Haferkamp, Hans-Peter, Die Historische Rechtsschule

(= Studien zur europäischen Rechtsgeschichte Veröffentlichungen des Max-Planck-Instituts für europäische Rechtsgeschichte Frankfurt am Main 310). Klostermann, Frankfurt am Main 2018. IX, 396 S. Angezeigt von Gerhard Köbler. ZIER 9 (2019) 54. IT

Seit dem 12. Jahrhundert wurde das römische, von Kaiser Justinian kompilierte Recht des römischen Altertums in Italien und dann auch andernorts an Universitäten wissenschaftlich behandelt. Auf dieser Grundlage legte der französische Rechtspraktiker und Rechtstheoretiker Charles Louis de Montesquieu 1748 Gedanken über den Geist der Gesetze vor. In der Folge versuchten Bayern, Preußen und Österreich eine vollständige gesetzliche Neugestaltung des Rechtes auf der Grundlage des römischen Rechtes, des einheimischen Rechtes und des angeblichen Rechtes der Natur, die zwar in Bayern rasch gelang, aber nicht wirklich überzeugte, und in Preußen und trotz des zu dem 1. Januar 1787 verwirklichten, aber auf das Personenrecht beschränkten Allgemeinen bürgerlichen Gesetzbuchs Josephs II. auch in Österreich von vielen Rückschlägen gekennzeichnet war und lange ausblieb.

 

Dann kam Hugo. So beginnt einer der Bände der von Roderich Stintzing 1880 vorgelegten und nach dessen Bergtod in Südtirol von Ernst Landsberg fortgeführten umfangreichen Geschichte der deutschen Rechtswissenschaft, die nach dem Verfasser die bisher beste Behandlung der so genannten historischen Rechtsschule bietet. Dieser als Sohn eines Hofrats und Landschreibers in Lörrach an dem 23. 11. 1764 geborene, mit 14 Jahren für zwei Jahre auf ein französisches Gymnasium in Mömpelgard wechselnde, nach dem 1782 aufgenommenen dreijährigen Studium des Rechtes in Göttingen bei Pütter und einer von 1786 bis 1788 währenden Tätigkeit als Erzieher des Prinzen Leopold von Anhalt-Dessau in Dessau währenden Tätigkeit in Halle 1788 über ein römischrechtliches Thema promovierte, danach zunächst in Göttingen als außerordentlicher, von 1792 bis zu seinem Tode an dem 15. 9. 1844  als ordentlicher Professor tätige Gelehrte wartete in dem Alter von 25 Jahren nach dem Verfasser auf eine Revolution, wie sie ja 1789 in Frankreich unter den Schlagworten Freiheit, Gleichheit, Brüderlichkeit politisch auch tatsächlich eintrat.

 

In dem Revolutionsjahr 1789 eröffnete er mit den Institutionen des heutigen römischen Rechtes, denen er die Trennung des ganzen alten römischen Rechtes von dem in der eigenen Gegenwart anwendbaren römischen Privatrecht zugrunde legte, seinerseits ein vielbändiges, in unterschiedlichen Auflagen der einzelnen Bände zwischen 1792 und 1821 vielfach bearbeitetes Lehrbuch eines zivilistischen Cursus, wobei er Dogmatik, Geschichte und Philosophie auf Grund unterschiedlicher Fragestellungen grundsätzlich voneinander trennte und nach dem Vorbild der Theologie den Schlüssel der Erkenntnis in der Auslegung der vorgegebenen Texte sah: Nach den  Ausführungen des Verfassers setzte Hugo nicht auf Rechtsphilosophie, sondern auf einen wissenschaftlich denkenden Juristen als Gestalter  eines besseren Rechtes, dessen Grundlage selbverständlich das in der Rezeption in dem Heiligen römischen Reich aufgenommene Recht der Römer und ihrer Rechtskundigen war, in dessen Mittelpunkt der römische, in der Mitte des zweiten nachchristlichen Jahrhunderts lebende Rechtskundige Gaius und das Obligationenrecht der res der in vier Bücher geteilten gajanischen commentarii stehen. Für Hugo war es positives, nur in diesen Grenzen geltendes Recht, nicht aber allgemeines Naturrecht aller Zeiten und Völker.

