Kellermann, Sonja Daniela, Carl Wilhelm Pauli (1792-1879).

Ein bemerkenswerter Lübecker Jurist im 19. Jahrhundert (= Rechtshistorische Reihe 489). Lang, Berlin 2020. 232 S. Angezeigt von Gerhard Köbler. ZIER 10 (2020) 52. IT

Lübeck hat in der deutschen Rechtsgeschichte einen besonderen Rang, der bereits dadurch gekennzeichnet wird, dass die in der zweiten Hälfte des 11. Jahrhunderts erstmals erwähnte Siedlung an der Trave, die nach Verlegung und bedeutender Förderung durch Heinrich den Löwen 1226 Reichsstadt wird, 1225 ihr Recht lateinisch und um 1240 mittelniederdeutsch aufzeichnet. Die von ihr geschaffenen Sätze werden in dem Gefolge der zunehmenden Handelstätigkeit allmählich als lübisches Recht auf etwa hundert andere Städte wie Rostock, Wismar, Kiel, Stralsund, Elbing, Reval oder Memel übertragen. Auch wenn die umliegenden Landesherren die Appellation nach Lübeck in der Neuzeit mehr und mehr verbieten, gilt das revidierte lübeckische Stadtrecht von 1586 doch bis zu der Ablösung durch das Bürgerliche Gesetzbuch des Deutschen Reiches von 1900.

 

Die vorliegende, von Rudolf Meyer-Pritzl betreute, von der Dr.-Carl-Böse-Stiftung geförderte und 2019 von der juristischen Fakultät der Universität Kiel angenommene Untersuchung der an der Universität Heidelberg und in dem Landgerichtsbezirk Lübeck ausgebildeten Verfasserin widmet sich einem bedeutenden Lübecker Juristen des 19. Jahrhunderts. Sie ist nach einer kurzen Einleitung in sechs Sachabschnitte gegliedert. Diese betreffen Herkunft, Kindheit und Jugendzeit, Studium und Teilnahme an den Befreiungskriegen, den beruflichen Einstieg als Advokat und Notar, die Tätigkeit als Sekretär an dem Oberappellationsgericht der vier freien Städte Lübeck, Hamburg, Bremen und Frankfurt am Main und den von Georg Arnold Heise beeinflussten außergewöhnlichen Aufstieg zu einem Rat dieses bedeutenden Gerichts.

 

Aus einer verarmten Kaufmannsfamilie kommend förderte seine gesellschaftliche Umgebung seine besondere Aufgeschlossenheit für vielfältige Anliegen der Allgemeinheit. Über seine berufliche, anstrengende Tätigkeit hinaus öffnete er sich für zahlreiche rechtsgeschichtliche Fragestellungen und engagierte sich auch durchaus in allgemeinpolitischen Richtungen. Allerdings kann die archivalische Quellen einschließlich der Personalakten Paulis und zahlreicher Prozessakten zivilrechtlicher wie strafrechtlicher Natur einbeziehende, sorgfältig ermittelnde und einleuchtend wertende Verfasserin auch unmoderne und unsoziale Züge bei Carl Wilhelm Pauli feststellen, die ihn doch insgesamt als deutlich zeitgebunden erscheinen lassen.

 

Innsbruck                                                       Gerhard Köbler