Applebaum, Anne, Die Achse der Autokraten. Korruption, Kontrolle, Propaganda: Wie Diktatoren sich gegenseitig an der Macht halten.

Aus dem Engl. v. Neubauer, Jürgen. Siedler, München 2024. 206 S. Besprochen von Werner Augustinovic.

Auch wenn darüber, wer oder was als „gut“ oder „böse“ zu gelten hat, trotz religiöser, philosophischer und nicht zuletzt auch juridischer Abgrenzungsbemühungen keine endgültige definitorische Klarheit zu erlangen ist, gilt aus dem Blickwinkel einer dem liberalen Humanismus und seinen Menschenrechten verpflichteten Haltung, dass eine „gute“ Ordnung auf eben diesen Prinzipien und Rechten gründet, während Systemen, die jene Prinzipien und Rechte de facto missachten und verletzen, der Charakter des „Bösen“ zuzuschreiben ist. In einer idealen Demokratie regeln die Menschen ihre Angelegenheiten in Eigenregie konsensuell nach Maßgabe der Gerechtigkeit, während autokratische Regime Entscheidungen oktroyieren und die Menschen zur Manipulationsmasse ihrer Herrschaftsinteressen degradieren. Schwächen und Mängel in der Praxis der Demokratie und die Komplexität der modernen Welt mit ihren Herausforderungen verwirren jedoch den Kompass vieler Menschen und machen sie anfällig für alternative Erzählungen aller Art. Hiermit öffnet sich ein Einfallstor für jene Kräfte, die in der Freiheit des Menschen in erster Linie eine Gefährdung ihrer egoistischen Machtinteressen erblicken, sie daher mit allen Mitteln bekämpfen und die demokratische Ordnung diskreditieren. Diese destruktiven Bemühungen sind in paradoxer Verkehrung der Tatsachen oft von pathetischen Lippenbekenntnissen zur Freiheit begleitet.

 

Anne Applebaum, 1964 geborene amerikanische Journalistin, Osteuropa-Kennerin und Friedenspreisträgerin des Deutschen Buchhandels 2024, skizziert in dem vorliegenden, ausdrücklich „Für die Optimisten“ gewidmeten Band die Motive und die Mechanismen, die eine lose weltweite „Achse der Autokraten“ unter tatkräftiger Mitwirkung von politischer Blauäugigkeit und/oder wirtschaftlicher Gier geleiteter westlicher Akteure am Laufen halten. Der russische Einmarsch in die Ukraine 2022 sei „die erste militärische Schlacht im Konflikt zwischen der Achse der Autokraten und der demokratischen Welt“ gewesen, als „Teil eines Plans, der darauf zielte, die Vorstellungen, Regeln und Verträge auszuhöhlen, auf denen das nach 1945 kodifizierte Völkerrecht beruht, die nach 1989 geschaffene Ordnung zu zerstören und vor allem dem Einfluss und dem Ruf der Vereinigten Staaten sowie ihrer demokratischen Verbündeten zu schaden“ (S. 20f.).

 

Unter der wohlfeilen Devise „Wandel durch Handel“ habe man im Westen – auch mit Bezug auf China – allzu gerne der Illusion vertraut, wirtschaftliche Kooperation würde zwangsläufig auch eine politische Öffnung nach sich ziehen. In Russland habe Präsident Wladimir Putin seinerzeit zwar den Umbau der Planwirtschaft befürwortet, doch „er hegte eine Nostalgie für das Sowjetreich“ und hatte „an einer Regeneration der sowjetischen Gesellschaft auf einer neuen moralischen Grundlage kein Interesse. [...] Von Anfang an ging es Putin und seinem Kreis darum, ein autokratisches, von einem kleinen Klüngel beherrschtes Regime zu errichten. […] Demokratie war nicht das Ziel, sondern nur die Tarnung. […] Putins Russland war kein altmodischer totalitärer Staat, isoliert und autark. […] Es war vielmehr etwas Neues: eine ausgewachsene autokratische Kleptokratie, ein Mafiastaat, dessen Zweck ausschließlich darin bestand, seine Führer zu bereichern“ (S. 35). Geld werde dabei aus dem System gezogen und im westlichen Ausland, etwa den USA oder Großbritannien, versteckt, wo man insbesondere von der gewollten Intransparenz des internationalen Finanzsystems profitiere. Solche Helfershelfer „tragen dazu bei, den Rechtsstaat in ihren eigenen Ländern und weltweit auszuhöhlen“ (S. 47). Ähnlich wie Putin in Russland hätten beispielsweise auch Hugo Chávez und Nicolás Madura in Venezuela oder Robert Mugabe und Emmerson Mnangagwa in Simbabwe – dem ehemaligen Rhodesien – korrupte kleptokratische Systeme etabliert bzw. fortgeführt, unterstützt von Staaten wie Russland, China, Kuba, dem Iran oder der Türkei. Wechselseitig könne man so verhängte Sanktionen gezielt unterlaufen. Den Zusammenhalt der – global gesehen – durchaus heterogenen Autokratien liefere „keine gemeinsame Ideologie, sondern nur die skrupellose Entschlossenheit, mit der sie sich selbst bereichern und ihre Macht erhalten“ (S. 10).

