Ekkehart IV. St. Galler Klostergeschichten (Casus sancti Galli),
Südlich des Bodensees wurde bei der schon in dem Altertum einsetzenden Christianisierung der Germanen und ihrer Nachfolgevölker um 612 eine Zelle des heiligen Gallus errichtet, aus der 719 ein Kloster erwuchs. Dieses wurde in dem Frühmittelalter einer der bedeutendsten Bildungsorte des fränkisch–deutschen Reiches, dem zwischen 760 und 950 etwa 500 Konventuale angehörten, von denen etwa ein Viertel auch als Urkundenschreiber tätig war. Der um 980 geborene, von Notker Labeo an der Klosterschule Sankt Gallen ausgebildete Ekkehard, der von 1022 bis 1031 unter Erzbischof Aribo die Domschule in Mainz und danach bis zu seinem Tode nach 1057 die Klosterschule Sankt Gallen leitete, führte die von Ratpert begründete Klosterchronik Casus sancti Galli von etwa 890 bis 972 fort, übersetzte Ratperts Lobgesang auf den heiligen Gallus in die lateinische Sprache, überarbeitete eine Vita Walthari manufortis Ekkehards I. und stellte um 1030 für den Schulgebrauch eine Gedichtsammlung unter dem Titel Liber benedictionum zusammen.
Nach dem Vorwort Ernst Tremps hat die vorliegende Neuausgabe der 1829 erstmals kritisch von Ildefons von Arx (1755-1833) edierten Casus sancti Galli eine lange und bewegte Geschichte. Die Aufgabe wurde zunächst dem 1954/1955 als Stipendiat an dem Münchener Institut der Monumeneta Germaniae Historica weilenden Schweizer Historiker Hanno Helbling (1930-2005) übertragen, der 1956 seinen Landsmann Hans Frieder Haefele (1925-1997) beizog, wobei damals mit dem Abschluss des Ganzen in etwa einem Jahr gerechnet wurde. Trotz umfangreicher Vorarbeiten einschließlich einer 1980 vorgelegten, inzwischen in fünfter Auflage vorliegenden deutschen Übersetzung mit parallelem Textdruck konnte er an dem 1. Oktober 1997 nur ein in weiten Teilen erarbeitetes, aber bei weitem noch nicht vollendetes Werk hinterlassen, so dass die Zentraldirektion der Monumenta 1999 Ernst Tremp in Freiburg im Üchtland den Abschluss übertrug, der ein Jahr später zu dem Direktor der Stiftsbibliothek Sankt Gallen berufen wurde. Zusammen mit Franziska Schnoor ist ihm diese Aufgabe in den anschließenden zwanzig Jahren in beeindruckender Weise gelungen.
Dem Text geht eine umfangreiche Einleitung des Herausgebers über den Verfasser und seine Werke, die Casus sancti Galli einschließlich ihrer Quellen und Vorlagen sowie ihres Fortlebens und ihrer handschriftlichen Überlieferung voraus. Danach sind parallel lateinischer Text und deutsche Übersetzung der insgesamt 147 Kapitel abgedruckt. Fünf Register der Handschriften, Stellen, Initien, Namen und etwa 4500 Lemmata von a solis occasu bis zelator und wohl ein Dutzend volkssprachlicher Ausdrücke von auwê bis picchin und wê schließen die ansprechende Arbeit benutzerfreundlich für jedermann auf Dauer bestmöglich auf.
Innsbruck Gerhard Köbler