Thalmann, Dominik, Nutzung der Abbilder von Personen des öffentlichen Interesses
Götzvonolenhusenthalmannnutzungderabbilde20180510 Nr. 16708 ZIER 8 (2018) 89. IT
Thalmann, Dominik, Nutzung der Abbilder von Personen des öffentlichen Interesses zu Werbezwecken. Nomos, Baden-Baden 2016. 414 S. Besprochen von Albrecht Götz von Olenhusen.
Der Konflikt zwischen dem Recht am eigenen Bild und der Nutzung von Prominenz für Werbezwecke in den Medien beschäftigt die Kasuistik und Lehre seit Jahrzehnten. Ist das Wirtschaftsgut „Celebrity“ zu einem vermögenswerten Ausschließlichkeitsrecht erstarkt oder ist die kommerzielle Verwertung von Prominenz inzwischen Teil der Gemeingüter ?
Die Anwendungsfälle sind mit Testimonialwerbung, Personenmerchandising und mit vielen anderen Formen der politischen, künstlerischen oder satirischen Formen der Werbewirtschaft umschrieben. Seit den Anfängen der Prominentenwerbung und ihrer Grenzen (Stichworte: Paul Dahlke, Herrenreiter) hat das Problem die Rechtsprechung immer wieder beschäftigt. Die Nutzung von Prominenten wie Joachim Fuchsberger, Iwan Rebroff oder Günther Jauch hat seit jeher die Frage nach dem informationellen Mehrwert derartiger Absatzförderung aufgeworfen, auch bei der Nutzung von Personenportraits für Gedenkmünzen (Willy Brandt, Franz Josef Strauß). Die Verwendung von Namen und Abbildern von Fußballspielern für Computerspielfiguren betrifft eine ähnliche Fragestellung.
Vor allem die postmortale Nutzung der Persönlichkeit bot immer wieder Gelegenheit zur Rechtsfortbildung. Seit der bekannten Entscheidung Lafontaine vs. Sixt (NJW 2007, 689) und den anschließenden mehr oder weniger unterhaltsamen Werbebildern der Firma handelt es sich um den Schutzbereich von Abbildern von „Promis“. Die Eigenwerbung von Medienprodukten macht sich den Werbewert von berühmten Namen oder Personen zu eigen. Ein unzulässiger Grenzfall wurde von der Rechtsprechung im Fall „Playboy am Sonntag“ neuerdings zugunsten der Person entschieden – hier wohl wegen der heimlichen Aufnahme, der sehr geringen trivialen Berichterstattungsmomente, aber vor allem wegen der eigentlichen rein fürs eigene Presseprodukt genutzten, im Grunde mehr oder weniger „versteckten“ Werbung des Bildberichts, der in Wahrheit eine ganzseitige Werbeanzeige darstellte.
Historisch ist die Werbung mit Prominenten kein neues Phänomen. Unter anderem aus dem 19. Jahrhundert lassen sich zahlreiche Beispiele finden. Das Haus der Geschichte hat diese Entwicklung 2001/2002 dokumentiert. Die Prominentenwerbung etwa mit Sängerinnen oder anderen Künstlern war vor allem in England und in den Vereinigten Staaten von Amerika schon früh sehr verbreitet. Ein von dem Verfasser in seinem kursorischen Überblick nicht genanntes Beispiel ist seit der Mitte des 19. Jahrhunderts die ausgedehnte Nutzung der Sängerin Jenny Lind für eine Vielzahl von Produkten, damals ohne irgendeine Honorierung oder Beteiligung der Persönlichkeiten.
Das große Werbegenie P. T. Barnum entwickelte Zeit seines Lebens eine Vielzahl derartiger Urformen der Celebrity-Werbung. Der prominente Werbewert reicht von der bloßen Aufmerksamkeitswerbung über direkte und indirekte Produktempfehlung bis hin zum Imagetransfer und zur sog. Schockwerbung, zur Personality-PR und zum Personenmerchandising.,, sowie zur postmortalen Vermarktung (z. B. Forbes-Liste „Top-Earning Dead Celebrities“).
Thalmann geht in seiner Freiburger Dissertation des Jahres 2015 (Betreuer Boris Paal) „gutachtlich“ vor: Persönlichkeits-, Urheber-, Marken- und Wettbewerbsrecht werden unter Einbeziehung der reichhaltigen Judikatur untersucht. Im Vordergrund muss dabei das Recht am eigenen Bild und das allgemeine Persönlichkeitsrecht mit seinen ideellen und vermögensrechtlichen Aspekten und Ansprüchen stehen. Der Schutz wird durch Überlegungen der „Gemeinfreiheit“ eingeschränkt: die Interessen der Meinungs-, Kunst- und Medienfreiheiten setzen sich unten Perspektiven von Art. 5 GG oft durch. Thalmanns scharfe Kritik an der nicht widerspruchsfreien und dogmatisch wenig stringenten deutschen Rechtsprechung, die vom Informationsmehrwert ausgeht (S. 172ff.) und das Recht am eigenen Bild schwäche, basiert darauf, dass der Bundesgerichtshof die verfassungsrechtlichen Gewährleistungen aus deb Art. 2, 12, 14 GG und Art. 8 EMRK unterschätze (S. 179ff.). Der Verfasser plädiert für einen verlängerten postmortalen, also über 10 Jahre hinausgehenden Schutz. Die Gründe des Bundesgerichtshofs aus § 22 KUG für eine analoge Anwendung auf Namen und domains sind kritisch kommentiert worden. An und für sich ist allerdings die Tendenz zu kürzeren Fristen begrüßenswert, allein schon um die Diskrepanzen bei der temporären Zuweisung von Immaterialgütern zu verringern. Andererseits werde, wie Thalmann ausführt, der Werbewert einer Person wegen des öffentlichen Freihaltebedürfnisses ohnehin nur begrenzt der eigenen Verwertung zugewiesen.
