Rechtswissenschaft in der Berliner Republik, hg. v. Duve, Thomas/Ruppert, Stefan.
Wann der Mensch das Recht als für ihn und sein Verhältnis zu seinen Mitmenschen hilfreich und vielleicht auch notwendig erkannt hat, weiß niemand wirklich, doch belegen die Hochkulturen des Altertums bereits schriftlich festgehaltene Rechtssätze in zunehmender Zahl. Auf ihrer Grundlage ist zunächst eine besondere Sachkunde einzelner Menschen entstanden, die beispielsweise in den iurisperiti der Römer in dem Anschluss an die bekannten Zwölftafelgesetze sichtbar wird. Von dort ist es trotz unbestreitbarer Höhe der diesbezüglichen Gedankengänge der Jurisprudenz noch ein weiter Weg bis zu der Rechtswissenschaft des Mittelalters in Bologna und den ihm folgenden Universitäten.
Seitdem hat sich die Rechtswissenschaft allmählich weltweit verbreitet, so dass sie in der Gegenwart globale Bedeutung hat, selbst wenn sich angloamerikanisches case-law und kontinentaleuropäisches Gesetzesrecht auf grundsätzlich allen von den Kolonialmächten geprägten Kontinenten gegenüberstehen. Mit dieser Verwissenschaftlichung ist ein Veränderungsvorgang des Rechtes verbunden, dessen Ende sich wohl nirgends mit Gewissheit absehen lässt. Es lassen sich aber immer wieder Zwischenbilanzen bilden, wie dies in dem Sammelband Rechtswissenschaft für die Bonner Republik 1994 wenige Jahre nach der Herstellung deutscher Einheit versucht wurde.
Der von dem Direktor an dem Max-Planck-Institut für europäische Rechtsgeschichte in Frankfurt am Main und Professor für vergleichende Rechtsgeschichte an der Universität Frankfurt am Main und einem früheren Forschungsgruppenleiter und späteren Bundestagsabgeordneten herausgegebene Sammelband schreibt diesen Stand rund ein Vierteljahrhundert später fort. Ausgeführt wird diese wichtige Analyse nach einer Einführung der Herausgeber durch 20 Beiträge ausgewiesener Sachkenner. Dabei werden nach einer vorläufigen Verortung nacheinander die Rechtsgeschichtswissenschaft, die Rechtstheorie, die Rechtsvergleichung und das internationale Privatrecht national, europäisch, global, das öffentliche Recht, der mediale Wandel von Judge Judy zu dem Beck-Blog, die Verfassung mit ihrem Verlassen des Schonraums der Nachkriegszeit, die Verwaltungsrechtswissenschaften, die Sozialrechtswissenschaft, Europarechtswissenschaft und Völkerrechtswissenschaft, die mit dem Rücken zu der Wirklichkeit gekehrte Strafrechtswissenschaft, die verschwimmenden Grenzen zwischen materiellem Strafrecht und Strafprozessrecht, das internationale Strafrecht, das eigenständig werdende Antidiskriminierungsrecht, das Schuldrecht, das Familienrecht, das Handelsrecht und Gesellschaftsrecht, das Kapitalmarktrecht, die Tarifautonomie mit dem Problem de normativen Ordnung behandelt und Recht, Kultur und Gesellschaft in dem Prozess der Globalisierung und der Internationalisierung betrachtet, wobei insgesamt 26 Experten ihre vielfältigen, viele Fragen weiterführend ansprechenden Überlegungen der Allgemeinheit komprimiert in kompakter Taschenbuchform zu weiterer intensiver Diskussion in Richtung auf ein Gesamtergebnis unterbreiten.
Innsbruck Gerhard Köbler