Sächsisch – magdeburgisches Recht in Tschechien und in der Slowakei,

Untersuchungen zur Geschichte des Rechts und seiner Sprache, hg. v. Bily, Inge/Carls, Wieland/Gönczi, Katalin u. a. (= Ius saxonico-maideburgense in Oriente 5). De Gruyter, Berlin 2021, XI, 685 S., 2 Karten im Anhang. Besprochen von Ulrich-Dieter Oppitz. ZIER 10 (2020) 00. IT

Das Projekt der Sächsischen Akademie der Wissenschaften ‚Das sächsisch-magdeburgische Recht als kulturelles Bindeglied zwischen den Rechtsordnungen Ost- und Mitteleuropas‘ wird Ende 2020 auslaufen. Der vorliegende Band ist in 11 Kapitel gegliedert, in denen nach der Einleitung der Rechtstransfer analysiert wird. Katalin Gönczi arbeitet heraus, dass der Rechtstransfer des sächsisch-magdeburgischen Rechts nicht in der Zeit der Entstehung der Städte und bei der Bestätigung der Siedlerfreiheiten erfolgte, sondern erst zu der Zeit, als die Stadtrechte schriftlich niedergelegt wurden. Im Königreich Ungarn wurde das Recht von Stadt zu Stadt übernommen. Die ‚Zipser Willkür‘ als Verschriftlichung des Rechts der Zipser Sachsen war ein Ausfluss der ‚Regionalautonomie‘. Verschiedene ihrer Regelungen sind dem sächsisch-magdeburgischen Recht nahe gestaltet, andere Einflüsse kamen aus dem benachbarten Polen (Kleinpolen). Für ihre Untersuchung (S. 11 - 76) hat Gönczi die Rechtstexte ausgewertet, die eine enge Verbindung zum sächsisch-magdeburgischen Recht aufweisen. Carls gibt in seinem Forschungsüberblick zu den Quellen (S. 77 – 98) eine umfangreiche Aufstellung der Handschriften des Sachsenspiegels (deutsch und lateinisch), welche sich in Tschechien befinden, da ihm in der Slowakei keine Belege bekannt sind. Ausführlich beschreibt er die Überlieferung der Handschriften des ‚Sächsischen Weichbilds‘, von dessen deutscher Fassung lediglich drei Handschriften, ein Auszug und zwei Handschriften in Tschechien vorhanden sind; vier Handschriften in mitteltschechisch sind erhalten, von denen drei Handschriften die Glosse beigefügt ist. Das unikal überlieferte ‚Silleiner Rechtsbuch‘ und die Kurzbeschreibung der 19 Textzeugen der ‚Zipser Willkür‘, von denen sich 17 in der Slowakei, eine in Ungarn und eine in Rumänien befinden, runden die Darstellung ab. Inge Bily bringt anschließend eine ausführliche Wortanalyse einer deutschen und einer tschechischen Handschrift des ‚Sächsischen Weichbilds‘ (S. 135 – 396). Diese monographieartige Untersuchung wird dem Forschungsthema beispielgebend gerecht. Durch Erkenntnisse, welche die Verfasserin bei der Analyse der ‚Magdeburger Urteile‘ im Polenband des Unternehmens gewinnen konnte, wird die sprachliche Untersuchung nicht nur bilateral angelegt, sondern sie gewinnt durch die polnischen Beispiele eine grenzüberschreitende Dimension. Wenn die Verfasserin einleitend betont, sie strebe an, rechtshistorische, siedlungshistorische und sprachhistorische Fragestellungen in ihre Untersuchung einzubeziehen, so kann ihr bestätigt werden, dass ihr dies sehr gelungen ist. Nicht ihr ist es anzulasten, dass in ihrer Untersuchung nicht die Arbeiten von Václav Bok u. a.: Glossar des älteren Deutsch zu böhmischen Quellen. Olomouc 2014, und die Edition der tschechischen Fassung des ‚Meißner Rechtsbuchs‘ durch V. Spacil und L. Spacilova (Olomouc 2018) berücksichtigt werden konnten. Die Untersuchung wäre sicher bereichert worden, jedoch blieben die getroffenen Aussagen wohl kaum berührt. In ihren begleitenden Literaturangaben wird deutlich, in welchem Umfange sprachliche Untersuchungen von Rechtstexten in Tschechien bearbeitet werden, das Defizit vergleichbarer deutscher Untersuchungen deutscher Rechtstexte erscheint beschämend. In den anschließenden Verzeichnissen hat das deutsch-tschechisch-polnische Wörterverzeichnis der Rechtstermini und der Rechtsquellen (S. 403 – 456) den Wert eines eigenen Lexikons. Marija Lazars ‚Linguistische Forschungen zum Sächsisch – magdeburgischen Recht in der Slowakei‘ (S. 457 – 516) wertet das ‚Silleiner Stadtrechtsbuch‘ und einzelne Stadtbücher aus. Mit einem Computer-Modell hat die Verfasserin die Rechtstermini in ihrer archaisch-historischen Semantik für die kontrastive Wortanalyse erfasst und in einem digital verfügbaren Wörterbuch bereitgestellt (https://smr.saw-leipzig.de/woerterbuch.html). Ein Quellen- und Literaturverzeichnis (S. 535 – 634) und ein Register (S. 635 – 685) schließen den Band ab. Zur weiteren Präsentation der Ergebnisse des Forschungsprojektes sind ein Band zum sächsisch-magdeburgischen Recht in Weißrussland und Litauen in Bearbeitung und ein Band zum sächsisch-magdeburgischen Recht in der Ukraine und in Russland in Planung. Ein weiterer Band wird als Bestandsaufnahme und Perspektiven der Forschung die Ergebnisse der internationalen Tagung vom 14./ 15. 11. 2018 darstellen.

 

Neu-Ulm                                                                                                       Ulrich-Dieter Oppitz