Schneider, Christoph, Diener des Rechts und der Vernichtung.

Das Verfahren gegen die Teilnehmer der Konferenz von 1941 oder – Die Justiz gegen Fritz Bauer. Campus Verlag, Frankfurt am Main 2017. 242 S. Angezeigt von Gerhard Köbler. ZIER 9 (2019) 88. IT

 

Nach der Einleitung des vorliegenden schlanken, durch Literaturhinweise und ein Personenregister von Albrecht über Hitler und Schlegelberger bis Zschäpe abgerundeten Werkes wurde in dem Mai 1960 gegen eine Reihe ehemaliger Oberlandesgerichtspräsidenten und Generalstaatsanwälte des Deutschen Reiches in Frankfurt am Main ein Ermittlungsverfahren eingeleitet. Gegenstand des Verfahrens war eine Einladung des die Geschäfte des Reichsjustizministers des Deutschen Reiches führenden Staatssekretärs Franz Schlegelberger für den 23. April 1941 an den Reichsgerichtspräsidenten, die Oberreichsanwälte, weitere hohe Repräsentanten der Justiz und die Oberlandesgerichtspräsidenten und Generalstaatsanwälte aller Oberlandesgerichtsbezirke des Deutschen Reiches. Wichtigster Tagesordnungspunkt der Konferenz war die Tötung von Anstaltspatienten seit dem Anfang des Jahres 1940 samt Vermeidung dabei auftretender „Störungen“ oder „Schwierigkeiten“.

 

Dazu unterrichteten zwei Vertreter der Organisationszentrale der nationalsozialistischen Euthanasie die anwesenden Juristen über Tötungspraxis und Modalitäten, über verwaltungsinterne Abläufe und Verschleierungsmaßnahmen. Absprachegemäß wurden danach diesbezügliche Anzeigen und Eingaben nunmehr unbearbeitet an das zuständige Ministerium weitergeleitet. Keiner der Zuhörer erhob Widerspruch dagegen oder verweigerte die Mitwirkung, obwohl ihm für diese Fälle höchstens die vorzeitige Pensionierung drohen konnte.

 

An die diesbezügliche Einleitung schließt der als freier Autor und Kulturwissenschaftler in Frankfurt am Main arbeitende Verfasser insgesamt zehn vertiefende Kapitel an. Sie betreffen nacheinander die vier Abschnitte des Verfahrens gegen Franz Schlegelberger und andere, Störungen im Tötungsbetrieb, Werner Franz Wittrien, die Konferenz, Peter Wendelin Hommer, Lektüren der Einlassungen, Martha Dora Höschler, Hüter des Rechts – Büttel des totalitären Staates, die Suche nach dem Verfahren und Erinnerungspolitik mit Fritz Bauer. Darin zeigt der Verfasser eindringlich und aufrüttelnd, wie das auf Betreiben Fritz Bauers eingeleitete Verfahren mit dem Vorwurf der Unterstützung der systematischen Ermordung von Kranken und Behinderten zu der Zeit des Nationalsozialismus insgesamt zehn Jahre dauerte und in dem Zeitpunkt, als von den insgesamt dreiunddreißig ursprünglich Beschuldigten nur noch vier übergeblieben waren, schließlich eingestellt wurde, wodurch in dem Ergebnis die Vernichtung mehr Raum und Gewicht erhielt als das Recht.

 

Innsbruck                                                       Gerhard Köbler