Die Juristen der Universität Bonn

im Dritten Reich, hg. v. Schmoeckel, Mathias (= Rechtsgeschichtliche Schriften 18). Böhlau, Köln 2004. XIX, 651 S., 20 Abb. Besprochen von Michael Stolleis.

Die Juristen der Universität Bonn im Dritten Reich, hg. v. Schmoeckel, Mathias (= Rechtsgeschichtliche Schriften 18). Böhlau, Köln 2004. XIX, 651 S., 20 Abb.

 

Prosopographische Studien sind die unverzichtbare Grundlage einer elaborierten Wissenschaftsgeschichte. Sie ersetzen zwar weder die theoretische Reflexion noch das Studium der Texte, aber ohne Kenntnis der Umstände des „Lebens“ hängt auch das „Werk“ historisch in der Luft. Insofern ist es nur zu begrüßen, dass immer mehr Fakultäten/Fachbereiche sich entschließen, die problematischste Phase ihrer Geschichte möglichst unbefangen zu beleuchten. Für die ehemals preußische Universität Bonn hat nun Mathias Schmoeckel eine Gruppe von Studierenden anregen können, sich in das gedruckte und ungedruckte Material der Personal- und Entnazifizierungsakten zu vertiefen, Interviews zu führen, Sekundärliteratur zu lesen und insgesamt 20 Studien zu den damals tätigen Professoren zu verfassen. Schmoeckel selbst skizziert einleitend eine Geschichte der Bonner Fakultät jener Jahre und verteilt Licht und Schatten, etwa auf Richard Thoma, Alexander Graf zu Dohna, Wolfgang Kunkel, Ernst Friesenhahn, Karl Rauch oder Friedrich Heyer und Helmuth von Weber auf der einen Seite, Karl August Eckhardt, Ernst Rudolf Huber, Erich Bley sowie die nur am Rande zu Bonn gehörenden Johannes Heckel oder Wilhelm Ebel auf der anderen. Bonn war weder eine „Insel der Seligen“ noch ein prononcierter Fall von „brauner Universität“. Wie andernorts gab es die Schicksale der aus Amt und Heimat verjagten Kollegen (Bruck, Göppert, Grünhut, von Hentig, Kaufmann u. a.) sowie bei den übrigen Beispiele von standfestem Katholizismus, politikferner Gelehrsamkeit, ethischer Grundsatztreue, aber natürlich auch mannigfache halbherzige oder entschiedene Anpassungsbewegungen. Bekanntlich gab es ein immer heftigeres Engagement für den Nationalsozialismus, je jünger die Jahrgänge waren. Kurioserweise kam Bonn auch deshalb glimpflich davon, weil der mächtige SS-Mann Karl August Eckhardt von Berlin aus einen gewissen Schutz garantierte.

 

Den einzelnen Beiträgen merkt man freilich öfter an, dass es Erstlingsarbeiten sind. Das Detail, mag es zur Sache etwas beitragen oder nicht, wird dem Leser ebenso wenig erspart wie manche nicht ganz geglückte Formulierung. Eine entschlossen kürzende Hand hätte dem Ganzen gut getan, übrigens auch eine gründlichere Lektüre der Druckfahnen. Aber die positiven Seiten überwiegen doch deutlich. Vor allem sind die Artikel insgesamt nicht schönfärberisch geworden. Sie versuchen, so gut es geht, sich in die Zeit hineinzuversetzen und abzuwägen, was diese oder jene Formulierung wohl bedeutet haben könnte. Im Rückblick und im Licht des heutigen Wissens mag dabei auch das Banale bedeutungsvoller erscheinen als es die Akteure meinen konnten. So kann der voluminöse Band als wichtiges prosopographisches Hilfsmittel nicht nur für Bonn, sondern für alle anderen Universitäten dienen, deren Hochschullehrer hier erwähnt werden. Die Artikel informieren über Leben und Werk von Erich Bley, Eberhard Bruck, Alexander Graf zu Dohna, Hans Dölle, Karl August Eckhardt, Ernst Friesenhahn, Heinrich Göppert, Max Grünhut, Johannes Heckel, Hans von Hentig, Friederich H. Heyer, Ernst Rudolf Huber, Erich Kaufmann, Karl Theodor Kipp, Wolfgang Kunkel, Karl Rauch (den Gelehrten, aber auch den Inhaber des Verlags, in dem das vorliegende Buch erschienen ist), Richard Thoma, Hellmuth von Weber und Adolf Zycha.

 

Frankfurt am Main                                                                                         Michael Stolleis