Gut, Philipp, Jahrhundertzeuge Ben Ferencz.

Chefankläger der Nürnberger Prozesse und leidenschaftlicher Kämpfer für Gerechtigkeit. Piper, München 2020. 346 S., 34 Abb. Angezeigt von Gerhard Köbler. ZIER 10 (2020) 82. IT

Benjamin Berell Fernecz wurde in dem kleinen Dorf Großhorn in dem damals noch zu Ungarn gehörigen Siebenbürgen an dem 11. März 1920 in einer jüdischen Familie geboren, die nach dem Übergang an Rumänien ab dem 4. Juni 1920 zu dem anschließenden Jahreswechsel in die Vereinigten Staaten von Amerika emigrierte. Trotz problematischer Kindheit in Manhattan und in der Bronx gelang ihm 1943 das Studium der Rechtswissenschaft an dem City College of New York und an der Harvard Law School, so dass er während eines Einsatzes als einfacher Angehöriger einer Fliegerabwehreinheit im Frankreich 1944 den Befehl erhielt, zwecks Sammlung von Beweismaterial für Kriegsverbrechen der Deutschen in der Judge Advocate Section einen War Crimes Branch einzurichten. Kurz nach seinem Abschied als Sergeant aus der Armee wurde er ziviler Leiter einer Kommission zur Ermittlung von Beweismaterial für Anklagen gegen nationalsozialistische Kriegsverbrecher, die Aktenordner mit Ereignismeldungen der SS aus der Sowjetunion entdeckte, so dass er mit 27 Jahren zu dem Chefankläger in dem Einsatzgruppengruppenprozess als dem neunten von zwölf Kriegsverbrecherprozessen der Alliierten gegen 23 nationalsozialistische Offiziere der SS bestellt wurde.

 

Mit dem Leben und Wirken dieses herausragenden, in den beigegebenen Bildern sichtbar gemachten Zeitzeugen beschäftigt sich das vorliegend Werk des in Bangkok 1971 geborenen, in Zürich und Berlin in Geschichte, neuerer deutscher Literarturwissenschaft und Philosophie ausgebildeten, 2005 bei Peter von Matt und Jörg Fisch mit einer Dissertation über Thomas Manns Idee einer deutschen Kultur summa cum laude promovierten, von 2006 bis 2019 führend bei der Weltwoche tätigen Verfassers. Seine beeindruckende Studie gliedert sich nach einer kurzen Einführung in zehn Kapitel. Sie betreffen den Weg von Hell’s Kitchen nach Harvard, die Zeit im Krieg, die Verbrecherjagd, einen Honeymoon für die Ewigkeit, den auf Grund des Sensationsfunds durchgeführten Prozess, die Wiedergutmachung, die Art und Weise, wie man hoffnungsloste Fälle gewinnt, die Sklaven der deutschen Industrie (I. G. Farben, Krupp, AEG, Siemens und Rheinmetall), die Zielsetzung den Krieg durch das Recht zu ersetzen und schließlich an dem Ende den tiefen, von zahlreichen schmerzlichen Erfahrungen geprägten Alterswunsch für viel Glück für die Welt.

 

Den Ausgangspunkt der packenden Darstellung eines langen ereignisreichen Lebens bildete ein von Aurelia Frick aus Liechtenstein vermitteltes ersten Treffen Guts mit Ferencz in Delray Beach in Florida in dem März 2018. Aus dem zunächst geplanten Zeitschriftenartikel wurde in kurzer Zeit ein überzeugendes Werk über die Ideen und Anliegen eines unerschütterlichen Kämpfers für umfassende Gerechtigkeit. Möge es bei allen Zweifeln an ihrer umfassenden Verwirklichung viele Interessenten für den Blick in die Hölle und die daraus gezogenen Folgerungen finden, damit die Zukunft von Menschen möglicherweise etwas besser werden kann.

 

Innsbruck                                                       Gerhard Köbler