Der Westen und die Menschenrechte. Im interdisziplinären Gespräch mit Hans Joas, hg. v. Kühnlein, Michael/Wils, Jean-Pierre
Der vorliegende kleine Sammelband ist der dritte seiner Art, der sich mit der Diskussion von Arbeiten des Soziologen Hans Joas zur „Geschichte und Begründung der Menschenrechte“ befasst. Im Unterschied zu den beiden ersten „Gesprächsbänden“, die zunächst nur Beiträge von Theologen enthielten (Heiligkeit und Menschenwürde. Hans Joas‘ neue Genealogie der Menschenrechte im theologischen Gespräch 2013) – in dem zweiten Band (Der moderne Glaube an die Menschenwürde. Philosophie, Soziologie und Theologie im Gespräch) um die Disziplinen Philosophie und Soziologie erweitert –, bezieht der hier vorzustellende dritte Band neben den bereits genannten Fachgebieten auch die Rechtswissenschaft und Politikwissenschaft ein.
Gegenstand der Diskussion des dritten „Gesprächsbandes“ sind zwei Schriften von Hans Jonas: „Die Sakralität der Person. Eine neue Genealogie der Menschenrechte“ (2011) und „Sind die Menschenrechte westlich?“ (2015), wobei letztere sich mindestens in Teilen als eine Ergänzung oder eine Erläuterung bzw. Präzisierung der „Sakralität der Person“ erweist.
Auf eine kurze programmatische Einführung von Hans Jonas „Sind die Menschenrechte westlich“ folgen insgesamt zwölf Stellungnahmen aus der Feder von Philosophen, Politikwissenschaftlern, Rechtswissenschaftlern, Soziologen und Theologen. Da die Titel der Beiträge zugleich deren inhaltliche Zielsetzung und die Schwerpunkte der Auseinandersetzung mit den von Hans Jonas in beiden Büchern vertretenen Gedanken und Thesen markieren, erübrigt sich an dieser Stelle eine nähere Darstellung im Einzelnen, was ohnehin nur punktuell möglich wäre. Einige Autoren beziehen dabei das wissenschaftliche Gesamtwerk von Hans Jonas mit ein, was naturgemäß die an sich schon anspruchsvolle Lektüre insoweit zusätzlich erschwert als für das Verständnis gerade divergierender Auffassungen allzu häufig der Zugang zum konkreten Kontext fehlt. Im Einzelnen kommen zu Wort: Heiner Bielefeldt „Die Evidenz der Menschenrechte. Emphase und Diskurs“ (S. 57-65), Daniel Bogner „Lernen aus Geschichte. Die Menschenrechtskonzeption von Hans Joas“ (S. 135-149), Bernd Irlenborn „Genealogie und geschichtliche Kontinuität: Zum Begriff der Tradition bei Hans Joas“ (S. 117-126), Christian Hillgruber „Kommentar zu Hans Jonas: Die Sakralität der Person“ (S. 45-56), Michael Kühnlein „Ein Meisternarrativ zwischen Sakralität und Fragilität. Über die Emergenz der Werte bei Hans Johas“ (S. 105-116), Hans Maier „Menschenrechte heute“ (S. 25-33), Christoph Möllers „Hans Joas ´Begriff der Menschenrechte. Eine Lektüre im Kontext seines Gesamtwerkes“ (S. 35-43), Matthias Sellmann „Der Prozeß der Idealentstehung – und die produktive Bearbeitung der Idealverfehlung. Religionsphilosophie bei Hans Joas in pastoraltheologischer Weiterführung“ (S. 151-166), Ludwig Siep „Sakralisierung und Genealogie“ (S. 95-104), Tine Stein „Kontingente Voraussetzungen eines menschenrechtlichen Universalismus“ (S. 67-77), Jean-Pierre Wils „‘Affirmative Genealogie‘ und der Kasus der ‚Menschenrechte‘ “ (S. 79-94) und Rolf Zimmermann „Moral und geschichtliche Existenz. Ein philosophischer Blick auf das Werk von Hans Joas“ (S. 127-134).
Der Band schließt mit einer recht breit angelegten Replik von Hans Joas auf jede einzelne Stellungnahme unter dem Titel: Sakralisierung – Genealogie – Globalgeschichte. Eine Erwiderung (S. 169-199). Zentrale Diskussionspunkte waren dabei das Verhältnis von Sakralität und Religion, die Rolle des Christentums in der Geschichte der Menschenrechte und deren vermeintlich westlicher Charakter, der moralische Universalismus sowie der rechtliche Egalitarismus. Dieser Teil des Buches ist von besonderem Wert, dokumentiert er doch einerseits wesentliche Streitpunkte zwischen den „Gesprächsteilnehmern“, zeigt andererseits aber auch, in welch hohem Maße in grundsätzlichen Fragen – z. B. Universalität der Menschenrechte – zwischen ihnen Übereinstimmung besteht.
Jatznick Bernd Schildtbernd.schildt@arcor.de