Jacobsen, Jonas, Die urheberrechtlich relevante Parodie.
Wer sich bis heute als Schriftsteller, Journalist, ausübender Künstler, als Satiriker oder Kabarettist der weit gesteckten literarisch-künstlerischen Parodiefreiheit erfreute, wird den Thesen der zuweilen apodiktisch wirkenden Dissertation (Humboldt-Universität Berlin 2019) dogmatisch, rechtspraktisch und angesichts der bislang erfreulich liberal und kunstfreundlich gefassten, verfassungs- und urheberrechtlich gegebenen Freiheitszonen weniger abzugewinnen vermögen. Wie das kunstbeflissene Publikum reagieren würde, steht auch noch dahin. Wie der Begriff des Gemeinwohls auf diesen Fußböden zu definieren wäre, bleibt zudem offen.
Die Parodie soll zwar nicht der Zustimmung von Rechtsinhabern bedürfen. Der Verfasser bemüht sich, ein „parodiefeindliches Klima“ im Urheberrecht zu postulieren – mit der fragwürdigen These, dass der heutige Umgang mit Parodien generell zur „Rechtsunsicherheit“ führe. Rechtspolitisch will er aus Art. 14 GG die Interessen der parodierten Rechtsinhaber mit einem Schutz-Siegel beglücken: durch eine national normativ einzuführende „bedingt vergütungspflichtige Parodieschranke“. Die freie Benutzung des § 24 UrhG, die sich bislang noch als kunst-, kultur- und entwicklungsfreudige Spielwiese innerhalb des harmoniebemühten EU-Rechts bewähren durfte, möge ein weiser Gesetzgeber durch eine gesetzliche oder wahlweise eine Zwangs-Lizenz ersetzen. Konsequenz: dem Inhaber des „Vorlagewerkes“ steht eine angemessene Vergütung zu – bei „kommerziellen“ Parodien, die sich am Gewerberecht und Steuerrecht orientieren könnten.
Nach Jacobsens Auslegung des EuGH-Urteils des Gerichtshofs der Europäischen Union in Sachen Pelham/Hütter (C-476/2017) soll § 24 UrhG wegen Art. 5 InfoSocRL „unionsrechtswidrig“ sein. Mit dieser Entscheidung, ergangen leider kurz nach Einreichung der akademischen Arbeit (S. 106, Fußnote), sieht er die Fundamente der bisherigen Rechtsprechung gänzlich beseitigt, Ausnahmen und Beschränkungen außerhalb der Richtlinien-Norm als nicht mehr gedeckt an.
Doch wie vereinbart sich das mit dem Diktum des EU-Rechts von gewissen immer noch gnädig verbliebenen Spielräumen der Mitgliedstaaten? Die vielleicht prophetisch infizierte Prognose, dass die hier favorisierten, verfassungsrechtlich und unionsrechtlich subtil abgeleiteten Lösungswege gerade kein parodiefreundliches Umfeld generieren werden, liegt nahe. Der sofort einsetzende Konflikt um den Kommerzbegriff und die Angemessenheit von Parodie-Vergütungen, deren Geltung und Abgeltung, wäre die unweigerliche konfliktive Folge. Immerhin: die Schweiz, welche die Parodie normativ gebührenfrei zulässt, wäre, da nicht in der Europäischen Union, weiter erfreut über die fehlende Urheberschranke. Auf die Probleme mit Staaten, die solche Schranken nicht kennen, geht Jacobsen nicht ein.
Begrifflichkeiten, Anfänge, Spielarten, Funktionsweisen und künstlerische wie politische Bedeutungen des Genres werden sorgsam entwickelt, ihre Relevanz im Lichte von Werk- und Wirkbereich der Grundrechte entfaltet. Art. 5 und vor allem Art. 14 GG gewinnen in dieser Perspektive eine ausführlich begründete Basis für die Frage nach der Zuordnung wirtschaftlicher Erträge. Die vergleichsweise intensive Befassung mit EU-Recht und der Rechtsprechung des Gerichtshofs bzw. des Bundesgerichtshofs zu Diskriminierung, zu Persönlichkeits- und Urheberrechten kommt u. a. zu dem Ergebnis, dass eine Parodieschranke ohne finanzielle Kompensation den Rahmen der Unionsgrundrechte einhält (S.85). Jacobsen präferiert jedoch deutlich eine finanziell belastbare oder fast notwendig so zu belastende Schrankenlösung.
