Janicka, Danuta, O przestępstwach, karach i prewencji kryminalnej.

. Studia z najnowszej historii polskiego prawa karnego i nauki prawa [Über Verbrechen, Strafen und die Prävention von Kriminalität. Studien zur neuesten Geschichte des polnischen Strafrechts und der Rechtswissenschaft]. Wydawnictwo Uniwersytetu Mikołaja Kopernika, Torún 2021. 332 S. Besprochen von Inge Bily.

In dem vorliegenden Band, den die Autorin ihren Eltern widmet, fasst die polnische Rechtswissenschaftlerin und Rechtshistorikerin Danuta Janicka[1], Inhaberin des Lehrstuhls für die Geschichte der Politisch-Rechtlichen Doktrinen und des Deutschen Rechts im Fachbereich für Rechts- und Verwaltungswissenschaften an der Nikolaus-Kopernikus-Universität in Toruń/Thorn, 10 ihrer Studien zur neueren Geschichte des polnischen Strafrechts und der polnischen Rechtswissenschaft, die an unterschiedlichen Orten publiziert wurden, zusammen. Damit leistet sie nicht nur einen wesentlichen Beitrag zur Beschreibung der polnischen, sondern auch der europäischen Rechtsgeschichte, denn beide stehen in engem Zusammenhang, wie die Autorin an konkreten Beispielen, so u. a. an Rechtsideen, Rechtsgrundsätzen, Vorschriften und Kodifikationen nachweist.

 

Bereits sehr früh hat sich Danuta Janicka Untersuchungen zur Geschichte des Strafrechts zugewandt, und sie ist diesem Thema auch treu geblieben, ganz gleich, ob es sich um das Preußische Strafgesetzbuch von 1851[2], um das Strafrecht in den drei Fassungen des Kulmer Rechts im 16. Jahrhundert[3], um die Entwicklung der klassischen Schule der Strafrechtswissenschaft in Deutschland in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts[4], oder um die Geschichte des Kodifizierungsgedankens[5] handelt. So verwundert es nicht, dass sie zu den prominentesten Vertretern auf dem Gebiet der Geschichte des modernen Strafrechts in Polen und Europa gerechnet wird.

 

Danuta Janicka verbindet bei ihrer wissenschaftlichen Arbeit eigene Studien mit der Präsentation grundlegender Ergebnisse der polnischen rechtswissenschaftlichen Forschung und der rechtspraktischen Arbeit, knüpft dabei an die Erkenntnisse früherer Generationen polnischer Gelehrter an, stellt diese in einen gesamteuropäischen Kontext und leistet damit einen wesentlichen Beitrag zur Propagierung der Ergebnisse polnischer Forschungen zur neuesten Geschichte des polnischen Strafrechts und der Rechtswissenschaft.

 

Mühelos überwindet sie dabei Sprachbarrieren. So sind nicht nur alle Überschriften, die Einleitung wie auch die abschließende Zusammenfassung des Bandes in voller Länge dreisprachig, und zwar polnisch, englisch und deutsch, sondern jedem der 10 polnischsprachigen Aufsätze ist eine ausführliche englische und auch deutsche Zusammenfassung beigefügt, in denen der Leser über Zielstellung und Ergebnisse des jeweiligen Beitrags umfassend informiert wird. So wird eine schnelle, überaus effektive und dazu unkomplizierte Rezeption der Ergebnisse ermöglicht, was nicht zuletzt den internationalen wissenschaftlichen Austausch außerordentlich befördert.

 

Wenden wir uns nun dem zu besprechenden Band genauer zu: Auf Inhalts- (S. 7–8) und Abkürzungsverzeichnis (S. 9–11) folgt eine in polnischer, englischer und deutscher Sprache verfasste ausführliche Einleitung von Anna Tarnowska (S. 13–31). Darin wird der Leser nicht nur mit dem Inhalt des Bandes bekannt gemacht, sondern auch mit dem wissenschaftlichen Werdegang sowie der umfangreichen Publikations-, Lehr- und Tutorentätigkeit Danuta Janickas.