Der urheberrechtliche Schutz auch von sog. Kunstfiguren (Beispiel: Hape Kerkelings Horst Schlämmer) arbeitet die Grenzen zwischen Selbstinszenierung und fremdinszenierten Figuren als Phantasieprodukte heraus. Die Kriterien für artifizielle Figuren könnten auf menschliche übertragen werden. Dennoch soll der Werbewert der Prominenz im Ergebnis weder Exklusiveigentum noch Copyright sein. Hier wäre ein rechtsvergleichender Exkurs etwa zu dem Schutz von „characters“ nützlich gewesen. Die nordamerikanische Judikatur geht in der Zulassung des Copyright-Schutzes solcher Kunst- und Produktformen heute vergleichsweise weit, wenn die künstlerischen oder literarischen Produkte entsprechende, eben auch womöglich fiktive Charaktereigenschaften aufweisen.
Der markenrechtliche Schutz von Prominentenmarken ist nur sehr bedingt möglich.
Der Lauterkeitsschutz gegen unautorisiertes Personenmerchandising ist lückenhaft, hilft aber gegen irreführende Testimonial- und Doppelgängerwerbung.
Ein interessantes Detailergebnis könnte sein, dass die Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union mit ihrer seit 2012 festgeschriebenen Verschiebung von der public person zu dem zeitgeschichtlichen Ereignis Auswirkungen haben könnte oder müsste auf die bisher oft persönlichkeitsrechtlich fixierten Gründe des Schutzes des Rechts am eigenen Bild und damit auch auf die Reichweite des Schutzes gegen Kommerzialisierung durch Werbung. Denn die jahrzehntelange deutsche Schutzkonzeption, die sich an der Person der Zeitgeschichte orientierte, hat seit der Rechtsprechung des Gerichtshofs von 2004 und 2013 ausgespielt. Das neue Schutzkonzept des Bundesgerichtshofs, von dem Gerichtshof gebilligt, hat begrifflich und in der Begründung die Grenzen zwischen dem (privaten) Schutz der Prominenz und der „gemeinfreien“ Nutzung aus öffentlichen Interessen verschoben. Zwar wird heute die Privatsphäre höherwertiger gesehen als noch vor Jahrzehnten, auch bei Prominenten, doch wird andererseits die Meinungs-, Kunst-, Presse- und Medienfreiheit, namentlich auch bei der satirischen Nutzung von Prominenten anders gewichtet.
Den diversen Ursachen für diese Entwicklungen geht die auch auf die rechtshistorisch interessante Entwicklung eingehende Untersuchung nicht weiter nach. Immerhin deutet der Perspektivenwechsel seit den 1950er Jahren schon auf Entwicklungen hin, die mit technologischen, ökonomischen und gesellschaftlichen Veränderungen zu tun haben dürften. Deren Wirkungen auf die Rechtsprechung wären einer näheren Betrachtung wert. Allein die lange Auseinandersetzung um das Schutzkonzept nach deutschem Recht (§§ 22, 23 KUG) mit seinen schon fast unübersehbaren Varianten und den Differenzen zwischen Bundesgerichtshof, Bundesverfassungsgericht und Europäischem Menschenrechtsgerichtshof wirft nicht nur dogmatische Frage des Schutzes der privaten Sphären im globalen Maßstab auf, sondern muss auch den Gegenstand einer sozialwissenschaftlich grundierten Rechtswissenschaft und Rechtssoziologie bilden.
Die Methoden und Manieren der öffentlichen Selbstdarstellung, der Inszenierung, der Selbstvermarktung und die Formen des personellen oder artifiziellen Image haben sich geändert. Die veränderten Trends wirken sich auch in den sozialen Medien aus. Die Arbeit schließt sich produktiv an Arbeiten von Tobias Hermann zum Werbewert der Prominenz (2012) und Hannes Oswald-Brügel über mediale Selbstdarstellung als persönliche Schöpfung (2013) an. Thalmanns filigrane und präzis argumentierende Arbeit besticht durch eine sehr starke Bezugnahme auf das deutsche „case law“, durch seine These von der Balance zwischen Personen des öffentlichen Interesses , der Teilhabe vieler „Anteilseigner“ an der „Aktie“ persona publica und der „Sozialbindung“.
Düsseldorf Albrecht Götz von Olenhusen