 

Hugo forschte, lehrte und schrieb unermüdlich. In dem insgesamt schätzungsweise 900 Titel, darunter zehn Vorlesungsnachschriften, vier Manuskripte Friedrich Carl von Savignys und fünf Briefe umfassenden Literaturverzeichnis des Verfassers sind allein 87 Schriften Hugos berücksichtigt. Hugo lehnte Rufe nach Heidelberg und Göttingen ab, war den Brüdern Grimm freundschaftlich verbunden, konzentrierte sich aber anscheinend hauptsächlich auf sein Werk und sich selbst und schuf sich durch seinen Geist des kritischen Widerspruchs in etwa 420 Rezensionen insgesamt mehr Gegner als Freunde, doch fand er 1794 in Christian Gottlieb Haubold (1766-1824) einen ersten festen Gefolgsmann.

 

In Frankreich führte das 1789 durchgesetzte revolutionäre Prinzip der Gleichheit umgehend zu einem Ruf nach Gleichheit auch des Rechtes. Dabei ging es vor allem um eine Vereinheitlichung zwischen dem von den Franken seit der Eroberung der römischen Provinz Gallien in der Völkerwanderung beeinflussten nördlichen Gewohnheitsrecht (droit coutumier) und dem südlichen, von den Römern geprägten geschriebenen Recht (droit écrit). Gleichheit des Rechtes bedeutete hier die Beseitigung der geschichtlich gewachsenen Unterschiede, die am ehesten und schnellsten durch gesamtstaatliche Gesetzgebung zu erreichen war, deren erste Entwürfe allerdings nicht erfolgreich umgesetzt wurden.

 

Demgegenüber gelang in dem Heiligen römischen Reich in Preußen 1794 die Schaffung eines umfassenden Gesetzbuchs mit fast 20000 Paragraphen. Aus Furcht vor den Gedanken der französischen Revolution erhielt es zwar nicht den ursprünglich geplanten und noch 1791 dem vorgelegten Entwurf gegebenen Titel eines allgemeinen Gesetzbuchs für die preußischen Staaten. Auch unter dem veralteten Namen eines Allgemeinen Landrechts für die preußischen Staaten war es aber eine umfassende gesetzliche Neugestaltung des Rechtes, der freilich die Universitäten sehr zurückhaltend gegenüberstanden.

 

Nach den sorgfältigen Ermittlungen des Verfassers wurde zu dieser Zeit in dem Heiligen römischen Reich noch 1796 betont, dass die juristische Literatur sehr arm an Schriften sei, durch die ein forschender treu historisch-antiquarischer Geist wehe, weil man lieber philosophiere als historisiere. Immerhin sprach der in Göttingen, Königsberg und Kiel ausgebildete, seit 1798 als außerordentlicher Professor in Kiel tätige Anton Friedrich Justus Thibaut (Hameln 1772-Heidelberg 1840) bereits 1796 von historischen Juristen, die der Ansicht seien, dass das Geschichtliche nur aus der Geschichte erklärt werden könne. Nach dem Verfasser bezog er dies aber offenbar nur auf Gustav Hugo, der wenigstens eine, alle anderen übertäubende Stimme sei.

 

Zu dieser Zeit, in der an dem 13.  2. 1797 in dem aus einer Teilung Polens erworbenen Westgalizien eine frühe vollständige Fassung des Allgemeinen Bürgerlichen Gesetzbuchs Österreichs in Kraft gesetzt wurde, studierte der in Frankfurt am Main 1779 geborene, aus begütertem, bis 1630 lothringischem Adel stammende, 1791 bzw. 1793 verwaiste und danach in Wetzlar bei dem verwandten Reichskammergerichtsrat Neurath lebende Friedrich Carl von Savigny seit April 1795 in Marburg bei Philipp Friedrich Weiß (Darmstadt 1766-Marburg 1808) und ganz kurz in Göttingen, wo er in dem Wintersemester 1796/1797 auch einmal ohne grundsätzliche Prägung Hugo hörte, Rechtswissenschaft. Nach dem Abschluss der Studien begab er sich in dem Juli 1799 auf eine Bildungsreise nach Sachsen und entschloss sich in Leipzig zu einer Laufbahn als Hochschullehrer. Auf Grund der strafrechtlichen Abhandlung De concursu delictorum formali und des Rigorosums an dem 13. September 1800 wurde er an dem 13. September 1800 cum laude eximia promoviert.