Er lässt die Variationsbereiten der deutschen urheberrechtlichen Judikatur Revue passieren: von Lili Marleen bis „Auf fett trimmt“. Doch wäre nach seinem Konzept dies alles wohl Makulatur. Obwohl die Arbeit sich nicht als rechtsvergleichende versteht, wird ein Blick auf die Doktrinen und Lösungen in den Vereinigten Staaten von Amerika geworfen. Über Sabine Stuhlerts profunden Rechtsvergleich (2002) gelangt dieser Abschnitt nicht hinaus, obwohl der Verfasser der US-Lösung einige unverhohlene Sympathie schenkt. Das Schlusskapitel ist der eigenen Lösung - gesetzliche oder Zwangslizenz - gewidmet. Kern ist dabei u. a. die Vergütungspflicht unter der Bedingung der kommerziellen Parodie-Nutzung. Bei der Frage, wann eine Vergütung geboten bzw. angemessen ist, bewegt sich die Arbeit dann wiederum auf sehr vertrautem Gelände. Mit sehr gemischten Gefühlen wird man das Konzept einer Honorierungspflicht bei gewerblicher Nutzung lesen. Denn das würde künftig so gut wie jeden Parodisten treffen, der Einnahmen erzielt, seine eigenen nicht unerheblich mindern. (S. 186f.). Die konzipierten Vorschläge laufen, genau genommen, auf einen fast revolutionär zu nennenden Bruch mit literarisch-künstlerischen und urheberrechtlichen Traditionen und Freiräumen hinaus. Die Gleichsetzung von Gewerbe und Kommerz stellt allein auf die Generierung irgendwelcher Einnahmen ab. Wie immer man auch den Parodiebegriff des Unionsechts versteht und wie verständlich in der Sicht der neueren Judikatur die Diskriminierungsschranken sind – an eine so ausladende Ausformung des Parodierechts in Europa mit einer ganz anders gefassten Basis von Kunst, Schöpfertum, Beteiligung und Honorar ist wohl jedenfalls derzeit de lege ferenda noch nicht gedacht worden.
Die hehren, randvoll bestückten Bibliotheken unserer Welten, nicht erst seit Robert Neumanns berühmten Parodien „Mit fremden Federn“ , Erich Kästners Gedichten, Kurt Schwitters' genialen Kunststücken, der Flut moderner parodistischer Satiren, der Subkultur von Karikaturen, beglückt mit Fanartikeln, Pastiches, mit Gesangsparodien und Romanparodien, die Mehrzahl von individuell inspirierten Imitationen inmitten empfindsamer Politik-Prominenz und werblicher Marken-Akrobatik wären wohl sehr neu zu justieren. Und die auf solchem Terrain seltener geplagte Judikatur - zwischen „Alcolix“, „Kalkofes Mattscheibe“, „Gies-Adler“ und „Lust-Hansa“ weniger schwankend als um großzügige Rahmen bemüht - und alle beruflichen Parodisten könnten sich in solch innovativem Prokrustes-Bett von Verfassungsrecht und Urheberrecht mit schnöde kommerziell definiertem Vergütungszwang – wenn auch zustimmungsfrei – aufs Bedrückendste gemartert finden. Wie sich die freien oder weniger gebundenen Künstler, wie sich die ohnehin schwer geplagten Inhaber von Verwertungsrechten aus dieser Honorierungshaft freikaufen sollen, wäre gewiss ein materiellrechtlich, prozedural und finanziell lohnendes Thema weiterer riskanter akademischer Übungen.
Jacobsen hat eine stringent verfassungsrechtlich begründete Ableitung seiner Theorien vorgelegt. Wir wollen sein Vorgehen nicht herabstufen. Sein neuartiges System wird in den alterhergebrachten Fußangeln der freien Benutzung und der Zitatfreiheit jedoch weder dem „fair-use“-Tatbestand der Vereinigten Staaten von Amerika noch dem noch gegebenen europäischen Entfaltungsspielraum, von Meinungs- und Kunstfreiheit nach Art. 5 GG ganz zu schweigen, sich produktiv und gesetzgeberisch operationabel nähern.
Düsseldorf Albrecht Götz von Olenhusen