 

Es schließen sich die 10 Studien zu folgenden Themen an: Aksjologiczne priorytety polskiej doktryny prawa karnego w XIX w. (w systemach Maciejowskiego, Hubego, Budzińskiego i Krzymuskiego) [Axiologische Prioritäten der polnischen Strafrechtslehre im 19. Jahrhundert (in den Systemen von Maciejowski, Hube, Budziński und Krzymuski)] (S. 33–53), Hube – Makarewicz – Wolter. Trzy koncepcje karania na przestrzeni stu lat [Hube – Makarewicz – Wolter. Drei Konzeptionen der Bestrafung im Laufe von 100 Jahren] (S. 55–87), Makarewicz a Liszt. Próba analizy porównawczej [Makarewicz und Liszt. Versuch einer vergleichenden Analyse] (S. 89–117), Rozkwit doktryny prawa karnego w Polsce w dwudziestoleciu międzywojennym – ośrodki, uczeni, idee [Die Blüte der Strafrechtslehre im Polen der Zwischenkriegszeit – Zentren, Autoren, Ideen] (S. 119–141), O pionierach nauk kryminologicznych w Polsce [Pioniere der Kriminologie in Polen] (S. 143–170), O postępie badań nad historią nowoczesnej polskiej nauki prawa karnego [Über den Fortschritt in der Erforschung der Geschichte der modernen polnischen Strafrechtswissenschaft] (S. 171–189), Założenia kodyfikacji polskiego prawa karnego z 1932 r. [Grundlagen der Kodifikation des polnischen Strafrechts von 1932] (S. 191–214), Kodeks Makarewicza w opiniach niemieckich autorów [Die Rezeption des Strafgesetzbuches von Makarewicz im deutschen Sprachraum] (S. 215–233), Niebezpieczny przestępca w doktrynie prawa karnego przełomu XIX/XX w. [Der “Gefährliche Verbrecher” in der Doktrin des Strafrechts an der Wende zum 20. Jahrhundert] (S. 235–260) und O zwalczaniu żebractwa i włóczęgostwa w II Rzeczypospolitej (1918–1939). Studium historycznoprawne [Die Bekämpfung von Bettelei und Landstreicherei in der Zweiten Polnischen Republik (1918–1939): eine rechtshistorische Studie] (S. 261–292).

 

Den Abschluss des Bandes bilden ausführliche Schlussfolgerungen (ebenfalls polnisch, englisch und deutsch: S. 293–303), ein Verzeichnis der Erstdrucke der hier erneut abgedruckten Studien (S. 305–306) sowie eine Bibliographie (S. 307–332), untergliedert in: Quellen (S. 307–319) und Literatur (S. 320–332). Auch die Anmerkungen zu den Aufsätzen bieten reichlich Literatur, dazu ergänzende Bemerkungen.

 

Danuta Janicka arbeitet mit den hier zusammengefassten 10 Studien systematisch und gezielt Kapitel der polnischen Rechtsgeschichte auf, fasst den Stand der Forschung zusammen, macht auf das Wirken herausragender Vertreter des polnischen Rechtswesens aufmerksam und nennt die für das jeweilige Thema grundlegende Literatur. Dabei beleuchtet sie die Beziehungen zwischen polnischer und europäischer Rechtsgeschichte nicht nur ganz allgemein, sondern auch im Besonderen, indem sie z. B. die Zusammenhänge zwischen dem Rechtsdenken, den Rechtssystemen und auch den Kodifikationen erläutert. Die Desiderata der Forschung spricht sie ebenfalls an.

 

Auch wenn die Autorin in ihren 10 Studien das 19. Jahrhundert und den Anfang des 20. Jahrhunderts (bis zur Zwischenkriegszeit) in den Mittelpunkt stellt, erfolgen immer wieder gezielte Rückgriffe, besonders auf die Zeiten der polnischen Teilungen. Einen zweiten wesentlichen Aspekt bilden die Auswirkungen der polnischen Strafrechtsdoktrin aus dem 19. Jahrhundert „auf die moderne strafrechtliche Lehrmeinung und die übrigen mit dem Strafrecht verbundenen Wissenschaften“[6].