 

In dem Wintersemester 1800/1801 las er Strafrecht, in dem Sommersemester 1801 römisches Zivilrecht (Bücher 41-46 der Pandekten nach Böhmer, J. H., Introductio in ius digestorum, 14. A. 1791), in dem Wintersemester 1801/1802 über die letzten Titel der Pandekten, in dem Sommersemester 1802 in Ergänzung zu einer Lehrveranstaltung des Lehrers Philipp Friedrich Weiß nach eigenem Plan ein zweistündiges Kolleg zur Methodenlehre, in dem Win­tersemester 1802/1803 in Ergänzung zu einer Lehrveranstaltung Anton Bauers Juristische Methodenlehre bzw. Anleitung zum eigenen Studium der Jurisprudenz. Nach Vorlage des um Ostern 1803 abgeschlossenen, von Hugo rasch rezensierten und als Muster empfohlenen Werkes über das Recht des Besitzes, in dem er deutlich zwischen dem als vorbildlich beurteilten antiken Recht und späteren verschlechternden Modfikationen trennte, wurde er an dem 13. Mai 1803 außerordentlicher Professor und begab sich nach weiteren Lehrveranstaltungen über Juris obligationum summa praecepta, Institutiones juris civilis und wohl Methodik 1804 auf eine Bildungsreise nach Paris und Süddeutschland.

 

In Frankreich hatte zu dieser Zeit nach ersten Entwürfen zu einem einheitlichen Bürgerlichen Gesetzbuch (Code civil) in den Revolutionsjahren von 1793 bis 1798 der als erster Konsul 1799 an die Spitze der Revolution getretene Napoleon Bonaparte 1800 eine vierköpfige Kommission für die Rechtsvereinheitlichung einberufen. Ihr zügig erarbeiteter Entwurf wurde der Öffentlichkeit vorgelegt und unter beträchtlicher Einflussnahme Napoleons in dem Conseil d’État durchberaten. Nach Annahme durch die gesetzgebende Versammlung trat er an dem 21. März 1804 in Kraft.

 

An dem 6. August 1806 endete unter dem Einfluss Napoleons das Heilige römische Reich. Die Mitgliedstaaten wie Österreich und Preußen wurden nunmehr auch formal völlig unabhängig. Gegenüber dieser politischen Zersplitterung gewannen als verbindende Elemente Sprache und Wissenschaft an Gewicht.

 

1810 sprach nach den Ermittlungen des Verfassers Savigny gegenüber Unterholzner von Hugo erstmals als dem Stifter der historischen Schule in Deutschland. Gleichzeitig wurde die Untersuchung Egid von Löhrs über die culpa dahingehend gekennzeichnet, dass sie ganz den Geist und das Gewand der modernen historischen zivilistischen Schule trage. Mehr und mehr setzte sich in der Folge diese harmonisierende wissenschaftsgeschichtliche Beschreibung durch.

 

Dessenungeachtet setzte Österreich zu dem 1. Januar 1812 sein Allgemeines Bürgerliches Gesetzbuch in Kraft. Dementsprechend galt in den Einzelstaaten dieser Zeit hauptsächlich einzelstaatliches Recht, das seit den Kodifikationen Napoleons für Frankreich die besetzten linksrheinischen Gebiete des früheren Deutschen Reiches einschloss. Nur dort, wo einzelstaatliches Gesetz fehlte, blieb noch Raum für gemeines, aus Rom seit dem Hochmittelalter allmählich rezipiertes Recht.

 