 

Als ein wesentliches Mittel zu diesem Zweck hätten die Autokratien die Erlangung der Deutungshoheit im Wettstreit mit der Demokratie unter Zuhilfenahme der modernen Informationstechnologie früh erkannt. Während in Osteuropa Proteste gegen das kommunistische System zum Erfolg führten, wurden in China nicht nur Demonstranten gewaltsam unterdrückt, sondern insbesondere die Ideen, die sie motivierten. Unter dem Projektnamen „Goldener Schild“ wurde dort das Internet zensiert und wurden die sozialen Medien – wiederum mit technologischer Unterstützung durch US-amerikanische Konzerne – zu einem umfassenden, mit anderen Überwachungsinstrumenten vernetzten Kontrollinstrument ausgebaut. Unter dem Aspekt sicherheitsrelevanter Erfordernisse sei solche Technologie in einem bestimmten Umfang auch für hybride und selbst für demokratische Staaten attraktiv, was wiederum den Autokraten die Rechtfertigung für ihren Missbrauch liefere. Während die kommunistische Propaganda des 20. Jahrhunderts im Kern noch eine Utopie verkaufen und Begeisterung wecken wollte sowie ihre Lügen zu kaschieren trachtete, brächten die Propagandisten heutiger Autokratien den Menschen vorrangig bei, „eine zynische und passive Haltung einzunehmen, weil es keine bessere Welt gebe, die es aufzubauen lohnt“ (S. 79). Das gehe einher mir der Notwendigkeit, ein verzerrtes Bild der Demokratie zu präsentieren, sie durch eine Schwemme an auch ganz offenkundigen Lügen als schwach, chaotisch und entartet zu delegitimieren. Die von der chinesischen Regierung kontrollierten oder beeinflussten globalen Kanäle für Informationswäsche seien äußerst verzweigt und mit den Medien anderer  Autokratien vielfältig vernetzt, sie tragen Namen wie Xinhua, China Global Television Network CGTN, China Radio International, China Daily, Star Times (Ruanda), Telesur (Venezuela), Press TV (Iran), Russia Today RT (Südafrika, Lateinamerika, Naher Osten), Pressenza (Ecuador), Yala News (Syrien, Großbritannien), African Initiative (Mali, Burkina Faso) oder Recent Reliable News RRN (Russland). Wie sie arbeiten, möge ein Beispiel unter vielen veranschaulichen: Die russische Behauptung über angeblich 26 amerikanische Biolabors in der Ukraine, eine „frei erfunden(e) […] Falschnachricht“ (S. 90f.), sei von der chinesischen Regierung gerne übernommen worden, da ihr diese Erzählung „half, die eigene jüngere Geschichte zu vernebeln und sich aus der Verpflichtung zu befreien, die eigenen Biolabors zu untersuchen, darunter das in Wuhan, das der Ursprung der Corona-Pandemie gewesen sein könnte. Das Netzwerk QAnon, Sammelbecken für Impfverschwörer, stürzte sich ebenfalls auf die Geschichte, weil sie seine Lügen über den Missbrauch der Medizin in den Vereinigten Staaten zu bestätigen schien“ (S. 91f.). Wie sehr solche Erzählungen allein durch ständige Wiederholung an vermeintlicher Glaubwürdigkeit gewinnen, erhellt unter anderem aus dem Umstand, dass laut einer Umfrage „ein Viertel der amerikanischen Bevölkerung die Lüge über die Biolabors für wahr (hielt). Russland und China erzeugten eine internationale Echokammer, an der Amerikaner und Europäer ebenso wie Venezolaner, Iraner und viele andere mitwirkten. Wer sich in dieser Echokammer befand, hörte die Geschichte der Biolabors immer und immer wieder von verschiedenen Seiten, und jede Wiederholung verstärkte den Eindruck ihrer Richtigkeit“ (S. 92). Unter Nutzung aller zulässigen und unzulässigen Möglichkeiten des digitalen Raums habe man auf die amerikanische Innenpolitik genauso Einfluss genommen wie auf die Unabhängigkeitsbewegung in Katalonien, immer mit dem gleichen Impetus: „Die Informationsoperationen der Autokratien zielen darauf, bestehende Gräben zu vertiefen  und den Zorn anzuheizen. Sie finanzieren oder fördern die extremsten Stimmen, um Konflikte zu verschärfen und wo möglich gewaltsamer zu machen – die Bürger sollen dazu gebracht werden, Staat und Politik infrage zu stellen und schließlich an der Demokratie selbst zu zweifeln. Um Chaos zu säen, greifen diese neuen Propagandisten und ihre Führer nach jeder Ideologie, Technologie und Emotion, die ihnen dienlich erscheint“ (S. 102).

