Brück, Alexandra, Die Polizeiordnung

Herzog Christians von Braunschweig-Lüneburg vom 6. Oktober 1618 (= Rechtshistorische Reihe 276). Lang, Frankfurt am Main 2003. IX, 288 S. Besprochen von Wilhelm Brauneder.

Brück, Alexandra, Die Polizeiordnung Herzog Christians von Braunschweig-Lüneburg vom 6. Oktober 1618 (= Rechtshistorische Reihe 276). Lang, Frankfurt am Main 2003. IX, 288 S.

 

Die Hamburger Dissertation vermehrt unsere Kenntnisse um das Polizeyrecht, speziell um Polizeyordnungen, und damit zu einem wesentlich höheren Grade als die damalige gemeinrechtliche Literatur auch unsere Einsichten in das tatsächliche Rechtsleben. Generell sollte man nicht, wie die Verfasserin, bloß sagen, die Polizeyordnungen wollten nur „zahlreichen Mißständen" entgegen wirken (1), sie waren Teil der Rechtsordnung des Landes schlechthin. Eingang fand aber dennoch meistens das, was als besonders regelungsbedürftig erschien. Daraus eben ergeben sich auch Schlüsse auf die Rechtswirklichkeit. Die Verfasserin zeigt dies unter anderem in der Abschaffung der Sondererbfolge insbesondere in das Heergerät und die Gerade (204ff.). Im Wesentlichen entspricht die Polizeyordnung 1618 mit ihrer üblichen Gemengelage von Organisations-, Verwaltungs-, Straf- und Privatrecht dem üblichen Typ mancher Polizey - wie auch Landesordnungen, was nicht nur ihr Inhalt, sondern auch ihr interessanter selbstgewählter Stellenwert als „Wiederhol- und Erneuerung des Heiligen römischen Reichs Polizey-Ordnungen" (251) erhärtet. Wie etwa in den österreichischen Polizeyordnungen haben schon vorhandene (Teil-)Ordnungen Aufnahme gefunden, hier eine „Holz-Ordnung“, und so wie dort lassen sich auch hier in etwa einzelnen Bestimmungen zu derartigen Teil-Ordnungen zusammenfassen, was die Verfasserin z. B. in den Kapiteln „Aufrechterhaltung der öffentlichen Sicherheit“ oder „Gewerbe- und Wirtschaftspolizei“ sinnvoll unternommen hat. Sie begnügt sich hier aber keineswegs mit der bloßen Wiedergabe des Gesetzesinhalts, sondern beschreibt den entsprechenden Regelungskomplex über die Polizeyordnung hinaus. Dies alles macht den verdienstvollen Hauptteil der Arbeit aus.

 

Zu knapp geraten ist als Nebenprodukt die Einbettung in die allgemeine Entwicklung der Polizeyordnungen beziehungsweise des Polizeyrechts überhaupt; zahlreiche einschlägige Literatur fehlt. Das macht sich punktuell auch anderswo bemerkbar, etwa zur oben beispielhaft erwähnten Sondererbfolge und auch zum Ehegüterrecht. Hier (201ff.) haben wir übrigens den klassischen Fall vor uns, daß die Polizeyordnung bewußt dem gemeinen Recht widerspricht, und zwar deshalb, weil sie der Vertragspraxis den Vorzug gibt (203).

Unterbelichtet ist die Quelle als solche, nicht nur deshalb, weil sie nicht beschrieben ist, so daß die Regelungsdichte unklar bleibt, sondern vor allem auch in Hinblick auf das Verhältnis zu der Vorgänger-Ordnung von 1564 (43), wenngleich auf sie ab und an Bezug genommen wird (z. B. 132).

 

Insgesamt gilt jedenfalls das eingangs Gesagte. Es wäre nun auch aufgrund dieser schönen Arbeit keine Utopie mehr, eine zumindest vorläufige Gesamtschau über die Polizeyordnungen im Reich zwischen Nord- und Ostsee sowie Adria ins Auge zu fassen.

 

Wien                                                                                                             Wilhelm Brauneder