Faszination Schwert – Große Sonderausstellung im Landesmuseum Württemberg

13. Oktober 2018 – 28. April 2019 Altes Schloss Stuttgart, hg. v. Landesmuseum Baden-Württemberg (= Archäologie in Deutschland, Sonderheft 14). Wissenschaftliche Buchgesellschaft/Theiss. Darmstadt 2018. 112 S., Abb. Besprochen von Werner Augustinovic.

Faszination Schwert – Große Sonderausstellung im Landesmuseum Württemberg 13. Oktober 2018 – 28. April 2019 Altes Schloss Stuttgart, hg. v. Landesmuseum Baden-Württemberg (= Archäologie in Deutschland, Sonderheft 14). Wissenschaftliche Buchgesellschaft/Theiss. Darmstadt 2018. 112 S., Abb. Besprochen von Werner Augustinovic.

 

Die Fertigkeit des Menschen, Metall zu gewinnen und zu verarbeiten, versetzte ihn nicht zuletzt in die Lage, leistungsfähigere Waffen herzustellen, unter denen das Schwert in vielfältiger Form über einen langen Zeitraum eine besondere Bedeutung erlangte. Heute steht die einst allgegenwärtige Hieb- und Stichwaffe hauptsächlich noch als markantes Symbol und ikonographisches Element in Verwendung. Eine bis Ende April 2019 geöffnete Sonderausstellung des Landesmuseums Württemberg im Alten Schloss in Stuttgart hat sich daher dieses Themas angenommen und will mit dem Schwerpunkt auf Mitteleuropa die Vielfalt der Bereiche vorstellen, die sich dieses Ende des 4. Jahrtausends v. Chr. in der Osttürkei erstmalig archäologisch nachgewiesene Artefakt nach und nach in der Kulturgeschichte der Menschheit zu erobern vermochte. Der vorliegenden Publikation kommt wohl die Funktion eines gedruckten Begleiters zu, der die Ausstellungsbesucher mit seinen reichhaltigen Illustrationen (jede Doppelseite wurde mit mindestens einer, meist jedoch mit zwei oder mehreren qualitativ hochwertigen Abbildungen geschmückt) animiert und es ihnen ermöglicht, sich vorbereitend oder nachbereitend kompetent in das Thema einzulesen. Die einzelnen Beiträge wurden in der Mehrzahl von wissenschaftlichen Mitarbeitern des Landesmuseums Württemberg sowie auch von Mitgliedern des wissenschaftlichen Beirats (Sven Kommer – RWTH Aachen; Barbara Krug-Richter – Universität des Saarlandes, Saarbrücken [ohne eigenen schriftlichen Beitrag]; Thomas Rudolph – McKinsey & Company, Stuttgart; Stefanie Samida – Heidelberg School of Education; Bettina Uppenkamp – Hochschule für bildende Künste Hamburg; Sixt Wetzler – Deutsches Klingenmuseum Solingen) verfasst; sie sind allgemein verständlich gehalten und verzichten auf einen Dokumentationsapparat in Form von Fußnoten oder Endnoten. Sieben Spalten Literaturverzeichnis, zwei Spalten Bildnachweis und eine Aufstellung der Leihgeber im Umfang einer Spalte (nahezu ausnahmslos deutsche Museen und Sammlungen) vermitteln im Anhang das Notwendigste an Information.

 

Vorauszuschicken ist, dass sich die gefällige Schrift auf die erläuternde Präsentation unterschiedlicher Themenfelder konzentriert, aber nicht über einen systematischen Katalogteil verfügt, der die Ausstellungsobjekte mit fortlaufender Nummer in Wort und Bild erfassen würde. Der Leser erfährt somit nicht, welche Stücke ihm in der Ausstellung tatsächlich gezeigt werden. Nach einem Vorwort der Direktorin des Landesmuseums Württemberg, Cornelia Ewigleben, beschäftigen sich insgesamt 14 Beiträge mit dem Schwert als Waffe von der Bronzezeit bis in die Frühe Neuzeit, als Symbol von Kriegerbünden und Eliten, als Rechtssymbol, als Opfergabe, als Träger von magischen Anhängern, Inschriften und Symbolen, als christliches Symbol und Herrschaftszeichen, mit seiner Rolle in Mythos, Sage und Legende sowie mit rezenten Phänomenen wie berühmten Schwertern in der aktuellen Populärkultur, der boomenden Nachahmung historischer Lebenswelten („Doing History“), einer genderorientierten Analyse der schwertschwingenden biblischen Judith und dem Schwert in der politischen Bildsprache vom Nationalismus des 19. Jahrhunderts bis zur Friedensbewegung des 20. Jahrhunderts. Es liegt im Wesen und Zweck dieser Beiträge, dass sie zumeist nützliches Basiswissen, in aller Regel jedoch keine vertiefenden Analysen beinhalten. Neben den angesprochenen, mehrseitigen Aufsätzen bietet der Band zusätzlich immer wieder interessante kürzere Features im Umfang von einer bis anderthalb Seiten an. Sie berichten Wissenswertes über technische Fragen der Herstellung von Schwertern, mittelalterliche Markenpiraterie, über die Art der durch Schwerthiebe im Kampf hervorgerufenen Verletzungen, die Centurionen der römischen Armee, Kreuzzüge und Ritterorden, über bildliche Darstellungen von Schwertkämpfern auf vorchristlichen, Situlen genannten Bronzeeimern, die Verwendung von Schwertern im antiken Mysterienkult des Mithras, das Schwert als Objekt der Begierde von Sammlern, über historische Fechtbücher und schließlich über die Einschätzung der Realitätsnähe oder Realitätsferne der in Hollywoodproduktionen gezeigten Schwertkampfszenen.

