Meixner, Franziska Maria, Gesundheitswesen im Großherzogtum Hessen-Darmstadt

im 19. Jahrhundert am Beispiel des oberhessischen Hinterlandes (bis 1866) (= Quellen und Forschungen zur hessischen Geschichte 188). Historische Kommission für Hessen, Marburg 2022. VIII, 328 S., Abb., Diss. med. Marburg 2020. Angezeigt von Gerhard Köbler. ZIER 12 (2022)53. IT

In den Anfängen des Menschen oblagen seine Gesundheit und ihre Wahrung in erster Linie ihm selbst und seinen nächsten Angehörigen, ohne dass sie dafür besonders geschult waren. Mit der Entstehung größerer Gruppen leisteten ihnen vermutlich weise Frauen und Männer mit mehr Erfahrung allmählich zusätzlich Beistand. Anscheinend erst seit den Hochkulturen des Altertums begann auch der Staat das Gesundheitswesen als eigene Aufgabe zu verstehen, mit deren Übernahme er zugleich neue zusätzliche Zuständigkeiten samt der damit verbundenen Macht gewann.

 

Mit einem örtlich und zeitlich begrenzten Ausschnitt dieses Gegenstands beschäftigt sich die von Irmtraut Sahmland betreute, an dem 22. September von dem Fachbereich Medizin der Universität Marburg angenommene Dissertation der Verfasserin, deren Erkenntnisinteresse auf die Analyse und Rekonstruktion der medizinischen Versorgung des Marburger Hinterlandes in der betrachteten Zeit, insbesondere durch die dort angestellten Physikatsärzte zielt. Sie schließt an eine 1988 vorgelegte Untersuchung Susanne Meyer-Brucks über die medizinische und soziale Situation der Bevölkerung der kurhessischen Provinz Oberhessen im 19. Jahrhundert an und stellt die Physikate Biedenkopf, Battenberg, Gladenbach und Vöhl Hessen-Darmstadts in den Mittelpunkt. Gegliedert ist sie zwischen einer kurzen Einleitung und einer Schlussbetrachtung in fünf Abschnitte, die nacheinander die Geschichte und politische Entwicklung Hessen-Darmstadts bis 1866, die Verwaltung des Gesundheitswesens, die medizinische Versorgung und das medizinische Personal (Ärzte, Chirurgen, Apotheker, Hebammen, Tierärzte, Heildiener, Krankenwärter, Hospitäler sowie nicht autorisierte Heiler oder Pfuscher), medizinische Topographien und epidemische Krankheiten (Scharlach, Fieber, Pocken) zu ihrem Gegenstand haben.

 

In ihrem überzeugenden Ergebnis kann die Verfasserin feststellen, dass der Versuch, in dem Großherzogtum Hessen durch organisatorische Reformen die Bevölkerung flächendeckend durch Ärzte zu versorgen, insgesamt erfolgreich war. Nach 1829 waren die Physikate fast durchgängig mit einem promovierten Arzt als Physikus und einem oft ebenfalls als Arzt ausgebildeten akademischen Physikatschirurgen besetzt, wenn auch einzelne sich nicht bewährende Maßnahmen wieder rückgängig gemacht werden mussten und wurden. Acht Supplemente etwa der Vorlesungsverzeichnisse oder der Physikatsärzte vor dem betrachteten Zeitraum und Verzeichnisse der Archivalien, Literatur, Abbildungen, Tabellen und Abkürzungen runden die weiterführende Arbeit, die als Hauptproblem die verbreitete Armut der betroffenen Menschen hervorhebt, ansprechend ab.

 

Innsbruck                                                       Gerhard Köbler.