Gneiß, Markus, Das Wiener Handwerksordnungsbuch (1364-1555).
Handwerk ist die Bearbeitung und Verarbeitung von Stoffen für andere ohne vorrangige Verwendung industrieller Arbeitsformen. Während in dem Altertum entsprechende Tätigkeiten etwa des Schreinerns, Zimmerns, Mauerns, Backens, Schlachtens oder Fischens für andere überwiegend von Sklaven ausgeführt werden, bilden sich in dem Frühmittelalter erste Formen des Handwerks innerhalb der Grundherrschaft. Freies Handwerk entsteht dann dementsprechend in der hochmittelalterlichen Stadt, die durch die Freiheit der Bürger gekennzeichnet ist, in deren Rahmen sich Handwerker zur Sicherung ausreichender Einkünfte genossenschaftlich abschließen und über Lehre und Prüfung die Ausbildung von dem Lehrling über den Gesellen bis zu dem Meister regeln.
Nach ihrem kurzen Vorwort hat die einen zeitlich-örtlichen Teilbereich dieser Fragestellung untersuchende Arbeit ihren Ursprung in einem Seminar zu der Verfassungsgeschichte und Verwaltungsgeschichte Österreichs, das der in Wien 2006 das Lehramtsstudium für Geschichte und Deutsch aufnehmende und seit 2014 bei dem Projekt Illuminierte Urkunden als Gesamtkunstwerk der österreichischen Akademie der Wissenschaften tätige Verfasser während des Masterstudiums Geschichtsforschung, historische Hilfswissenschaften und Archivwissenschaft an dem Institut für österreichische Geschichtsforschung in dem Wintersemester 2012/2013 besuchte. Seine umfangreiche Ausarbeitung gliedert sich nach einer Einleitung über die Thematik und den Forschungsstand sowie regionale Unterschiede der Zunftbezeichnungen in drei Sachkapitel. Sie betreffen das Wiener Handwerk von dem dreizehnten Jahrhundert bis zu dem Jahre 1527, in dem Ferdinand I. eine Handwerksordnung erließ, die formelle Seite des Wiener Handwerksordnungsbuchs und die inhaltlichen Aspekte, die vor allem Lehrlinge, Gesellen und Meister betreffen.
In seinem zusammenfassenden Ergebnis kann der Verfasser feststellen, dass das von ihm ausführlich und sachkundig kommentierte Wiener Handwerksordnungsbuch, das er handschriftlich benutzen konnte, 1430 in dem Zuge von Ordnungsmaßnahmen entstand, die unter anderem einen Überblick über die vielen Handwerke in Wien und die für sie bestehenden Ordnungen ermöglichen sollte. Das daraus entstandene thematisch sehr vielfältige und vor allem bis zu der Mitte des 16. Jahrhunderts stark genutzte Stadtbuch gehört nach den Erkenntnissen des Verfassers zu den wertvollsten Erzeugnissen des spätmittelalterlichen Verwaltungsschriftguts Wiens. Von daher ist die mit dem Jahre 1430 einsetzende und in der Nummer 358 von 1463 (Fronleichnamsprozessordnung der Handwerker) endende Edition, die der Verfasser benutzerfreundlich um Maße, Gewichte und Geldeinheiten, ein Glossar von absamer bis zwyspil, eine chronologische Reihungen der Ordnungen von 1364 bis 1555 der mehr als 300 einzelnen Texte, eine chronologische Liste der Wiener Bürgermeister von 1364 bis 1555 und der Stadtschreiber von 1358 bis 1576 sowie umfangreiche Verzeichnisse und Register der Namen und Sachen abrundet, ein sehr wertvoller Meilenstein der Handwerksgeschichte Wiens, der die bestmögliche Grundlage für weitere Einzelforschungen bilden kann.
Innsbruck Gerhard Köbler