Neunzehnhundertundachtundsechzig (1968) – Verdichtung des Wandels und globaler Momente,

Tübinger Vorlesungen, hg. v. Eckel, Jan/Schild, Georg. Mohr Siebeck, Tübingen 2019. VII, 220 S. Angezeigt von Gerhard Köbler.

Zwar fällt in dem luftleeren Raum alles gleich schnell und ist nach der Vorstellung der antiken Philosophie auch alles immer in Fluss, doch vollziehen sich tatsächlich nicht alle Vorgänge mit derselben Geschwindigkeit überall und jederzeit. Dementsprechend gibt es bei der geschichtlichen Betrachtung der Entwicklung Perioden verhältnismäßiger Konstanz und Perioden starker Veränderung. Sie werden von dem menschlichen Betrachter durchaus unterschiedlich wahrgenommen, indem der eine die Beständigkeit bevorzugt, während der andere die Revolution als vorteilhafter empfindet.

 

Nach der Einleitung der Herausgeber des vorliegenden schlanken Sammelbands nimmt das Jahr 1968 in der Betrachtung der jüngeren Vergangenheit seit Langem einen herausgehobenen Platz ein. Die offene Rebellion gegen als bedrückend wahrgenommene Herrschaftsstrukturen, gegen gesellschaftliche Erwartungen und gegen allgemeine Vorstellungen über die individuelle Lebensführung verursachte in westlichen Staaten in diesem Jahr besonders schwere innere Konflikte. Dementsprechend gilt das Jahr 1968 vielfach als möglicher Epochenbruch.

 

Der vorliegende schmale, diese Problematik näher untersuchende Sammelband geht auf eine Vorlesungsreihe zurück, die das Seminar für Zeitgeschichte zusammen mit dem Studium generale in dem Sommersemester 2018 an der Universität Tübingen veranstaltet hat. Sie umfasst nach der Einleitung insgesamt sieben Referate, welche die Bundesrepublik innerhalb des Globalen, die Vereinigten Staaten von Amerika, Frankreich, die Tschechoslowakei und den Ostblock, Mexiko, Tübingen und an Hand der Vorstellung von „Let the Sunshine in“ das Musical Hair und die Politik der Popmusik näher beleuchten und durch zehn Abbildungen von Springer in Berlin bis zu der roten Fahne über der Neuen Aula der Universität Tübingen veranschaulichen. Insgesamt können die interessanten Studien zeigen, dass in dem Rahmen der längerfristigen Gesellschaftsgeschichte in den späten sechziger Jahren des 20. Jahrhunderts vielfältiger Aufruhr entstand, der zu der Überzeugung globalen Zusammenhangs führte, in dessen Rahmen Bewertungen verändert und Hierarchien abgeflacht, Verhaltensformen entformalisiert und Individualitäten gefördert wurde, wenn auch in der Folge beispielsweise  die individuellen Löcher in sehr vielen blue jeans durchaus wieder die Stärke und Güte des Wandels auf der gesamten Erde in Frage stellen und bezweifeln lassen, weil 1968 der Mensch als solcher sich anscheinend kaum geändert hat.

 

Innsbruck                                                       Gerhard Köbler