Burda, Max, Die Zweckbindung im Urhebervertragsrecht.

§ 31 Abs. 5 UrhG im Wandel der Zeit (= Geistiges Eigentum und Wettbewerbsrecht 155). Mohr Siebeck, Tübingen 2020. 337 S. Besprochen von Albrecht Götz von Olenhusen. ZIER 11 (2021) 09. IT

Die bedeutsame Zweckbindungsregel, nach welcher sich die urheberrechtliche Rechtseinräumung im Zweifel nach dem Vertragszweck richtet, hat zu Anfang der 1920er Jahre der bekannte Urheber- und Filmrechtler Wenzel Goldbaum entwickelt. Ihre Entstehung, Geltung, dogmatische und rechtspraktische Bedeutung steht im Mittelpunkt der weit ausgreifenden, subtilen Studie, einer von Artur-Axel Wandtke (HU Berlin) betreuten Dissertation (2019). Die Arbeit zielt darauf ab, die Dogmatik des Zweckbindungsgedankens in § 31 Abs. 5 UrhG im Hinblick auf Bestrebungen modernen Urhebervertragsrechts als sozioökonomisch legitimiertes Schutzkonzept kritisch zu befragen und für Rechtsanwendung und Rechtspolitik produktiv nutzbar zu machen. Die von dem Verfasser in ihren historischen Entstehungsvoraussetzungen präsentierte „Auslegungsregel“ wird von dem Reichsgericht in wegweisenden Entscheidungen weitgehend rezipiert und von dem Bundesgerichtshof mit etwas anderer Akzentuierung und partieller Fortentwicklung übernommen. Sie findet in dem Gesetz von 1965 nach einigem Hin und Her dank des segensreichen Einflusses Reimers ihre normative Festlegung.

 

Bei der Relation von Zweckbindung zum Arbeitnehmerurheberrecht (§ 43) folgt der Verfasser kurzerhand der herrschenden Lehre: Präjudizierung durch „Wesen und Inhalt“ des Rechtsverhältnisses. Hier soll der Betriebszweck alle Mittel heiligen. Allerdings sind die Urheberklauseln in arbeitsrechtlichen Tarifverträgen nicht derart umfassend wie in dem Vertragsrecht. Sie orientieren sich meist enger an konkreten Betriebszwecken. Im Arbeitnehmer-Urheberrecht werden zudem die Inkongruenzen und Zielkonflikte der differierenden Systeme – Urheberrecht, Arbeitsrecht, Vertrags- und Vergütungsrecht – offenbar. Sie lassen sich durch primär betriebsorientiertes Verständnis von § 31 Abs. 5 nicht einebnen. Die von Burda präferierte Abgeltungslehre, wonach mit dem Gehalt alle weitergehenden Rechte abgegolten sein sollen, läuft - gegen die Vergütungsansprüche der §§ 32ff. - auf ein buy-out-System in einem Arbeitsrecht der möglichst weit gefassten Arbeitgeber- und Unternehmensinteressen hinaus.

 

Der Gesetzgebungsgeschichte, dem Wandel des „Umfelds“ der Norm und den wesentlichen Problemfeldern gelten weitere tiefgreifende Abschnitte. Die Bedeutung für die Kontrolle von Allgemeinen Geschäftsbedingungen und für die Behandlung unbekannter Nutzungsarten wird scharfsinnig analysiert. Die seit langem diskutierten Defizite der Judikatur und die folgenlosen Divergenzen zwischen einer traditionshörigen Rechtsprechung und gewichtigen abweichenden Meinungen der Rechtswissenschaft treten einmal mehr zutage. Folgerichtig schließt sich eine sachkundige Darstellung aktueller Reformdebatten an.

 

Die grenzüberschreitende Szenerie in dem Urheberrecht muss das internationale Privatrecht einbeziehen. Die hier konstatierte Rechtswahlfreiheit, dem Urheberschutz zuwiderlaufend, müsse künftig durch ein einheitliches EU-Urhebervertragsrecht oder global erhöhte Vertragsschutz-Standards verändert werden.

 

Ist schon die rechtshistorische Entwicklung, auch in der dogmatischen Verfeinerung, höchst

erhellend, so lässt sich die an sich positive Intention des Gesetzgebers, die Zweckbindungsregel 1965 explizit als Schutznorm zu etablieren, nämlich durch die Transformation der bloßen Auslegungsregel in eine zwingende Norm den Urheber-Schutz zu erhöhen, deutlich erkennen. Diese rechtspolitische Grundsatzentscheidung hat sich praktisch allerdings wenig realisiert.