 

Auf dem Feld der internationalen Beziehungen gehe es den Autokratien darum, den bislang von unabhängigen Organisationen beobachteten und an internationalen Standards gemessenen Bezug auf die Menschenrechte und die Demokratie mittelfristig auszuhebeln, ihn „aus den internationalen Institutionen zu entfernen“ (S. 107) und durch neue Sprachregelungen zu ersetzen, die mit den schwammigen oder deformierten Begriffen „Recht auf Entwicklung“, „Souveränität“ (diese beinhalte „Putins Definition zufolge das Recht, die eigenen Bürger zu unterdrücken und andere Länder zu überfallen“, S. 107), „Win-win-Kooperation“, „gegenseitiger Respekt“ oder „Multipolarität“ operieren, um autokratisches Vorgehen vor jeder Kritik von außen abzuschirmen. Mit der Shanghaier Organisation für Zusammenarbeit und den BRICS-Staaten hätten Autokratien bereits eigene Institutionen  geschaffen, die dieses „neue Betriebssystem“ vertreten. Die massive Verfolgung und Ermordung von regimekritischen Exilanten höhle „in den Ländern, in denen die Verbrechen verübt werden, den Rechtsstaat aus“ (S. 117), man stumpfe ab, gewöhne sich an die Gewalt und nehme sie irgendwann als gegeben hin, wie es nun auch in Syrien der Fall sei: „Um den Krieg zu gewinnen, mussten Russland und der Iran unter den syrischen Bürgern Verzweiflung und Apathie verbreiten und im Rest der Welt Hoffnungslosigkeit. Das ist ihnen gelungen“ (S. 122). Das ursprünglich rege europäische Interesse am Syrienkrieg sei geschwunden und habe sich bald ganz auf den Migrationsaspekt reduziert. Die Stabilisierung seiner Diktatur verdanke Syriens Diktator Assad, wie auch andere Autokraten, einem russischen „Regime-Survival-Paket“.

 

Obwohl die Demokratiebewegung in Hongkong sich taktisch klug verhalten und „alles richtig gemacht“ habe, sei sie den chinesischen Behörden unterlegen, die diese Taktiken ebenfalls gründlich studiert und wirkungsvoll neutralisiert hätten: „Sie hatten sich gut überlegt, wie man symbolische Proteste lächerlich macht und untergräbt, wie man charismatische Führer verleumdet und in Verruf bringt, wie man mittels sozialer Medien falsche Gerüchte und Verschwörungstheorien streut, wie man Menschen isoliert und einander entfremdet, um die Beziehung zwischen verschiedenen sozialen Gruppen und Klassen zu zerstören, wie man einflussreiche Exilkritiker ausschaltet und vor allem, wie man die Sprache der Menschenrechte, Freiheit und Demokratie in Beweise für Hochverrat verwandelt. Diese Lektionen lernten auch die übrigen Autokraten“ (S. 136). Mit einer unerwünschten Person würde nun zugleich auch ihr Gedankengut verunglimpft, Oppositionelle würden vertrieben oder in den „bürgerlichen Tod“ getrieben, bisweilen auch tatsächlich ermordet, sogenannte „Antiextremismus- und Antikorruptionsgesetze“ installiert und gegen missliebige Kritiker mit Verbindungen ins Ausland instrumentalisiert, die Denunziation gefördert. Das Einsickern eines Teils solcher Praktiken auch in demokratische Staaten, wie es in Polen, Mexiko und selbst in den Vereinigten Staaten unter Richard Nixon und Donald Trump geschehen sei, sei „ein Warnsignal, dass sich eine Demokratie im Niedergang befindet“ (S. 151).

