Fuchs, Gero, Gewinn als Umbruch der Ordnung?
Das Wesen des Universums ist wohl auf Entstehung und Bestand gleichzeitig ausgerichtet, indem das Bestehende entstanden sein muss und die Entstehung einen Bestand zumindest auf Zeit als Ziel hat, so dass Werden und Sein sich gegenseitig ergänzen. In diesem Rahmen hat sich auch der Mensch entwickelt, der sein Sein egoistisch zu wahren und zu sichern versucht, selbst wenn er sein irdisches Ende offensichtlich nicht verhindern kann. Genügte dabei anfangs die bloße Suche nach Überlebensmöglichkeiten, so kam wohl spätestens in den Hochkulturen des Altertums das Streben nach Macht und Ansehen dazu und wurden Gold und Geld wichtige Indikatoren menschlichen Erfolgs.
Mit einem Teilaspekt der menschlichen Suche nach Gewinn über die lebenssichernden Tätigkeiten hinaus beschäftigt sich die vorliegende, von Mathias Schmoeckel betreute, in dem Sommersemester 2018 von der rechts- und staatswissenschaftlichen Fakultät der Universität Bonn angenommene und mit drei Abbildungen sowie einem Personenregister und einem Sachregister versehene Dissertation des 1987 geborenen, in Rechtswissenschaft und Geschichtswissenschaft in Bonn ausgebildeten, nach der ersten juristischen Staatsprüfung sowie dem Bachelor of Arts als wissenschaftlicher Mitarbeiter seines Betreuers und nach der Promotion und der zweiten juristischen Staatsprüfung 2018 als akademischer Rat auf Zeit an dem Institut für deutsche und rheinische Rechtsgeschichte tätigen Verfassers. Sie gliedert sich nach einer Einleitung über Hinführung zu dem Fall Peter Knütgen, Fragestellung, methodische Erwägungen, Quellen, Forschungslage zu Siegburg, Forschungslage über Siegburg hinausgehender Quellen und Gang der Untersuchung in vier Kapitel. Sie betreffen den Streitfall um Peter Knütgen, die Störung der wirtschaftlichen Ordnung, die Störung der politischen Ordnung und die Störung der politischen Ordnung.
Ausgangspunkt der Untersuchung ist ein wohl vor dem 10. Oktober 1564 entstandenes, undatiertes Dokument, in dem die Zunft der Töpfer der südlich Kölns gelegenen Stadt Siegburg dem Töpfer Peter Knütgen vorwarf, sein eigenes Handwerk zu zerstören, indem er seine Töpferwaren selbständig und ohne Beteiligung der Zunft gewinnbringend veräußert habe, weil nach dem Gewohnheitsrecht der Töpfer der Verkauf nur mit Hilfe durch die Zunft zugelassener Kaufleute erfolgen und der hieraus erzielte Erlös unter den Töpfern solidarisch aufgeteilt werden sollte. In dem Ergebnis wurden dem 1565 zu einer Geldstrafe von wohl vierunddreißig Goldgulden verurteilten Peter Knütgen Geschäftsweisen untersagt, weil sie die Siegburger Ordnung störten und die Herrschaft des Abtes Hermann von Wachtendonck gefährdeten, der für die gute Ordnung zu sorgen hatte. Große Gewinne eines Einzelnen hatten hinter der althergebrachten gemeinschaftlichen Wirtschaftsordnung zu dem Schutze der standesgemäßen Nahrung aller Töpfer zurückzutreten, obwohl andernorts seit Beginn der Neuzeit längst einzelne Frühkapitalisten durch ihr Wirtschaften großen, den tatsächlichen Lebensbedarf weit übersteigenden Gewinn erzielt hatten.
Innsbruck Gerhard Köbler