 

Das für ökonomische Besserstellungen maßgebliche Urhebervertragsrecht blieb rechtspolitisch das unbeachtete Stiefkind von Rechtspolitik und Rechtspraxis. Womöglich hätte es sich im Gesamtzusammenhang der Untersuchung gelohnt, manchen ideologischen Prämissen oder den Einflüssen organisierter Interessen bis hin zu direkten Lobbys bei der Zuweisung immateriellen Eigentums und ihrer Nutzungspotentiale näher und direkter nachzugehen.

 

Die vertragsrechtliche Reform von 2002 lief bei § 31 Abs. 5 im Ergebnis nicht auf eine wesentliche materielle Rechtsänderung, sondern auf eine Erfassung der von der Judikatur bereits anerkannten Fallgruppen hinaus (S. 50 ff.).

 

Mit der Darstellung der in mehr als einem halben Jahrhundert veränderten Marktbedingungen und Vertragspraktiken (Kapitel 3 stellt insofern ein besonderes Juwel der Arbeit dar) tritt die Spezifizierungslast der Verwerter in punkto übertragene Nutzungsrechte als eigensüchtige Spezifierungs-Lust in Erscheinung. Der Scheingewinn an Transparenz vermag die Vertragsdisparität nicht auszugleichen. Der normative Befund ist nicht dazu angetan, angesichts von Konzentration und Konvergenz im Markt den materiellen Schutz des Urhebers zu verbessern. Den weitgehenden Rechtsübertragungen entsprechen, wie die Erfahrung lehrt, selten reale Auswertungen, geschweige denn Ausübungs-Pflichten.

 

Mit der Privilegierung der Verwerter bei unbekannten Nutzungsarten wurde das Ungleichgewicht in der Folge noch verschärft. Den vom Gesetzgeber mühselig entwickelten Vergütungskonzepten fehlt nach wie vor die Effektivität (S. 165). Die Judikatur des Bundesgerichtshofs, die Formularverträge und Allgemeine Geschäftsbedingungen weitgehend kontrollfrei lässt und § 31 Abs. 5 auf eine bloße Transparenznorm jenseits von Gerechtigkeitspostulaten reduziert, steht auch in diesem Punkt einem durchgreifenden Urheberschutz diametral entgegen. Urheberrechtliche Leitbilder, normativ intendiert, verblassen so gesehen zu bloßen Schimären. Der Verfasser versteht mit typologischer Einordnung § 31 Abs. 5 als positiv zwingende Inhaltsnorm, als Ausdruck grundlegender gesetzlicher Interessenwertung.

 

Eine sehr differenzierte Darstellung der ausgiebigen, wenn auch rechtspolitisch bislang noch wenig ertragreichen Reformdebatten akzentuiert Grundprinzipien der Rechtesouveränität und Rechte-Sicherung, der Rechtetransparenz, der Rechtebeschränkung und Vergütungssicherung. Burdas Thesen setzen auf ein duales Konzept von Rechte-Rückbehalt und Vergütungssicherung. Sie bedürfen allerdings auch Vorgaben zur kollektivrechtlichen Realisierung angemessener Vergütungen.

 

Das gleichermaßen differenzierte Schlusskapitel widmet sich zu Recht dem europäischen Ausblick. Die Tendenz läuft auf eine notwendige urhebervertragsrechtliche Harmonisierung hinaus. Wenzel Goldbaums Appell von 1920 - „Die deutschen Urheber, ihre Not – ihre Rettung“ – könnte nach 100 Jahren mutatis mutandis auf der Basis solcher luziden akademischen Analysen wie der von Max Burda neu belebt auch als notwendiger Weckruf an den Gesetzgeber verstanden werden. Der müsste sich jedoch nicht nur als gehorsamer Vollstrecker ausgehandelter EU-Richtlinien begreifen.

 

Die präzise Analyse der Rechtsunterschiede in den Mitgliedstaaten von Österreich bis Irland und die Problemfelder der Reformvorschläge zur Überwindung der Disparitäten lassen Schwankungen zwischen einem den historischen Erfahrungen geschuldeten Pessimismus und der vagen Hoffnung des Autors auf die heilsame Wirkung des Grundgedankens in § 31 Abs. 5 in dem Europäischen Kontext erkennen. Vermutlich wird es mit einem solchen kraftvollen Federstrich allein gegen mangelnde Vertragsparität nicht getan sein Dieser letzte Einwand tut der gelehrten wie überzeugend systematischen Studie, die dogmatische Konturen im Zusammenhang mit kritisch betrachteter Entwicklungsgeschichte, ökonomischen Einsichten und notwendige Appelle an einen allzu gelähmt wirkenden Gesetzgeber allenthalben beherzigt, keinen Abbruch.

 

Düsseldorf                                                      Albrecht Götz von Olenhusen