Teumer, Gabriele, Ohne Haar und ohne Würde –

Oschatzer Frauenschicksale im Nationalsozialismus 1940 – 1945 (= Oschatzer Geschichte(n) 14). Oschatz 2020, 74 S., 59 Abb. Besprochen von Ulrich-Dieter Oppitz. ZIER 11 (2021) 78. IT

Teumer, Gabriele, Ohne Haar und ohne Würde – Oschatzer Frauenschicksale im Nationalsozialismus 1940 – 1945 (= Oschatzer Geschichte(n) 14). Oschatz 2020, 74 S., 59 Abb. Besprochen von Ulrich-Dieter Oppitz.

 

Der Oschatzer Geschichts– und Heimatverein e. V. gab eine kleine Schrift heraus, die Beachtung verdient. Aus französischen Städten sind nach dem Abzug der deutschen Besatzer Bilder bekannt, auf denen Französinnen, die zu engen Kontakt mit Angehörigen der Besatzungsmacht hatten, kahlgeschoren durch die Straßen getrieben wurden. Wenig bekannt ist, dass es auch im Deutschen Reich derartige Ereignisse gab. Mindestens aus den Städten Rotenburg/Wümme und Bexbach/Blies ist bekannt, dass Frauen, die in den Jahren 1940/1941 Kontakt zu Zwangsarbeitern oder zu Kriegsgefangenen hatten, die Haare abgeschoren wurden. Danach wurden sie dem Hohn der Bevölkerung ausgesetzt, bevor sie anschließend strafrechtlich verurteilt wurden. Das Scheren der Haare geschah oft auf Initiative örtlicher Leiter der Staatspartei. Ähnliches wurde in der sächsischen Stadt Oschatz verübt. Am 19. September 1940 wurde eine Frau, die in der Landwirtschaft tätig war, nach ihrer Festnahme am Vortag, in den Pranger am Rathaus am Oschatzer Marktplatz geführt und dort zwischen 11 Uhr und 14 Uhr auf Veranlassung des örtlichen, amtierenden Kreisleiters Max Albrecht dem Hohn der Bevölkerung ausgesetzt. Sie hatte zugegeben mit einem polnischen Kriegsgefangenen, der auch in der Landwirtschaft tätig war, näheren Kontakt gehabt zu haben. In einem Bericht des Sicherheitsdienstes der SS aus Oschatz an die vorgesetzte Stelle in Leipzig vom selben Tage heißt es: „Das Stadtbild war ab 9 Uhr bereits verändert und bis 11 Uhr sammelten sich unzählige Menschen vor dem Oschatzer Rathaus an, die diese ehrlose deutsche Frau sehen wollten. Mit dem Glockenschlag 11 Uhr erschien dann die N. N. mit glatt geschorenem Kopf und wurde unter dem spontanen Pfuigeschrei der anwesenden Menschenmenge in den umgitterten Pranger gesetzt.“ Am Pranger war ein Plakat aufgehängt: „Ich bin als deutsche Frau ehrlos gewesen, indem ich Verkehr und Umgang mit Polen gesucht und gehabt habe. Dadurch habe ich mich selbst aus der deutschen Volksgemeinschaft ausgeschlossen“. Die Verfasserin schildert das Leben der Frau vor und nach diesem Ereignis mit vielen interessanten Details. Die Frau verstarb 2003 im Alter von 91 Jahren. Eine weitere Frau, die Anfang November 1940 auf Grund einer Denunziation verhaftet worden war, wurde Anfang November 1940 verhaftet und, ebenfalls auf Veranlassung von Albrecht, kahlgeschoren im Pranger der öffentlichen Verachtung ausgesetzt. Mit Urteil des Sondergerichts Leipzig vom 2. 12. 1940 wurde sie zu einer Zuchthausstrafe von drei Jahren verurteilt. Da einem Kriegsgerichtsrat in dem späteren Verfahren gegen den französischen Kriegsgefangenen Vorgänge unplausibel erschienen, wurde der Fall gründlicher untersucht. Dabei wurde gefunden, dass ein Oschatzer Polizist entscheidende Falschangaben gemacht hatte. Die Verurteilung der Frau wurde aufgehoben und der Kriegsgefangene wurde nicht verurteilt. Möglicherweise gab es in Oschatz in dieser Art weitere Zurschaustellungen im Pranger. Angeblich soll im November 1941 aufgrund einer Anweisung von Heinrich Himmler als Chef der Deutschen Polizei eine Zurschaustellung dieser Art „wegen des negativen Echos in der Bevölkerung“ verboten worden sein. Die Verfasserin hat weitere Ergebnisse ihrer Forschung 2021 in der Zeitschrift „Signa Ivris“ veröffentlicht. Zu begrüßen ist, dass auf diesem Wege an das Schicksal der Frauen erinnert wurde.

 

Neu-Ulm                                                                                                       Ulrich-Dieter Oppitz