „die Lawine wurde langsam und verträglich abgebaut“; heute gebe es erfreulicher Weise „einen gesunden Sammlermarkt für diese wunderschönen Gedenkprägungen“ (S. 30).

 

Ein weiterer Coup, der mit der Einführung des Philharmonikers einhergegangen sei, sei die sensible Reduktion der überdimensionierten Goldreserven der Österreichischen Nationalbank gewesen. 50 Tonnen Gold dieser Provenienz seien seither ständig bei der Münze Österreich als Rohstoff ausgelagert, beim Verkauf von Philharmonikern wurde täglich zum Tageskurs mit der Nationalbank abgerechnet. Für die Münze Österreich fiel dabei das für andere Münzstätten bestehende Kursrisiko ebenso weg, wie sie auch keinen Material- und Lieferengpässen ausgesetzt war. Gleichzeitig profitierte die Österreichische Nationalbank, indem sie „unter Vermeidung des Zwischenhandels an der Börse […] zwischen 1989 und 1998 mit mehr als 200 Tonnen Gold rund ein Drittel ihrer Edelmetall-Währungsreserven abbauen (kann), (u)nd zwar ohne dass der Goldpreis dadurch beeinflusst wird oder gar sinkt“ (S. 40). Erst ab 1999, mit der Einführung des Euro als Buchgeld und den damit einhergehenden neuen Regelungen für die Zentralbanken, sei es nicht mehr möglich gewesen, auf diese für die Beteiligten so vorteilhafte Konstruktion zurückzugreifen.

 

Hochwertiges Papier, ebensolche Abbildungen auf nahezu jeder Doppelseite und ein sehr ansprechendes Layout vermitteln im Zusammenwirken mit dem eingängigen und informativen Text jenes hohe Qualitätsniveau, das man allgemein mit den Prägungen der Münze Österreich assoziiert. Die Einbindung der Geschichte des Wiener Philharmonikers in Zusammenhänge, die bis in die Anfänge der Münzprägung im siebten vorchristlichen Jahrhundert zurückreichen, macht die schmale Schrift auch für Nutzer interessant, die bisher mit Numismatik noch nicht in Berührung gekommen sind und hier eine lebendige Einführung in einige Grundlagen dieser spannenden Fachdisziplin erfahren.

 

Kapfenberg                                                    Werner Augustinovic