Zeitenwende in Hessen
Zeitenwende in Hessen. Revolutionärer Aufbruch 1918/1919 in die Demokratie – Begleitband zur gleichnamigen Ausstellung des hessischen Landesarchivs, hg. v. Hedwig, Andreas (= Schriften des hessischen Staatsarchivs Marburg 36). Hessisches Staatsarchiv, Marburg 2019. 136 S., Abb. Angezeigt von Gerhard Köbler.
Nach dem derzeitigen menschlichen Wissen ist die Zeit eine anscheinend ziemlich gleichmäßig von einem Anfang vielleicht an ein Ende verlaufende Dimension, in der sich in der Vergangenheit bis zu der Gegenwart ein den Menschen umfassender Verlauf ergeben hat, ohne dass über die Zukunft irgendeine sichere Vorhersage möglich ist. Immerhin lässt sich wohl feststellen, dass die Entwicklung des Menschen von einfachen Anfängen bis jetzt infolge der Verdichtung an Dynamik deutlich zugenommen hat. Dabei sind seit 1789 auch Revolutionen möglich geworden, durch welche die politischen Verhältnisse an einzelnen Stellen erheblich, wenn auch nicht in jeder Hinsicht vollständig verändert wurden.
Der Zeitenwende in Hessen in den Jahren 1918/1919 ist in diesem weiten Rahmen der vorliegende, mit einem Bild der neuen Zeit vor allem mit einer roten Mitte veranschaulichte schlanke Begleitband zu einer Ausstellung gewidmet. Er gliedert sich nach einer unter die Worte „…das alte Morsche ist zusammengebrochen“ gestellten kurzen Einleitung in insgesamt drei Abschnitte. Sie betreffen in 22 Untereinheiten das Ende des ersten Weltkriegs, die Novemberrevolution in Hessen, Weichenstellungen sowie Folgen und Wirkungen.
Dabei ist dem Zusammenbruch des alten Morschen ein Bild Kaiser Wilhelms II. vorangestellt, das den von 1859 bis 1941 lebenden König von Preußen 1916 in Armeeuniform mit Pickelhaube als obersten Kriegsherrn des Deutschen Reiches zeigt, der durch seine politische Stützung der Kriegserklärung des Kaisers von Österreich-Ungarn gegenüber Serbien wesentlich zu der Entstehung des ersten Weltkriegs und dem Untergang des Bisherigen beigetragen hat. Dem Ende des ersten Weltkriegs auf Grund des Schweigens der Waffen und des Matrosenaufstands in Kiel folgen die unterschiedlichen Formen der Revolution in Kassel, Hanau, den ländlichen Regionen, in Frankfurt am Main und in Wiesbaden und Darmstadt, die Schaffung des Landesvolksrats, der neuen „Volksparteien“ und der Verfassung des Volksstaats Hessen. Weichenstellungen werden in Räten, Arbeiterparteien, bürgerlichen Parteien, Wahlen, Verfassung, Versailles und der Märzkrise 1920 sichtbar gemacht, Folgen und Wirkungen in den schweren Jahren bis 1923, den „goldenen Zwanzigern“, dem Ende der Republik und dem demokratischen Neubeginn 1945, an dessen Ende die hessische, klare Lehren aus der Geschichte ziehende und Maßstäbe für die gesamte spätere Geschichte Deutschlands setzende Verfassung steht, der an dem 1. Dezember 1946 mehr als drei Viertel der wahlberechtigten Hessen zustimmten und dadurch die überzeugend dokumentierte Zeitenwende in ihrem Lande nachdrücklich stützten.
Innsbruck Gerhard Köbler