Savigny, der nach Abschluss seiner Bildungsreisen und Ausschlagung eines Rufes nach Heidelberg 1808 nach Landshut gegangen war, dort in dem Wintersemester 1808/1809 eine Lehrveranstaltung über Institutionen, in dem Sommersemester 1809 über Pandekten nach dem 1807 erschienenen Grundriss eines Systems des gemeinen Zivilrechts Georg Arnold Heises (Hamburg 1778-Lübeck 1851) gehalten hatte und 1810 an die neue Universität Berlin gewechselt war, setzte unter Anknüpfung an schon früher erlangte Einsichten über Methodenlehre einen neuen Akzent nach Beendigung der europäischen Vorherrschaft Napoleons in dem 1814 entstandenen Streit um eine Kodifikation des Rechtes in dem deutschen Rechtsraum. Gegen Thibaut, der  aus Vaterlandsliebe und wegen der schweren Verständlichkeit des römischen Rechtes ein allgemeines bürgerliches Gesetzbuch in dem politisch zerrissenen Deutschland vorgeschlagen hatte, betonte er die Schädlichkeit einer von dem Gesetzgeber erlassenen Gesetzgebung und die Vorteile des von dem Volksgeist allmählich geschichtlich geschaffenen Rechtes. Für ihn war dieses Recht in Deutschland allerdings trotz aller Volkssprachen und Volksmärchen das rezipierte römische Recht.

 

In diesem Rahmen setzte sich dann vor allem unter dem Einfluss Savignys allmählich eine oder die historische Rechtsschule durch, deren Entstehung und Entwicklung der Verfasser sorgfältig und sachkundig verfolgt. Mit Blick auf die Hörer Hugos und Savignys (bzw. Savignys und Hugos) nimmt er als Angehörige eines Kreises potentieller Schüler in alphabetischer Reihenfolge ohne nochmalige Nennung chronologischer Daten 32 Juristen in den Blick. Dies sind Arndts, Bethmann-Hollweg, Bluhme, Böcking, Bucher, Burchardi, Clossius, Dirksen, Elvers, Gaupp, Goeschen, Haenel, Hasse, Heffter, Heise, Homeyer, Huschke, Keller, Klenze, Lancizolle, Laspeyres, Löhr, Marezoll, Pernice, Puggé (Puggaeus), Puchta, Ribbentrop, Rudorff, Schrader, Schröter, Schweppe und Unterholzner, unter bzw. neben denen Ludwig Arndts, Moritz August von Bethmann-Hollweg, Friedrich Bluhme, Eduard Böcking, Karl Franz Ferdinand Bucher, Georg Christian Burchardi, Walther Friedrich Clossius, Heinrich Eduard Dirksen, Ernst Theodor Gaupp, Johann Friedrich Ludwig Göschen, Gustav Friedrich Haenel, Johann Christian Hasse, Christian Gottlieb Haubold, August Wilhelm Heffter, Georg Arnold Heise, Carl Gustav Homeyer, Gustav Hugo, Eduard Huschke, Friedrich Ludwig Keller, Clemens August Karl Klenze, Christian Friedrich Koch, Karl Wilhelm de Leuze de Lancizolle, Ernst Adolph Theodor Laspeyres, Egid von Löhr, Theodor Marezoll, Ludwig Wilhelm Anton Pernice, Georg Friedrich Puchta, Eduard Puggé, Georg Julius Ribbentrop, Karl Theresius Freiherr von Richthofen, Adolph August Friedrich Rudorff, Friedrich Carl von Savigny, Heinrich Eduard Siegfried von Schrader, August Wilhelm von Schröter, Friedrich Julis Stahl, August Unterholzner und Carl Georg von Wächter (insgesamt 37) auch mit kleinen Lichtbildern auf elf an beliebig erscheinender Stelle eingefügten Seiten und auf dem Außenumschlag in Lichtbildern gezeigt werden.

 

Gegliedert ist die eindringliche, erheblich weiterführende und künftig zweifellos grundlegende Untersuchung nach einer Einleitung über eine kritische Frage des von Savigny bekämpften jüdischen, 1825 getauften Berliner Kollegen Eduard Gans aus dem Jahre 1827 (man erkläre mir, warum zwei der trefflichsten Zivilisten unserer Zeit, Mühlenbruch und Zimmern nicht zu der historischen Schule gehören, und warum zwei andere ungleich minder bedeutende, Hasse und Schrader, dazu gerechnet werden), über Ausgangsüberlegungen und die Sondierung des Feldes über Lehrer-Schüler-Verhältnisse und als begriffsgeschichtliche Annäherung Gönners Historische Schule der neueren Zivilisten in fünf Sachkapitel. Sie betreffen das Lernen von den Römern nach Hugo, Haubold und Savigny mit dem Civilistischen Magazin Hugos als erstem Sammlungsort und dem Aufstieg der Pandektenvorlesung als Ersetzung der alten Vorlesung durch den neuen Vortrag sowie der Betonung der Ausbildung als Schlüssel, das Recht im römischen Recht (wissenschaftliche Konturen der Schule bis in die 1820er Jahre, Krisendebatten seit den 1820er Jahren, die Nichtphilosophischen zwischen Savignys Beruf als philosophischer Herausforderung und der Hinwendung zu der Philosophie und der Erweckungstheologie, methodologische Selbstvergewisserung seit den 1830er Jahren mit dem Streit um den Ursprung des Rechtes und dem Ergebnis einer christlich-historischen Schule, den Gelehrten auf dem Richterstuhl, Wendepunkte und schließlich die historische Schule als Schule.

