Odenweller, Kristina, Diplomatie und Pergament –
Seit der Entstehung der wissenschaftlichen Jurisprudenz in Italien um die Wende des 11. Jahrhunderts zu dem 12. Jahrhundert haben sich sehr viele Menschen für das Studium dieses Faches entschieden und danach entsprechend zahlreiche beruflich geprägte Leben geführt. Sie alle sind trotz mancher allgemeinen Prägungen auch von deutlicher Individualität. Sie verdienten wohl ausnahmslos eine nähere geschichtliche Betrachtung, wenn diese in dem Rahmen der beschränkten menschlichen Mittel möglich wäre.
Mit dem in Padua um 1380 geborenen und dort nach dem 7. April 1451 als dem Tag seiner letzten nachweisbaren Doktorprüfung und vor dem 8. August 1452 gestorbenen Giovan Francesco Capodilista beschäftigt sich die vorliegende, einem Proseminar des Wintersemesters 2005/2006 folgende, von Birgit Studt angeregte und betreute, vielseitig geförderte sowie in dem Wintersemester 2014/2015 von der philosophischen Fakultät der Universität Freiburg im Breisgau angenommene Dissertation der in Frankfurt am Main 1986 geborenen, in Freiburg im Breisgau in mittelalterlicher Geschichte, mittelalterlicher Literatur und Sprache sowie Rechtswissenschaft mit dem Schwerpunkt Rechtsgeschichte ausgebildeten und danach als wissenschaftliche Mitarbeiterin an dem Deutschen Seminar in dem Projekt Got is selve reht – Rechtskonzeption in mittelhochdeutscher Literatur zu dem Prozess Jesu tätigen Verfasserin. Gegliedert ist sie nach einer Einleitung über Diplomatie des venezianischen und päpstlichen Gesandten und Pergament der Familiengeschichte und Selbstdarstellung Capodilistas in dem Capodilistakodex in drei Sachkapitel. Sie betreffen die Diplomatie, das Pergament sowie das Verhältnis von Diplomatie und Pergament.
Ausgangspunkt der Untersuchung ist die 38 Pergamentblätter in einem unscheinbar wirkenden Einband des 19. Jahrhunderts enthaltende Handschrift B. P. 954 in der Biblioteca Civica Paduas mit 31 Illuminationen. Auf ihrer Grundlage entfaltet die Verfasserin ein facettenreiches Bild Capodalistas in der Frühphase von 1405 bis 1433, in der Vertretung Venedigs auf dem Konzil von Basel von 1433 bis 1435, in der diplomatischen Vertretung Venedigs in Florenz und des Papstes in Ungarn 1436 bis 1437, in der Tätigkeit für Eugen IV. auf den Reichsversammlungen in Nürnberg 1438 und Mainz 1439 und in Verhandlungen mit Karl VII. von Frankreich in Bourges 1440 sowie nach der Rückkehr nach Padua von 1442. In der Folge kann sie eindrucksvoll zeigen, wie Capodalista die Geschichte seiner Familie dafür verwendete, um sich und letztlich auch seine Familie zu legitimieren und zu präsentieren, selbst wenn die weitere Geschichte der Handschrift nicht herausragend verlief.
Innsbruck Gerhard Köbler