Andersch, Ulrike, Die Diskussion über den Büchernachdruck in Deutschland um 1700 bis 1815

(= Geistiges Eigentum und Wettbewerbsrecht 138). Mohr Siebeck, Tübingen 2018. XVII, 582 S. Angezeigt von Gerhard Köbler. ZIER 9 (2019) 09. IT

In dem Verlaufe der geschichtlichen Entwicklung hatten einzelne unterschiedliche Menschen an verschiedenen Orten und zu verschiedenen Zeiten die unterschiedlichsten einzelnen Einfälle, von denen manche einzelne viele andere Menschen so beeindruckten, dass sie sie übernahmen und für sich selbst nachbildeten, wie dies wohl bei den meisten Geräten und Gegebenheiten der Fall gewesen sein dürfte, wie etwa dem Kleid, dem Zaun, dem Haus, dem Brunnen oder dem Rad. Keiner dieser Erfinder wäre wohl vor der Entwicklung des Geldes auf den Gedanken gekommen, dass ein solcher Einfall einen so interessanten Wert haben könnte, dass eine Verhinderung oder ein Verbot der Nachahmung oder ein Entgelt für die Verwendung des Vorbilds in Betracht kommen könnte. Nach allgemeiner Ansicht änderte sich diese grundsätzliche Haltung erst einige Zeit nach der Erfindung des Buchdrucks mit beweglichen Lettern durch Johannes Gensfleisch zu Gutenberg in Mainz zwischen 1440 und 1454.

 

Mit einem Teilaspekt der danach einsetzenden weltweiten Entwicklung beschäftigt sich das vorliegende, auf einem rund sechzigseitigen Quellenverzeichnis und Literaturverzeichnis ruhende, durch ein Personenregister von Archenholz bis Zincke und ein Sachregister von Abflauen der Diskussion bis Zensur benutzerfreundlich aufgeschlossene Werk der 1983 geborenen, in Bayreuth in der Rechtswissenschaft ausgebildeten, als wissenschaftliche Mitarbeiterin an der Universität Bayreuth sowie als Mitglied des Graduiertenkollegs geistiges Eigentum und Gemeinfreiheit tätigen, nach der zweiten juristischen Staatsprüfung in Bayern als Staatsanwältin und seit 2016 als Richterin an dem Amtsgericht in dem Oberlandesgerichtsbezirk Bamberg wirkenden, 2017 mit der von Diethelm Klippel betreuten, von der rechts- und wirtschaftswissenschaftlichen Fakultät der Universität Bamberg angenommenen Dissertation promovierten Verfasserin. Es hat unmittelbar nach seinem Bekanntwerden das besondere Interesse eines Sachkenners gefunden. Deswegen genügt an dieser Stelle eine formale Anzeige der sehr interessanten, weiterführenden Arbeit.

 

Gegliedert ist sie in chronologischer Ordnung in zwei Teile mit zwölf Kapiteln. Sie beginnen mit der Betrachtung des Nachdrucks und Verlegerschutzes bis zu dem Beginn des 18. Jahrhunderts und schließen mit dem Büchernachdruck und staatlichen Rechtsnormen ab etwa 1790. Insgesamt stellt die Verfasserin dabei fest, dass Nachdrucke von Büchern durch andere noch lange Zeit nach der Erfindung des Buchdrucks wie die Nutzung des Rades als selbverständlich (frei) galten und in ganz Europa erheblich zur der Verbreitung von Büchern und Inhalten beitrugen. Die Verleger und Buchhändler waren aber an der Sicherung eigener Einkünfte durch den Druck der von den Urhebern verfassten geistigen Leistungen so unmittelbar und fest interessiert, dass sie mit allen ihnen möglichen Mitteln den unbestrittenen und effektiven Rechtsschutz durch Anerkennung des „derivativen Verlegereigentums“ seitens des Gesetzgebers anstrebten, was ihnen zwar in dem Heiligen römischen Reich bis zu seinem Ende an dem 6. August 1806 nicht mehr gelang, was sie aber in Preußen in dem Allgemeinen Landrecht von 1794 in der Form einer (verlegerfreundlichen) gesetzlichen Regelung des Verlagsvertrags zwischen Verleger und Urheber  erreichten, die nach 1806 von anderen Partikularstaaten fortgeführt wurde, wohingegen in den linksrheinischen Gebieten die alten urheberfreundlichen Regelungen Frankreichs galten, bis schließlich nach Jahrzehnten in dem Deutschen Bund in dem Windschatten des Rechtes des an Einkünften nicht stets interessierten Urhebers eine allgemeine verlegerfreundliche, den entgeltlosen Nachdruck ausschließende und die eigenen Einkünfte der Verleger sichernde Regelung erreicht werden konnte.

 

Innsbruck                                                       Gerhard Köbler