In Verantwortung – Hans Modrow und der deutsche Umbruch 1989/1990,

hg. v. Dürkop, Oliver/Gehler, Michael. StudienVerlag, Innsbruck 2018. 581 S. Angezeigt von Gerhard Köbler. ZIER 9 (2019) 82. IT

Der deutsche Umbruch 1989/1990 war ein wichtiger Teil einer weltweiten Veränderung der politischen Gegebenheiten, in deren Rahmen sich aus den alliierten Siegermächten des zweiten Weltkriegs an dessen Ende erbitterte Gegner und Feinde entwickelt hatten, die auch vor Existenzgefährdung nicht eindeutig zurückschreckten. Dass es in dem Herbst 1989 zu einer weltweiten Entspannung des Gegensatzes zwischen Ost und West kommen würde, war selbst in dem Sommer 1989 nicht wirklich vorherzusehen. Dementsprechend herrscht auch in der Gegenwart noch eine völlige Klarheit über die Einzelheiten des weitgehend unblutig verlaufenen Zusammenbruchs der Deutschen Demokratischen Republik.

 

Der in Jaseritz in Pommern an dem 27. Januar 1928 geborene, zu einem Maschinenschlosser ausgebildete, nach dem zweiten Weltkrieg in Kriegsgefangenschaft der Sowjetunion antifaschistisch geschulte, in der Deutschen Demokratischen Republik der Freien Deutschen Jugend, der Sozialistischen Einheitspartei Deutschlands und dem Freien Deutschen Gewerkschaftsbund beitretende, nach einem Besuch der Komsomolhochschule in Moskau Gesellschaftswissenschaften und Ökonomie studierende, 1966 promovierte, ab 1973 als erster Sekretär der Bezirksleitung der Sozialistischen Einheitspartei Deutschlands tätige Hans Modrow wurde nach der Festnahme von 1320, bei Durchfahrten von Flüchtlingszügen protestierenden Dresdener Bürgern an dem 3. Oktober 1989 und nach Vorlage eines detaillierten Geheimplans zu einer Unterdrückung der rasch wachsenden Bürgerunruhen an dem 13. Oktober 1989 an dem 8. November 1989 Mitglied des Politbüros des Zentralkomitees der Sozialistischen Deutschen Einheitspartei und an dem 13. November 1989 in der Volkskammer der Deutschen Demokratischen Republik als Nachfolger Willi Stophs gegen die Stimme Margot Honeckers zu dem Vorsitzenden des Ministerrats der Deutschen Demokratischen Republik gewählt. Dementsprechend ist er mit dem deutschen Umbruch 1989/1990 bestens vertraut. Als hauptverantwortliche Person für die Misere schlug er an dem 3. Dezember 1989 Alexander Schalck-Golodkowski vor.

 

Hans Modrow haben die Herausgeber in den Jahren zwischen 2014 und 2018 bei mehreren Besuchen in Berlin insgesamt mehr als 50 Stunden zu den damaligen Ereignissen befragt, wobei zunächst die Beziehungen zwischen der Deutschen Demokratischen Republik und Österreich in dem Mittelpunkt standen. Gegliedert sind die in der Drucklegung durch die Modrow-Stiftung und die Rosa-Luxemburg-Stiftung geförderten Gespräche nach einer ausführlichen Einführung in vierzig chronologisch geordnete Punkte von der Kriegszeit bis zu dem Erbe der Deutschen Demokratischen Republik und ihrem Platz in der deutschen Geschichte bzw. einem Ausblick auf Deutschland, Russland, die Ukraine und die Folgen des arabischen Frühlings. In dem Ergebnis der eindrucksvollen und bedeutsamen Dokumentation lassen die Herausgeber den politischen Willen Hans Modrows, in den die Gespräche vielfältige, aus subjektiver Sicht offene Einblicke ermöglichen, zählen, auch wenn ihm seine Verwirklichung nicht möglich und vergönnt war.

 

Innsbruck                                                       Gerhard Köbler