 

In ihren Ausführungen gibt Danuta Janicka immer wieder Einblicke nicht nur in die polnische Rechtsgeschichte, sondern besonders auch in die wechselvolle polnische Geschichte insgesamt, stellt den Zusammenhang zwischen der polnischen Geschichte und der Geschichte der Entwicklung der Universitäten, Hochschulen und anderer akademischer Einrichtungen her und verweist nicht zuletzt auf persönliche Lebenswege prominenter polnischer Rechtswissenschaftler und Juristen. Dabei würdigt sie sowohl die Tätigkeit polnischer Wissenschaftler, die ein umfangreiches Schrifttum schufen und u. a. auch in Kodifikationskommissionen mitwirkten, wie auch die Arbeit rechtswissenschaftlicher Verbände, die Orte reger juristischer Diskussionen waren. Besondere Beachtung schenkt Danuta Janicka dem 1932 in Kraft getretenen modernen polnischen Strafgesetzbuch, dem gesondert gefassten Ordnungswidrigkeitengesetz und der Verordnung gegen Bettelei und Landstreicherei von 1927.

 

Resümierend stellt die Autorin fest, dass die polnische Strafrechtswissenschaft zwar in der Epoche der Aufklärung ihren Ursprung nimmt, aber „erst im 19. Jahrhundert wurde das Strafrecht zu einem autonomen Teilbereich der Rechtswissenschaft. […] Ende des 19. Jahrhunderts begann für die Strafrechtsdoktrin eine Blütezeit“[7]. Und weiter betont sie, dass im wiedergeborenen Polen Kodifikationsarbeiten aufgenommen wurden, die mehrere moderne Gesetzbücher hervorbrachten. Abschließend unterstreicht Danuta Janicka: „Noch heute klingt manche These polnischer Strafrechtler, die vor 100 oder sogar 150 Jahren geäußert wurde, kreativ, fortschrittlich und treffend.“[8]

 

Dieser Band, in dessen Mittelpunkt die Geschichte von Kodifikationen des polnischen Rechts steht, ist Rechtshistorikern, Studierenden der Rechtswissenschaften wie auch den in der Rechtspraxis tätigen Juristen gleichermaßen zu empfehlen.

 

Leipzig                                                                   Inge Bily


[1] Danuta Janicka wurde als erster ausländischer Wissenschaftlerin im Jahre 2004 der Eike-von-Repgow-Preis der Otto-von-Guericke-Universität und der Stadt Magdeburg verliehen.

[2] Danuta Janicka, Kara pozbawienia wolności w pruskim kodeksie karnym z 1851 r. i w austriackiej ustawie karnej z 1852 r. Studium porównawcze [Die Freiheitsstrafe im preußischen Strafgesetzbuch von 1851 und im österreichischen Strafgesetz von 1852: ein vergleichendes Studium]. Acta Universitatis Nicolai Copernici. Prawo 26: 1988 (mit deutscher Zusammenfassung).

[3]Danuta Janicka, Prawo karne w trzech rewizjach prawa chełmińskiego z XVI wieku [Das Strafrecht in drei Revisionen des Kulmer Rechts vom 16. Jahrhundert]. Towarzystwo Naukowe w Toruniu, tom XIX. Studia Iuridica, z.1. Toruń 1992. 150 S. (mit deutscher Zusammenfassung).

[4]Danuta Janicka, Nauka o winie i karze w dziejach klasycznej szkoły prawa karnego w Niemczech w 1 połowie XIX wieku [Die Lehre von Schuld und Strafe in der Geschichte der klassischen Strafrechtsschule in Deutschland in der 1. Hälfte des 19. Jahrhunderts]. Wydawnictwo Uniwersytetu Mikołaja Kopernika. Toruń 1998. 290 S. (mit ausführlicher deutscher Zusammenfassung).

[5]Danuta Janicka, Materielles Strafrecht, [in:] Laboratorium für internationale gesetzgeberische Arbeit. Die Geburt der polnischen Rechtsordnung der Zwischenkriegszeit im europäischen Kontext, hg. Martin Löhnig, Anna Moszyńska, Wien, Köln, Weimar 2021, S. 271–300; eadem, Strafprozessrecht, ebenda, S. 301–324.

[6] Vgl. Schlussfolgerungen, S. 301.

[7]Ebenda.

[8] Ebenda, S. 303.