 

In dem beeindruckenden Ergebnis des Verfassers ist Ausgangspunkt der Schulbildung der 1789 und damit gleichzeitig mit der politischen Revolution in Frankreich von Gustav Hugo unternommene Versuch, Rechtswissenschaftler nach dem Vorbild der antiken, von gesetzgeberischer Gängelung freien und das Recht in einem sachkundigen Fachgespräch weiterentwickelnden Rechtskundigen der „Antoninenzeit“ heranzubilden. Voraussetzung hierfür schien eine Verbesserung der Quellenlage, in deren Rahmen Barthold Georg Niebuhr (Kopenhagen 1776-Bonn 1831) auf Grund eines älteren, von Scipione Maffei aus Verona 1732 geäußerten Hinweises und einer Liste von Empfehlungen Savignys in Verona 1816 eine Handschrift der Institutionen des Gaius aufspüren konnte. Auf dieser Grundlage wurde dann in der Institutionenvorlesung einführend die Geschichte und das System und in der Pandektenvorlesung vertiefend das System des römischen Rechtes gelehrt, so dass die Historische Schule bis zu diesem Zeitpunkt trotz Savignys Recht des Besitzes von 1803 und trotz der Streitschrift Vom Beruf von 1814 weitestgehend der Antike zugewandt war.

 

Unter dem Druck praxisnah arbeitender Juristen und Georg Hegel folgender Philosophen wurde danach ein neues Rechtswissenschaftsprogramm erarbeitet, dem allerdings viele Anhänger der Schule nicht zu folgen bereit waren. Mit Savignys System des heutigen römischen Rechts von 1840 öffnete sich ein grundlegender Umschwung in Richtung auf das die eigene Gegenwart und eine Trennung von Rechtsgeschichte und Rechtsdogmatik. Damit ging nach den abschließenden Sätzen des Verfassers nach rund fünfzig Jahren die in dem Detail durchaus komplexe, von dem Verfasser auf Grund seiner umfangreichen Forschungen bestmöglich durchleuchtete, nicht völlig trennscharf abgrenzbare historische Rechtsschule zu Ende und es begann die Zeit der Pandektenwissenschaft.

 

Die Entscheidung über die wesentliche Rechtsquelle traf aber während der ganzen Zeit der historischen Rechtsschule letztlich nicht der vielfältige Chor der individualistischen, auch ihren persönlichen Erfahrungen, Vorstellungen und Neigungen folgenden Juristen von Hugo bis Windscheid, sondern es entschieden die Träger politischer Macht, die nach Ende der Vorherrschaft Napoleons einen Nationalstaat und ein einheitliches deutsches Nationalgesetzbuch durch rechtstatsächliches Verhalten ablehnten, gleichzeitig aber einzelstaatliche Gesetzbücher für ihre jeweiligen Staaten versuchten und teilweise auch erreichten, ab 1847 auf Druck der Wirtschaft einige wenige allgemeine deutsche Gesetze durch zwischenstaatliche Vereinbarung zuließen und in dem von Bismarck verwirklichten Nationalstaat Deutsches Reich binnen dreißig Jahren dem Vorbild Napoleons folgten. Damit war das Ende der praktischen Anwendung des gemeinen Rechtes besiegelt. Entscheidende Rechtsquelle war seitdem das von der historischen Schule zu Gunsten des gemeinen Rechtes abgelehnte staatliche einheitliche Gesetz, demgegenüber danach das Gewohnheitsrecht kaum noch und das rezipierte römisch-kanonische Recht grundsätzlich überhaupt keine Rolle mehr spielte.

 

Innsbruck                                                       Gerhard Köbler