 

Stellvertretend für die Gesamtheit der Beiträge sei hier ein näherer Blick auf die von Miriam Régerat-Kobitzsch (Landesmuseum Württemberg) zusammengestellten Überlegungen zum Thema „Das Schwert in Justitias Hand“ geworfen. Die Einleitung bildet ein Zitat Oscar Wildes, demzufolge Gerechtigkeit ohne Schwert – also das Recht ohne die Macht, es auch durchzusetzen – schlimmer sei als Ungerechtigkeit. Nachfolgend behandelt die Verfasserin im Gesamten drei inhaltliche Aspekte: die Wurzeln der ikonographischen Verknüpfung von Recht und Schwert, das Schwert als Ausdruck rechtlicher Privilegien und das Schwert in der Rechtspraxis. Der für seine sprichwörtliche Weisheit berühmt gewordene biblische König Salomo habe bei seinem berühmten Urteil den Einsatz seines Schwertes angedroht, mehrere weibliche antike Gottheiten für Recht und Sittlichkeit wurden gelegentlich mit diesem Attribut dargestellt. Die erst ab dem 13. Jahrhundert nachweisbare, heute allgemein präsente Allegorie der Justitia, versehen mit Augenbinde und, wie auch der Erzengel Michael, mit Schwert und Waage, sei demnach aus einer Verschmelzung antiker und christlicher Traditionen hervorgegangen.

 

Die Theorie der Zweischwerterlehre, die im Mittelalter dem Verhältnis von weltlicher und kirchlicher Gewalt zugrunde lag und auf die auch der Sachsenspiegel und der Schwabenspiegel Bezug nehmen, habe der weltlichen Herrschaft die Blutgerichtsbarkeit zugesprochen. Darstellungen der Herrscher als oberste Richter mit nach oben gerichtetem Schwert unterstützten propagandistisch die Monopolisierung der Rechtsgewalt beim Herrscher, wie sie im Reich 1495 im Ewigen Landfrieden Kaiser Maximilians I. sichtbar wird, und machten diese Befugnis, wie die Constitutio Criminalis Kaiser Karls V. von 1532 ausführe, allgemein für jedermann wahrnehmbar. Die Funktion des britischen Königs als oberster Richter würde seit dem 12. Jahrhundert beim Krönungszeremoniell sogar durch drei Schwerter (Sword of Temporal Justice, Sword of Spiritual Justice, Sword of Mercy) verkörpert. Im Spätmittelalter sei der schwertbewehrte Roland zum Sinnbild des Selbstbewusstseins und der Privilegien und Freiheiten der aufstrebenden Städte geworden.

 

Neben seiner symbolisch-rechtlichen Funktion habe das Schwert in der Rechtspraxis vorrangig als Instrument der Urteilsvollstreckung und als Waffe der Lohnkämpfer im gerichtlichen Zweikampf Verwendung gefunden. Letzteres aus dem Gottesurteil herrührende Mittel der Beweiserhebung sei bis ins 14. Jahrhundert eingesetzt worden, die Hinrichtung mit dem Schwert bis etwa Ende des 18. Jahrhunderts. Schon in der Antike ein Privileg römischer Bürger und im Mittelalter lange Zeit Vorrecht des Adels, sei die ehrenvolle Enthauptung mit dem Schwert in der Französischen Revolution von der gleichsam egalitären Guillotine abgelöst worden. Die Verfasserin spricht darüber hinaus auch die prekäre gesellschaftliche Stellung der Scharfrichter sowie der Lohnkämpfer an, die gegen Bezahlung für jene in die Bresche sprangen, denen wie Königen, Geistlichen und diversen anderen gesellschaftlichen Gruppen der gerichtliche Zweikampf untersagt war. Auch der im 11. Jahrhundert lebende spanische Nationalheld El Cid sei Lohnkämpfer gewesen.

 

In ihrer Gesamtheit bestätigen die Inhalte auch dieses auf die Rechtssphäre fokussierenden Beitrags den Charakter einer an eine mit Interesse, aber nicht allzu viel Vorwissen ausgestattete Allgemeinheit gerichteten, gut verständlichen Einführung. Wer Genaueres wissen will, wird nicht darum herumkommen, die Fachliteratur zu konsultieren. Andererseits stellt die interdisziplinär ausgerichtete Vielfalt der Themen des ansprechenden Bandes, über deren Auswahl und Relevanz man sicherlich diskutieren kann, sicher, dass auch ein fachlich versierter Leser immer wieder auf Informationen stößt, die seinen Horizont bereichern.

 

Kapfenberg                                                    Werner Augustinovic