Oppelt, Martin, Gefährliche Freiheit.

Rousseau, Lefort und die Ursprünge der radikalen Demokratie (= Zeitgenössische Diskurse des Politischen 13). Nomos, Baden-Baden 2017. 504 S. Angezeigt von Gerhard Köbler. ZIER 9 (2019)

Theoretische Ausgangspunkte des Menschen sind wohl ursprüngliche Freiheit und Gleichheit, weil Arbeitsteilung und Staat an dem Anfang nicht bestanden. Dies änderte sich aber spätestens mit den Hochkulturen des Altertums, in denen Unterdrückung und Zwang selbverständlich wurden, selbst wenn gleichzeitig an einzelnen Stellen zeitweise Demokratie und Republik gelebt wurden. Aus dem Erbe der Antike lebten allerdings Unfreiheit und Ungleichheit zumindest in dichten Gesellschaften bis in die Aufklärung fort.

 

Mit einem einzelnen Aspekt der damit verbundenen Problematik beschäftigt sich die von Karlfriedrich Herb auf den „richtigen“ Weg gebrachte und mit einer entscheidenden akademischen Weichenstellung versehene, von Marcus Llanque von Anfang an betreute und von der juristischen Fakultät der Universität Augsburg 2015 angenommene Dissertation des Verfassers. Sie gliedert sich nach einer Einleitung in drei Sachkapitel. Diese betreffen diskursive Verbindungen bezügliche Rousseau und Lefort zwischen Totalitarismus und Demokratie, Leforts politische Theorie der radikalen Demokratie und Rousseaus radikale Demokratietheorie.

 

In diesem Rahmen beleuchtet der Verfasser auf der Grundlage umfangreicher Literatur zunächst den Kampfbegriff Totalitarismus als solchen und danach den entsprechenden Diskurs bei Claude Lefort und bei Jean-Jacques Rousseau sowie den umkämpften Begriff Demokratie, die partizipatorische radikale Demokratie bei Pateman, Barber, Fraenkel, Schmitt, Maus und Habermas sowie die gegenwärtige radikale Demokratie, wobei er übersehene Ursprünge und diachrone Verbindungen zwischen Rousseau und der radikalen Demokratie aufzeigt. Bei Lefort widmet er sich nach der Untersuchung der postmarxistischen Phase und der radikaldemokratischen Phase der Theorie des Politischen, der Demokratie und des Totalitarismus. Bei Rousseaus radikaler Demokratietheorie geht er von den kontingenten Grundlagen von Recht, Macht, Wissen und Gesellschaft aus und wendet sich an Hand des Gesellschaftsvertrags der Frage des Politischen und den Antworten der Politik in den Verfassungsschriften zu, um danach unter dem Eingangsmotto „Blind sind wir inmitten des Lichts der Aufklärung“ an dem Schluss die Frage nach einem Post-Rousseauismus zu stellen, wobei er an dem Ende darauf hinweist, dass auch heute noch der Mensch frei geboren ist und immer noch überall in Ketten liegt, wir vielleicht nicht wissen und wissen können, wie es dazu gekommen ist, wohl aber zugleich und dank Rousseau auch erkennen können, wo und wie der Hebel angesetzt werden könnte, diese gegenwärtigen Verhältnisse zu analysieren, zu kritisieren und in dem Namen der Freiheit letztlich zu dem Wohle des Menschen auch zu ändern, zumindest dann, wenn der Mensch nicht so wäre, wie er wohl als solcher auf Grund seines angeborenen Selbsterhaltungstriebs tatsächlich seit den Anfängen bis zu der Gegenwart ist.

 

Innsbruck                                                       Gerhard Köbler