Astorri, Paolo, Lutheran Theology and Contract Law in Early Modern Germany (ca. 1520-1720)

(= Law and Religion in the Early Modern Period 1). Schöningh, Paderborn 2019. XX, 657 S. Angezeigt von Gerhard Köbler. ZIER 9 (2019) 49. IT

Wann der erste Vertrag zwischen Menschen zwecks gegenseitiger Befriedigung von Wünschen abgeschlossen wurde, weiß niemand, obgleich er der Wahrscheinlichkeit zufolge doch schon Denken in Wörtern und damit die Entstehung und Verwendung von Sprache voraussetzen dürfte. Seit diesen frühesten Anfängen sind jedenfalls in den Hochkulturen des Altertums zahlreiche Verträge vereinbart und überwiegend wohl auch erfüllt worden. Einzelheiten werden dabei vor allem in dem römischen Recht erkennbar, auch wenn dort die Gestaltung des Vertrags noch nicht den Stand der Gegenwart erreicht hat, so dass sich als wahrscheinlich ansehen lässt, dass der Vertrag seit seinen Anfängen in manchen Hinsichten vielfältige Wandlungen durchlief.

 

Mit einem besonderen Aspekt dieser Entwicklung beschäftigt sich die gewichtige Untersuchung des 1984 geborenen, an der Universität Leuven tätigen, von H. J. Bermans beiden Bänden über Law and Revolution stark beeinflussten, durch den LOEWE-Schwerpunkt Außergerichtliche und gerichtliche Konfliktlösung der Universität Frankfurt am Main und das Max Planck Institut für europäische Rechtsgeschichte sowie die juristische Fakultät Roma Tre geförderten und von Laurent Waelkens und John Witte Jr. betreuten Verfassers. Sie gliedert sich nach einer kurzen Einführung über Zielsetzung, Quellen, Methode und Struktur in vier Teile. Diese betreffen das Verhältnis der christlichen Frömmigkeit zu dem Recht seit der Entstehung des Christentums, den biblischen Rahmen der Grundelemente für das Vertragsrecht mit dem siebten und achten Gebot in dem Mittelpunkt, ausgewählte Fragen einzelner Vertragsgeschäfte und den Weg von der lutherischen Theologie zu der rechtlichen Praxis.

 

In seinem Ergebnis stellt der Verfasser auf umfangreicher Literaturgrundlage unter Verzicht auf ein Register überzeugend fest, dass die bisherige Forschung zwar den Einfluss der römisch-katholischen Theologie und des kanonischen Rechtes auf den Vertrag ausreichend ermittelt hat, aber dabei zu wenig Gewicht auf die besonderen und wichtigen Vorstellungen Martin Luthers, Philipp Melanchthons, Johann Aepinus‘, Martin Chemnitzs, Friedrich Balduins und vieler anderer Reformatoren gelegt hat. Deren Gedanken wurden in der Folge von Juristen wie Matthias Coler, Peter Helge, Benedict Carpzov oder Samuel Stryk übernommen. Auf diese Weise wirkten nach dem Verfasser Theologen und Juristen in dem Heiligen römischen Reich der Neuzeit bei der Lösung vertragsrechtlicher Einzelprobleme in vielfältiger, hilfreicher Weise aus jeweils weltlicher wie geistlicher Sicht zusammen, vor allem bei den Fragen von Zins und Wucher, die auch in der Gegenwart noch keineswegs für alle Zeiten menschlichen Wirtschaftens mit Geld und anderen Gütern vollständig befriedigend gelöst sind.

 

Innsbruck                                                       Gerhard Köbler