 

Wird sich die Demokratie dieses Ansturms der Autokraten erwehren können? Die Verfasserin glaubt daran, aber nur, wenn die Bürger der freiheitlichen Gesellschaften „sich die Mühe machen, sie [= die freiheitlichen Gesellschaften; WA] zu retten“ (S. 180). Ihr letztes Kapitel überschreibt sie mit dem wohl der Geschichte der Arbeiterbewegung entlehnten und entsprechend angepassten Slogan „Demokraten, vereinigt euch!“ Es gehe bei dieser Forderung nicht darum, eine ähnliche Achse wie die der Autokraten zu bilden, sondern sie sei zu verstehen als „ein Appell an die Bürger der Demokratien Nordamerikas, Europas, Asiens, Afrikas und Lateinamerikas, zu erkennen, wie viel sie verbindet und wie viel sie mit den in Autokratien lebenden Menschen verbindet, die ihre Werte teilen. Wir brauchen einander, heute mehr als je zuvor, denn unsere Demokratien sind nicht sicher. Keine Demokratie ist sicher“ (S. 178). Nicht der Wettstreit mit konkreten autokratischen Staaten (die sich, wie oben festgestellt, als sehr heterogen darstellen) sei anzustreben, sondern der „Kampf gegen autokratische Verhaltensweisen, wo auch immer sie in Erscheinung treten, ob in Russland, China, Europa oder den Vereinigten Staaten. Dazu benötigen wir Netzwerke von Anwälten und Funktionsträgern, die Korruption zu Hause und in aller Welt bekämpfen und dabei mit Demokratieaktivisten kooperieren, die die Kleptokratie am besten verstehen. Geheimdienste und Militär müssen zusammenarbeiten, um die gesetzlose Gewalt vorherzusehen und ihr Einhalt zu gebieten. Wir brauchen engagierte Beobachter in verschiedenen Ländern, die in Echtzeit die Auswirkungen von Sanktionen verfolgen, Verstöße beobachten und sie unterbinden. Wir brauchen Menschen, die bereit sind, sich im Internet zu organisieren, um menschenverachtende Propaganda zu identifizieren und sie zu bekämpfen. Die Autokraten wollen ein globales System errichten, von dem Diebe, Kriminelle, Diktatoren und Massenmörder profitieren. Wir können sie aufhalten“ (S. 163). Eine breite internationale Kooperation benötigten insbesondere die Herstellung der Transparenz des globalen Finanzwesens wie auch der weltweiten Verfügbarkeit seriöser zuverlässiger Informationsquellen (etwa die Nachrichtenagenturen Reuters oder Associated Press). Einseitige Abhängigkeiten vom Handel mit Russland, China und anderen Autokratien seien ein No-Go, weil „existenzbedrohend“, sie „korrumpieren unsere eigenen Gesellschaften“ (S. 174f.). Wir dürften es auch „nicht länger zulassen, dass die Reichsten Geschäfte mit Autokratien machen und sich für deren außenpolitische Ziele einspannen lassen, während sie gleichzeitig Aufträge von demokratischen Regierungen erhalten und den Status, die Privilegien der Staatsbürgerschaft und die Rechtssicherheit der demokratischen Welt genießen“, es sei „Zeit, sie vor die Wahl zu stellen“ (S. 177). Isolationismus und die Annahme, dass Nationen stets einer unveränderlichen geopolitischen Ausrichtung folgen, seien Irrwege, denn sie würden die (von den Autokraten angestrebte) Gleichgültigkeit der Menschen nur verstärken.

