Pieroth, Bodo, Deutsche Schriftsteller als angehende Juristen
Jeder Mensch ist ein Individuum und hat unterschiedliche Voraussetzungen und Erfahrungen. Seit der auf der Suche nach günstigeren Lebensbedingungen begonnenen Arbeitsdifferenzierung strebt er auf den verschiedensten Tätigkeitsfeldern nach bestmöglicher Befriedigung seiner Interessen materieller wie immaterieller Art. Aus dieser Zielsetzung heraus ist seit der Erfindung der Schrift die Tätigkeit als Schriftsteller entstanden und seit der Verwissenschaftlichung des Rechtes an den Universitäten des hochmittelalterlichen Italien der Beruf des Juristen, wobei das einzelne Individuum zu dem einen wie dem anderen begabt und geneigt sein kann.
Mit dieser Thematik hat sich der Verfasser des vorliegenden Werkes zwischen 1986 und 2001 in 45 kleinen Artikeln beschäftigt, die in der Zeitschrift Juristische Ausbildung unter der Gesamtüberschrift das juristische Studium im literarischen Zeugnis veröffentlicht wurden und deutsche Schriftsteller betrafen, die Rechtswissenschaft studiert und über ihre diesbezüglichen Empfindungen geschrieben haben. Auf dieser Grundlage bot ihm Thomas Vormbaum an, die Artikelserie zu einem Buch zusammenzufassen. Bei dieser gern ergriffenen Gelegenheit überarbeitete der Verfasser die teilweise mehr als dreißig Jahre alten Artikel teils kürzend, teils erweiternd, aktualisierend und vereinheitlichend um und fügte 15 Artikel über weitere Juristen hinzu.
Nach einer Einleitung und einem Überblick über die deutsche Juristenausbildung in dem Wandel der Zeiten beginnt der Verfasser mit Matthias Claudius und dem Eingeständnis „weiß von Staats- und Völkerrecht nicht viel“. Es folgen Gottfried August Bürger, Johann Wolfgang Goethe, Anton Mathias Sprickmann, Adolph Freiherr von Knigge, August von Kotzebue, Novalis, Wilhelm Heinrich Wackenroder, E. T. A. Hoffmann, Heinrich von Kleist, Ignaz Franz Castelli, Jacob Grimm und Wilhelm Grimm, Ludwig Börne, Ludwig Uhland, Joseph Freiherr von Eichendorff, Franz Grillparzer, Karl Leberecht Immermann, August Graf von Platen, Heinrich Heine, Willibald Alexis, Christian Dietrich Grabbe, Eduard von Bauernfeld, Adalbert Stifter, Friedrich Hebbel, Theodor Storm. Gottfried Keller, Joseph Victor von Scheffel, Ernst Wichert, Felix Dahn, Georg Ebers, Timm Kröger, Karl Emil Franzos, Rudolf Huch, Hermann Bahr, Frank Wedekind, Otto Julis Bierbaum, Max Halbe, Ludwig Thoma, Rudolf G. Binding, Hugo von Hoffmansthal, Herbert Eulenberg, Emil Ludwig, Franz Kafka, Max Brod, Heinrich Spoerl, Georg Heym, Hans Friedrich Blunck, Franz Jung, Walter Serner, Kurt Tucholsky, Max Zweig, Carl Zuckmayer, Friedrich Georg Jünger, Hans Erich Nossack, Ernst Ottwalt, Albert Drach, Alexander Kluge, Herbert Rosendorfer, Peter Handke und George M. Oswald, deren literarischer Ruhm wohl durchweg ihre rechtswissenschaftlichen Erfolge überwiegt. Auch wenn Goethe das Studium der Rechtswissenschaft als das herrlichste beschreibt, überwiegt eher die vielfältige Ablehnung, was vielen Studierenden ein hilfreicher Trost sein mag, obwohl nach dem Bestehen der jeweiligen Prüfungen die Beurteilung sich durchaus ändern und mancher Jurist wie der Verfasser vermutlich in seinem später ausgeübten Beruf und der dafür erforderlichen Sprachbeherrschung und Sprachgestaltung auch tiefe Befriedigung empfinden kann.
Innsbruck Gerhard Köbler