Siehr, Angelika, Das Recht am öffentlichen Raum
Siehr, Angelika, Das Recht am öffentlichen Raum – Theorie des öffentlichen Raumes und die räumliche Dimension von Freiheit (= Jus Publicum 260). Mohr Siebeck, Tübingen 2016. XXXIV, 770 S. Angezeigt von Gerhard Köbler.
In dem Universum ist die Dimension Raum mit Länge, Breite und Höhe in anscheinend endlich-unendlicher Ausdehnung vorgegeben. Trotz der Beschränktheit der darin eingebundenen Erde ergeben sich daraus für den auf ihr lebenden Menschen zahlreiche Organisationsfragen. Zu ihrer möglichst günstigen Gestaltung bedient sich der zu anfangs unvorhersehbarer Zahl entwickelte Mensch vielfältiger unterschiedlicher Überlegungen.
Einen Teilaspekt dieser Problematik behandelt die in Berlin an der Humboldt-Universität 1999 mit einer Dissertation über die Deutschenrechte des Grundgesetzes promovierte, in Bielefeld tätige Verfasserin in ihrer vorliegenden umfangreichen, von Bernhard Schlink angestoßenen und von Alexander Blankenagel betreuten Habilitationsschrift, die 2011 an ihrer Heimatuniversität angenommen wurde. Gegliedert ist die eindringliche, auf einem Literaturverzeichnis von mehr als 60 Seiten ruhende Untersuchung in fünf Kapitel. Sie betreffen Wandlungsprozesse und neue Herausforderungen in dem öffentlichen Raum, den öffentlichen Raum als interdisziplinäres Phänomen, Grundlinien einer materiellen Konzeption des urbanen öffentlichen Raumes, das Recht an dem öffentlichen Raum und das Recht auf den öffentlichen Raum sowie als Fazit und Ausblick Grundzüge einer rechtswissenschaftlichen Theorie des öffentlichen Raumes.
Danach bringt das Recht auf öffentlichen Raum als individuelles Teilhaberecht den öffentlichen Raum als Raum der Gleichheit zur Geltung. Ihm drohen vielfältige Gefahren durch unterschiedliche tatsächliche Entwicklungen. Aus diesem Grund sieht die Verfasserin überzeugend einerseits Anstrengungen als erforderlich an, die darauf gerichtet sind, den öffentlichen Raum in dem engeren Sinne in seiner Attraktivität, Multifunktionalität und prinzipiellen Nutzungsoffenheit zu erhalten, und andererseits einen breiten öffentlichen Diskurs über das Ob und das Wie der Privatisierung des öffentlichen Raumes bzw. der Ausweitung semi-öffentlicher Räume zu Lasten des öffentlichen Raumes in dem engeren Sinne, weil andernfalls die Gesamtheit verliert, wenn die Diskrepanz zwischen tatsächlichen Entwicklungen und Idealbild des urbanen öffentlichen Raums zu groß wird, wogegen letzten Endes der Gesetzgeber mit einer Ausweitung der Sozialbindung des Eigentums einschreiten müsste.
Innsbruck Gerhard Köbler