Haas, Philip/Schürrer, Martin, Was von Preußen blieb –

Das Ringen um die Ausbildung und Organisation des archivarischen Berufsstandes nach 1945 (= Quellen und Forschungen zur hessischen Geschichte 183). Selbstverlag der Hessischen Historischen Kommission Darmstadt und der Historischen Kommission für Hessen. Darmstadt 2020. 187 S. Angezeigt von Gerhard Köbler. ZIER 10 (2020) 86. IT

Das Archiv als die Einrichtung zu der geordneten Sammlung, Aufbewahrung und Verwertung von Schriftgut konnte zwar erst lange nach dem Menschen und der Ausbildung des Staates entstehen, hat sich aber seitdem einen sicheren und festen Platz in der Gesellschaft erworben. Wie alles Wissen des Menschen haben dabei auch Technik und Kunst der Archivierung stetig zugenommen. Dementsprechend ist das Archiv längst Ort sorgfältigster Schulung und vielfältigster Wissenschaft geworden.

 

Allerdings konnten dabei wegen ihrer Weite und Größe nicht alle Räume und Felder von Archivwissenschaft und Archivgeschichte bisher vollständig, umfassend und allseitig behandelt werden, vielmehr liegen auch nach dem kurzen Vorwort der beiden 1986 geborenen, in Geschichte, Latein, Altgriechisch und Deutsch in Marburg und Innsbruck bzw. in Geschichte und Deutsch in Münster ausgebildeten Verfasser viele Stellen noch brach. Insbesondere enden die meisten Untersuchungen zu dem zwanzigsten Jahrhundert nach ihren Erkenntnissen mit dem Jahre 1945 oder betrachten die frühe Zeit nach dem zweiten Weltkrieg allenfalls als historisches Nachspiel des vorausgegangenen Geschehens. Diesen Einschränkungen wollen die Verfasser ansprechend in mehrfacher Weise entgegenwirken und dabei die besondere Verfasstheit des archivarischen Berufsstands zwischen Geschichtswissenschaft, Verwaltung und sich verwissenschaftlichender Archivistik als Chance ergreifen.

 

In diesem ermutigenden Rahmen schildern sie-  unter der interessanten Frage, was von Preußen nach seinem totalen Ende an dem 25. Februar 1947 vielleicht in dem Archivwesen blieb - nach einer kurzen Einleitung die Ereignisse während der ersten Jahre, in denen es um ein Rennen um die Archivschulgründung und die Gefahr ihres Scheiterns ging und der Berufsstand der wissenschaftlichen Archivare zwischen Konflikt und Solidarität schwankte. Hieran schließt sich die Betrachtung der unterschiedlichen Konzepte an, die von dem Institut für Archivwissenschaft in Berlin-Dahlem (1930-1945) mit dem Ideal der Archivverwaltung Preußens über das Institut für Archivwissenschaften und geschichtliche Quellenkunde in Münster und die bayerische Archivschule in München bis zu der Marburger Archivschule und eine Archivarausbildung ohne Archivschule und nur über Volontariate und Lehrstühle reichen. Die dabei getroffenen Entscheidungen haben in der Folge das deutsche Archivwesen wesentlich geprägt, auch wenn die Verfasser besonders darauf hinweisen, dass der Umstand, dass die Gründungsgeschichte der Archivschule in Marburg und der damit verbundene Wiederaufbau des westdeutschen Archivwesens bislang nicht als Auseinandersetzung wahrgenommen wurde, zeige, wie tragfähig der nach außen getragene Schein unbeschränkter Solidarität war und noch immer ist.

 

Innsbruck                                                       Gerhard Köbler