Rutz, Andreas, Die Beschreibung des Raums.

Territoriale Grenzziehungen im Heiligen Römischen Reich (= Norm und Struktur 47). Böhlau, Köln 2018. 583 S. Angezeigt von Gerhard Köbler. ZIER 9 (2019) 06. IT

Nach der Johann Jacob Moser folgenden Einleitung gehören zu dem genuinen Bestandteil eines Staates eindeutig definierte Grenzen, die sich allerdings erst an dem Ende eines sich über mehrere Jahrhunderte erstreckenden Prozesses territorialer Grenzziehungen seit der Ausbildung frühmoderner Staaten bzw. Territorien ergaben. Kennzeichen dieser Entwicklung war bei vielen einzelnen Unterschieden der allgemeine Trend, Einzelrechte miteinander in Verbund zu bringen und der Obrigkeit unterzuordnen. Nach dem Verfasser verlief allerdings die geschichtliche Entwicklung nicht so geradlinig, wie die meisten Modelle vorgeben, weil sich teilweise schon in dem frühen Mittelalter sehr genaue territoriale Grenzziehungen nachweisen lassen, teilweise aber auch noch an dem Ende des Heiligen römischen Reiches Unklarheiten und Streitigkeiten über konkrete Grenzverläufe bestanden.

 

Mit den dabei erkennbaren Fragen beschäftigt sich das vorliegende, durch zwanzig Tafeln veranschaulichte Werk des in Brandenburg an der Havel 1974 geborenen, nach dem Abitur und dem Zivildienst in Bonn, Paris und New York ausgebildeten, von der Studienstiftung des deutschen Volkes geförderten, 2005 bei Manfred Groten promovierten und nach einer Tätigkeit als wissenschaftlicher Assistent seines Lehrers 2014 habilitierten, nach Lehrstuhlvertretungen seit September 2019 für sächsische Landesgeschichte an der Technischen Universität Dresden tätigen Verfassers. Sein gewichtiges Werk gliedert sich nach einer Einleitung über methodische Vorüberlegungen, Forschungsstand und Quellenlage in fünf Kapitel. Sie betreffen die Frage grenzenloser Herrschaft im Mittelalter, vormoderne Verfahren zu der Beschreibung und Markierung von Grenzen, wissenschaftliche Innovation und räumliche Herrschaftspräsentation in der frühen Neuzeit, Grenzziehungen in dem 16. und 17. Jahrhundert und Grenzkarten als Argument in dem 18. Jahrhundert.

 

Dabei kann der Verfasser nach eindringlicher Untersuchung des Heiligen römischen Reiches und darüber hinaus feststellen, dass sich Verfahren der Beschreibung und Markierung von Grenzen seit dem frühen Mittelalter nachweisen lassen, wenn auch die Kartographie erst später entsteht und bedeutsam wird. Weiter kann er ermitteln, dass für die Zweistufigkeit der Grenzentwicklung dem 12. Jahrhundert als Umbruchsphase besondere Bedeutung zukommt, in der die Kartographie an Bedeutung gewinnt, aber erst in dem 18. Jahrhundert zu dem Leitmedium der Beschreibung von Räumen und Grenzen wird. Dementsprechend geht er überzeugend für die territorialen Grenzziehungen der Vormoderne und damit der Beschreibung des Raumes in dem Heiligen römischen Reich von einer Kontinuität der Verfahren aus, die sich in einem langen Bogen von etwa 800 bis 1800 erstreckt, wobei sich Veränderungen durch die Einbeziehung der Kartographie in das System der Beschreibung und Markierung von Grenzen seit dem Spätmittelalter und die Anerkennung von Karten als Leitmedien im 18. Jahrhundert ergeben.

 

Innsbruck                                                       Gerhard Köbler