Regionale Medizingeschichte – Konzepte – Ergebnisse – Perspektiven,
Seit seiner Entstehung war die Gesundheit des Menschen als der von der Natur grundsätzlich vorgegebene Zustand für ihn wichtig, auch wenn er sich darüber wohl nur bei Bedarf Gedanken machte. Bei beeinträchtigenden Abweichungen hiervon wird er aber vermutlich schon früh Überlegungen für die Wiederherstellung angestellt haben, mögen sie auch vielfach fruchtlos geblieben sein. Aus einzelnen Sachkundigeren hat sich über erfahrenere Männer und Frauen spätestens in dem Altertum eine eigene Heilkunde entwickelt, die in Griechenland und Rom zu der besonderen Medizin geworden ist.
Nach dem kurzen Geleitwort des Mitherausgebers Andreas Hedwig hat sie dementsprechend ihre eigene Kulturgeschichte, die den historischen, für die Entwicklung der Medizin interessanten Erfahrungsräumen und ihren besonderen, zeitbedingten kulturellen Kontexten nachforscht. In diesem Rahmen macht es sich der vorliegende, aus einem für das Frühjahr 2021 geplanten, aber wegen der Coronakrise ausgefallenen Projekt beruhende Band zu seiner besonderen Aufgabe, auf Perspektiven, Horizonte und Flexibilität der regionalen Medizingeschichte hinzuweisen. Unmittelbarer Anlass hierfür war das altersbedingte Ausscheiden Irmtraut Sahmlands als Leiterin der „Emil-von-Behring-Bibliothek – Arbeitsstelle für Geschichte der Medizin an dem Fachbereich Medizin der Universität Marburg“, die ihre wissenschaftlichen Forschungen besonders auf die regionale Medizingeschichte ausrichtete.
Dementsprechend enthält der vorliegende Sammelband nach einer Einführung Gerhard Aumüllers insgesamt 15 weiterführende Studien zu unterschiedlichen Gegenständen. Sie betreffen etwa die Präsenz des Hospitals in der menschlichen Wahrnehmung, Emil von Behrings Tätigkeit als Landarzt in der schlesischen Provinz, medico-theologische Konzepte, Reformansätze des Gesundheitssystems in Hessen-Darmstadt, Geburtshilfe des 18. Jahrhunderts, Choleraprävention in dem Eisenbahnverkehr, Ruhe in der Anstalt, die Impfgegnerschaft der Gegenwart, jüdische Ärzte in Nordhessen während des Nationalsozialismus, Friedrich Wilhelm Beneke als Begründer der wissenschaftlichen Balneologie, die Tuberkulose um 1900 in dem Marburger Raum, die Marburger „Professorenfabrik“ der Pharmazie, den balneologischen Diskurs in Schlesien, Chirurgie und Medizin in Salzburg in der Aufklärung sowie die Krankheiten der Landgrafen Hessens samt ihren politischen Folgen. Verzeichnisse der Personen, Orte und der 17 Autorinnen und Autoren schließen den durch verschiedene Abbildungen bereicherten, vielfältigen Band benutzerfreundlich auf.
Innsbruck Gerhard Köbler