Kiehnle, Arndt, Das Öffentliche im Privaten.
Der anscheinend seit 1884 in der deutschen Rechtssprache nachweisbare öffentliche Glaube ist das Vertrauen der Allgemeinheit in ein öffentliches Register wie etwa das Grundbuch oder das Handelsregister bzw. die Richtigkeit der dortigen Eintragungen. Diese Register gewähren in den Anfängen nur einen Beweisvorteil in einem Streit um Grundstücksrechte. Seit dem 18. Jahrhundert, in Preußen seit 1783, ermöglichen sie allmählich den gutgläubigen Erwerb von Rechten, obwohl der Veräußerer keine Berechtigung hat, aber in einem Register als Berechtigter eingetragen ist und der Erwerber diesen Schein für Recht hält.
Mit diesem öffentlichen Glauben beschäftigt sich die vorliegende schlanke Monographie des in Ebingen 1973 geborenen, ab 1997 in der Rechtswissenschaft an der Universität Tübingen ausgebildeten, nach der ersten juristischen Staatsprüfung 2001 bei Jan Schröder als wissenschaftlicher Mitarbeiter und nach der zweiten juristischen Staatsprüfung und der Promotion über den Erwerb kraft öffentlichen Glaubens in der württembergischen Pfandgesetzgebung von 1825/1828 und im Bürgerlichen Gesetzbuch als wissenschaftlicher Assistent tätigen, 2011 mit der bisher unveröffentlichten Habilitationsschrift über Bereicherungsausgleich wegen gesetzlich angeordneten Rechtsverlusts für bürgerliches Recht, deutsche Rechtsgeschichte, Handelsrecht und Rechtsvergleichung habilitierten und nach Lehrstuhlvertretungen in Gießen und Erlangen-Nürnberg seit dem Wintersemester 2013/2014 an der Universität Bochum tätigen Verfassers, der in seinem Vorwort darlegt, dass seine Überlegungen zum „Öffentlichen“ des öffentlichen Glaubens nicht aus dem Nichts entstanden sind und an erster Stelle seinem akademischen Lehrer für sein unerreichbares Vorbild dankt. Gegliedert ist die wohl auf die Dissertation zurückgehende Untersuchung in insgesamt 12 sachliche Abschnitte. Sie beginnen mit dem Begriff „öffentlicher Glaube“ in dem heutigen deutschen Recht und führen bis zu der Gegenüberstellung von Eintragungsgrundsatz und öffentlichem Glauben.
Auf diesem Wege untersucht der Verfasser den Begriff öffentlicher Glaube im heutigen deutschen Recht, stellt unterschiedliche Bedeutungen für die Änderung der materiellen Rechtslage auf Grund öffentlichen Glaubens und die Vermutungswirkung des öffentlichen Glaubens fest, fragt danach, was den Glauben öffentlich macht, behandelt die fides instrumentorum als Beweiskraft von Urkunden in dem mittelalterlichen und neuzeitlichen Recht, widmet sich den Bedeutungen von öffentlich und publicus in der Neuzeit, den Wertpapieren öffentlichen Glaubens, der fides hastae als öffentlichem Glauben der öffentlichen Versteigerung, dem öffentlichen Glauben öffentlicher Bücher und dem öffentlichen Glauben des Erbscheins. In seinem Ergebnis gelangt er zu der Erkenntnis, dass öffentlicher Glaube in seinen diversen Facetten zwingend die Dokumentation durch dazu legitimierte, nicht zwangsläufig hoheitlich handelnde Personen erfordert, während er mit der Öffentlichkeit in dem Sinne allgemeiner Zugänglichkeit nur tatsächlich häufig zusammentrifft. Für die dargestellte, von ihm schon chaotisch genannte Vielfalt hält er ansprechend eine grundsätzliche Systematisierung durch den Gesetzgeber und vordringlich die Rechtswissenschaft für geboten und plädiert abschließend für eine Verrechtlichung der Rechtsgeschichte, damit Rechtsgeschichte und Rechtsdogmatik als geschichtliche Rechtswissenschaft auch heute Hand in Hand gehen.
Innsbruck Gerhard Köbler