Rabl, Christian, Mauthausen vor Gericht.

Nachkriegsprozesse im internationalen Vergleich (= Mauthausen-Studien 13). new academic press, Wien 2019. 348 S., Abb., Graph. Tab. Angezeigt von Gerhard Köbler.

In dem etwa 20 Kilometer östlich Linzs in Oberösterreich bestand zwischen dem 8. August 1938 und dem 5. Mai 1945 das größte nationalsozialistische Konzentrationslager auf dem früheren Gebiet der an dem 11. März 1938 unter großem Jubel der Bevölkerung an das von Adolf Hitler geführte Deutsche Reich angeschlossenen Republik Österreich. In ihm und seinen Nebenlagern wurden rund 200000 Menschen inhaftiert, von denen mehr als die Hälfte ihr Leben verlor. Seit 1947 wurde auf dem Gelände eine Gedenkstätte der Republik Österreich errichtet.

 

Mit Mauthausen sowie seinem Zweiglager Gusen und rund 40 Außenlagern beschäftigt sich die von Bertrand Perz betreute, 2017 eingereichte und 2018 mit dem Mauthausen-Memorial-Forschungspreis ausgezeichnete Dissertation des in Lilienfeld 1979 geborenen, in Wien in Politikwissenschaft und Geschichte ausgebildeten Verfassers. Sie gliedert sich in der vorliegenden Druckfassung nach einer Einleitung über Problemaufriss, Forschungsstand, Quellenlage und Methodik in sechs Teile. Sie betreffen die Lagerbefreiung und den Ermittlungsauftakt nach wilden Säuberungen durch befreite Häftlinge und Flucht vor der Verantwortung durch Selbsttötung von Führern der SS, die Prozesse vor alliierten Militärbehörden in Dachau, Klagenfurt und andernorts, die Mauthausenprozesse in den Opferländern Tschechoslowakei, Polen und Slowenien, die Prozesse in der sowjetischen Besatzungszone und der Deutschen Demokratischen Republik, in den Besatzungszonen der drei Westmächte und der Bundesrepublik Deutschland sowie in Österreich, eine quantitative  Bilanz und eine Schlussbetrachtung.

 

Ausgangspunkt der grundlegenden und weiterführenden Untersuchung ist dabei ein Ausspruch Simon Wiesenthals von 1975, nach dem nur ein Don Quichote versuchen würde, in Österreich Strafverfahren gegen Nationalsozialisten in Gang zu bringen und Prozesse sowieso nicht stattfänden, dem der Verfasser die Feststellung hinzufügt, dass wenig später der frühere Angehörige der SS Johann Gogl zu dem zweiten Mal von einem österreichischen Geschworenengericht freigesprochen wurde, obwohl ihm zahlreiche Überlebende Mauthausens  viele Gewaltverbrechen angelastet hatten, woraufhin als typisch österreichische Lösung keine Anklage mehr erhoben wurde, um sich mit weiteren Freisprüchen zusätzliche internationale Blamagen zu ersparen. Demgegenüber kann der Verfasser insgesamt rund 500 mit einem Urteil abgeschlossene Verfahren ermitteln, in denen das Verhalten in Mauthausen vor Gericht stand. Er kann aber auch eindrucksvoll zeigen, dass die tatsächlich verurteilten nationalsozialistischen Täter, soweit sie nicht nach 100 von 133 verhängten Todesurteilen tatsächlich durch Erhängen, Erschießen oder Enthaupten hingerichtet wurden, von den Nachkriegsgesellschaften Deutschlands und Österreichs wegen ihrer strafbaren Verhaltensweisen niemals aus der Gesellschaft ausgeschlossen wurden, so dass eine Reintegration überall überflüssig war.

 

Innsbruck                                                       Gerhard Köbler