Verzeichnis der Familienarchive und persönlichen Schriftennachlässe
Verzeichnis der Familienarchive und persönlichen Schriftennachlässe zur österreichischen Geschichte 1500-2000, hg. v. Hochedlinger, Michael/Krenn, Martin/Terzer, Peter (= Veröffentlichungen der Kommission für neuere Geschichte Österreichs 116). Böhlau, Wien 2018. 1106 S. Angezeigt von Gerhard Köbler.
Seit der Erfindung der Schrift kann der Mensch schriftliche Erkenntnisquellen hinterlassen, die in ihrem Bestand allerdings unterschiedlichsten Gefahren ausgesetzt sind. Im Zuge der kulturellen Entwicklung haben dabei immer mehr Menschen schreiben gelernt, so dass inzwischen die Schreibfähigkeit die Regel und der Analphabetismus die Ausnahme geworden ist. Dementsprechend hinterlassen in der Gegenwart die meisten Menschen bei ihrem Tode auch Schriftgut und wird Schriftgut nach altertümlichen Anfängen spätestens seit dem Mittelalter an immer mehr Stellen bewusst bewahrt, wovon nach der Vorbemerkung der Herausgeber des gewichtigen Überblicks empirisch arbeitende Geschichtswissenschaft grundsätzlich abhängig ist.
Wie die Herausgeber ebenfalls nachdrücklich betonen, lässt sich in Gegensatz zu archiviertem Schriftgut staatlicher Behörden und öffentlicher Institutionen der Verbleib privater Archive und persönlicher Schriftnachlässe wegen des fehlenden „Archivzwangs“ oft nur mit großer Mühe ermitteln. Dementsprechend ist nicht nur bereits reiches Quellenmaterial zu der österreichischen bzw. mitteleuropäischen Geschichte infolge fehlender Betreuung verloren gegangen, sondern schlummert auch vieles an unbekanntem bzw. vergessenem Ort und kann deshalb nicht zielgerichtet nachgefragt werden. Dem hilft das zwischen 2011 und 2014 mit vergleichsweise bescheidenen Geldmitteln von allen Beteiligten nur im Nebenamt verwirklichte Vorhaben, das mehr als 5000 Familienarchive, Nachlässe, Familienarchivnachteile, Nachlassteile und verstreute Splitterüberlieferungen von historischer Bedeutung unter Wahrung besonders genannter Abgrenzungen erfasst, bestmöglich ab.
Angeregt wurde die Wiederaufnahme des älteren Gründungsprojekts „Archivkataster“ von Michael Hochedlinger 2007 unmittelbar nach seiner Wahl in die Kommission für neuere Geschichte Österreichs, die sich daraufhin bereit erklärte, die Kosten für ein deutlich bescheidener ausgelegtes Forschungsprojekt mit Werkverträgen für zwei Absolventen des Instituts für österreichische Geschichtsforschung (Simon Peter Terzer und Martin Krenn) aus eigenen Mitteln zu tragen. Das eindrucksvolle, nach der Umschlagkarte scheinbar auf das Gebiet zwischen Wels, Neuhaus, Brünn, Wien, Wiener Neustadt und Steyr konzentrierte, Bestände in Tschechien, der Slowakei, Ungarn, Deutschland, Italien, Polen Slowenien, Kroatien, Rumänien, der Ukraine, der Schweiz, den Vereinigten Staaten von Amerika und Israel berücksichtigende Gesamtergebnis beginnt in seiner alphabetischen Ordnung mit den (Freiherren) Abele von Lilienberg (etwa 0,5 lfm. Familienakten bzw. Familienurkunden von 1547 bis 1878) und endet mit sechs Kartons Korrespondenzen des Denkmalschützers Josef Zykan (1901-1971) zwischen 1945 und 1966. Von besonderem Gewicht ist die ab Friedrich III. erfasste Familie Habsburg (S. 335-368), doch sind neben zahlreichen anderen Personen auch etwa Engelbert Dollfuss (1 Karton Glückwünsche zur Kanzlerernennung), (nicht Adolf Hitler,) Karl Renner oder Kurt von Schuschnigg und viele andere erfasst, so dass mit dem neuen Verzeichnis der Allgemeinheit ein sehr wertvolles Nachschlagewerk zur Verfügung gestellt wird, das durch eine digitale Fassung noch vielseitigeren Zugriff und dauerhafte Aktualität erhalten kann.
Innsbruck Gerhard Köbler