 

Autokraten werden wohl gegen Anne Applebaum einwenden, dass sie mit der „Achse der Autokraten“ selbst ein Verschwörungsnarrativ bediene und die Rolle der Vereinigten Staaten verharmlose, die ihrerseits eine moralfreie knallharte Interessenspolitik betrieben, die gezielt lancierte Lügen als Rechtfertigungsgrund für Kriege (Irak) sowie üble Menschenrechtsverletzungen einschließe. Zweifellos hat Letzteres die Glaubwürdigkeit der Supermacht in der Welt stark beschädigt, doch sprechen insgesamt dennoch die Fakten für sich. Zu ergänzen ist ferner, dass die von der Verfasserin vorgeschlagenen Maßnahmen überhaupt nur Aussicht auf Erfolg haben, wenn eine große Mehrheit der Bürger der demokratischen Staaten versteht, dass die Demokratie mitnichten ein Selbstbedienungsladen für individuelle Bedürfnisse ist, sondern ein fragiles, auf gerechten Ausgleich und starke Selbstkontrolle angewiesenes System, dessen Funktionsfähigkeit vom Engagement seiner Bürger abhängt. Ohne das ständige Bewusstmachen der demokratischen Werte und der mit ihnen einhergehenden Pflichten, ein gesellschaftliches Klima des Vertrauens, eine breite und solide politische Bildung sowie hohe Medienkompetenz wird es keine Immunität gegenüber Falschnachrichten und hetzerischen Verschwörungserzählungen geben. Das Erhalten der allgemeinen Fähigkeit zur trennscharfen Unterscheidung zwischen Realität und Fiktion wird dabei in Zeiten Künstlicher Intelligenz zu einem Hauptproblem, „Was kann ich wissen?“ (Immanuel Kant) einmal mehr zur entscheidenden Frage werden.

 

Seit dem Erscheinen von Anne Applebaums Studie haben sich die Dinge weiterentwickelt: Nordkoreanische Soldaten verstärken mittlerweile Putins vorrückende Invasionstruppen in der Ukraine, China und der Iran unterstützen massiv mit Drohnentechnologie. Man gewinnt den Eindruck, dass die „Achse der Autokraten“ verstärkt an realem Profil gewinnt, wenn auch mit Syriens Machthaber Assad ein von Russland und dem Iran gestützter Machthaber vertrieben werden konnte. Die weitere Entwicklung dieses Staates muss indes noch als ungewiss gelten. Auf der anderen Seite steht der neuerliche und klare Wahlerfolg Donald Trumps in den Vereinigten Staaten mit republikanischen Mehrheiten in sämtlichen Gremien (Repräsentantenhaus, Senat, Supreme Court), der nicht nur die Zukunft der Unterstützung für die Ukraine (und damit auch die Sicherheit Europas) höchst ungewiss erscheinen lässt, sondern weitere massive Verwerfungen denkbar macht. Würde Trump, so die Verfasserin, wie von ihm selbst angekündigt „nicht nur mit massiven Trollkampagnen, sondern auch mit Gerichten und Ermittlungsbehörden gegen seine Feinde vorgehen, dann wäre die Vermischung aus autokratischer und demokratischer Welt perfekt“ (S. 154). Ihm zur Seite steht mit Elon Musk zudem der angeblich reichste Mann der Welt mit seinen Wirtschaftsinteressen. In den Staaten Europas haben zudem vielfach Parteien vom (vorwiegend, aber nicht nur) rechten Rand, die Kritik an Putins Krieg vermeiden und sich gegen Hilfen für die Ukraine stellen, stark an Einfluss gewonnen, das Agieren der Parteien der demokratischen Mitte erscheint allzu oft von taktischen Überlegungen dominiert und verspielt damit viel Vertrauen in der Bevölkerung. Das Gift der Gleichgültigkeit, resultierend aus dem medial verstärkten Gefühl, den Verhältnissen ausgeliefert zu sein und ohnehin nichts bewirken zu können, ist schon weit verbreitet. In Anbetracht dieser Sachverhalte stehen die Aussichten für eine Umsetzung all der ambitionierten Maßnahmen zum Wohl der Demokratie, die die Verfasserin benennt, denkbar schlecht. Vielmehr ist zu befürchten, dass eine große Zahl an Bürgern in Europa und in den Vereinigten Staaten die Korrelation nicht oder zu spät erkennt, die zwischen ihren Entscheidungen an der Urne (oder ihrem Fernbleiben) und den globalen Ambitionen der Autokraten besteht. Gerade deshalb bleibt im Interesse einer freien Welt nur zu hoffen, dass Anne Applebaums Analyse ein breites Lesepublikum beschieden ist.

 

Kapfenberg                                                  Werner Augustinovic