150 Jahre Harrassowitz Verlag.

Der Mensch unterscheidet sich von allen ihm bekannten Lebewesen durch seinen Verstand, der es ihm trotz aller Unvollkommenheit ermöglicht hat, die Erde mehr und mehr mitzugestalten, wenngleich die Veränderungen zunehmend Verschlechterungen zu werden scheinen. In dem Rahmen dieses Verstands spielen die Gewinnung, die Ordnung und die Verwertung von Wissen eine wesentliche Rolle, die den Menschen zu Sprache, Schrift, Buch und Elektronik geführt haben. Für sie steht zwar das einzelne Individuum, das den jeweiligen entscheidenden Einfall haben muss, durchaus in dem Mittelpunkt, doch bleibt dessen Wirkung auf Dauer bescheiden, wenn nicht die weitere zwischenmenschliche Vermittlung durch Kommunikation hinzukommt, für die sich seit der Erfindung des Buchdrucks der Verlag auf Grund seiner geschäftlichen Erfahrung mit der Verwertung von Gedanken als zumindest bisher wesentlich, wenn nicht überhaupt entscheidend erwiesen hat.

In diesem Rahmen ist es sehr zu begrüßen, dass der Verlag Harrassowitz aus Anlass des 150. Jahrestags seiner Gründung an dem 1. Juli 1872 durch die beiden jungen Antiquare und Buchhändler Oscar Richter, der freilich bereits 1875 aus dem Unternehmen ausschied, und Otto Harrassowitz für sich und zugleich die Allgemeinheit einen kompakten Katalog der lieferbaren Titel der Gegenwart mit Beiträgen zu der Verlagsgeschichte und zu dem Programm geschaffen hat, obgleich die technische Entwicklung insgesamt eher in die digitale Richtung verläuft. Die fünf in Ermangelung einer durch eine Bombennacht in Leipzig von dem 4. Dezember 1943 ausgeschlossenen umfassenden Verlagsgeschichte besonders wertvollen Beiträge zu der Verlagsgeschichte stammen von Barbara Krauß, Steffen Schickling, Robert Gietz, Jens Fetkenheuer und Marlen Frieling. Sie betreffen 150 Jahre im Dienst der Wissenschaft, ein Lager für 4500 Titel oder 250 Tonnen Bücher, die Herstelleng, die Werbung und den Vertrieb (was nützte das originellste Werk, wenn niemand es zur Kenntnis nähme?) und die Schwierigkeit der Gestaltung eines Gesamtkatalogs.

Diesen sehr informativen Beiträgen folgen (ab Seite 37) Neuerscheinungen und (ab Seite 117ff.) der Katalog der lieferbaren Titel 2022 gegliedert nach Antike, Orientalistik, Slavistik & Osteuropa, Buch, Kultur & Geschichte, Handschriftenkataloge und – last not least – Monumenta Germaniae Historica, die insgesamt durch ein Verzeichnis der Beiträgerinnen und Beiträger zu dem Band und ein Personenregister (Seite 631ff.) abgerundet werden. Eröffnet wird der beeindruckend weitgespannte Überblick mit Gottesworten in Assiut und abgeschlossen mit Mittelalter lesbar machen (Festschrift 200 Jahre MGH). Möge die vorliegende Leistung dem Verlag zu weiterer Festigung seines besonderen Erfolgs dienen, damit durch ihn die Wissenschaft weiterhin erfolgreich gefördert werden kann.

Innsbruck                                                       Gerhard Köbler