Mager, Ute, Einrichtungsgarantien

. Entstehung, Wurzeln, Wandlungen und grundgesetzgemäße Neubestimmungen einer dogmatischen Figur des Verfassungsrechts (= Jus Publicum 99). Mohr (Siebeck), Tübingen 2003. XXII, 527 S. Besprochen von Heinrich de Wall.

Mager, Ute, Einrichtungsgarantien. Entstehung, Wurzeln, Wandlungen und grundgesetzgemäße Neubestimmungen einer dogmatischen Figur des Verfassungsrechts (= Jus Publicum). Mohr (Siebeck), Tübingen 2003. XXII, 527 S.

 

Die Einrichtungsgarantien sind ein Dauerbrenner der Grundrechtsdogmatik. Sie tauchen in jedem einschlägigen Lehrbuch auf, sind immer wieder Gegenstand von wissenschaftlichen Aufsätzen und von Monographien, neben dem hier zu besprechenden Buch etwa der Arbeit von Claudia Meinzer, die dogmatische Figur der Einrichtungsgarantie, 2003. Dieses nachhaltige Interesse zeigt, daß trotz gelegentlicher Äußerungen, daß die Lehre von den Einrichtungsgarantien in der gegenwärtigen Grundrechtsdogmatik eigentlich funktionslos sei, diese nach wie vor Erklärungswert besitzt. Diesen bleibenden Erklärungswert vor dem Hintergrund der Entstehung der Lehre von den Einrichtungsgarantien in der Weimarer Republik und ihrer Funktion in der Grundrechtsdogmatik unter dem Grundgesetz herauszuarbeiten, hat sich Ute Mager zur Aufgabe gemacht. Diese Aufgabe hat sie in eindrucksvoller Weise gelöst. Dabei weist sie nach, daß die Lehre von den Einrichtungsgarantien zwar unter dem Grundgesetz nicht mehr die ihr in Weimar noch eigene Funktion haben kann, die Bindung des Gesetzgebers an die Grundrechte herzustellen, da diese mittlerweile durch Art. 1 Abs. 3 GG unmißverständlich angeordnet ist. Gleichwohl hat sie nach wie vor Bedeutung für die Analyse von Eingriffen und der Rechtfertigung von Eingriffen in solche Rechte, die der Ausgestaltung durch den Gesetzgeber bedürfen. Vor dem Hintergrund des auf dieser Grundlage geläuterten Begriffs und dieser Funktionsbeschreibung werden dann die in Frage kommenden Garantien des Grundgesetzes auf ihre Eigenschaft als Einrichtungsgarantien hin untersucht und ihre Funktionsweise erläutert. Dabei wird unterschieden zwischen Rechtsinstitutsgarantien und institutionellen Autonomiegewährleistungen. Erstere, zu denen Mager die Gewährleistung der Ehe, der Elternverantwortung, des Eigentums- und Erbrechts sowie der Tarifautonomie zählt, sind zum einen durch ihre dienende Funktion für ein bestimmtes Freiheitsrecht gekennzeichnet und zum anderen dadurch, daß der Gesetzgeber hier die Voraussetzungen für eine Selbstgestaltung von Rechtsbeziehung zu schaffen sowie der Selbstbestimmung grundsätzlich Vorrang einzuräumen hat. Dagegen gewähren institutionelle Autonomiegewährleistungen Autonomie zur staatsfernen Erfüllung von Aufgaben, die nach der grundsätzlichen Verfassungsentscheidung aus einem Bereich originär staatlicher Verantwortung stammen (S. 411). Hierzu gehören laut Mager die Garantie der kommunalen Selbstverwaltung und das Recht zur Errichtung von Privatschulen. Mit dieser begrifflichen Eingrenzung und mit der Kennzeichnung der zugehörigen Funktion der Einrichtungsgarantien wird ein tragfähiges Fundament für die weitere Existenz dieser dogmatischen Figur gelegt. Freilich lässt sich in den Einzelheiten, wie immer, streiten. Nicht recht einleuchten möchte mir etwa, warum die Garantie des Rechtsstatus der Religionsgemeinschaften als Körperschaften des öffentlichen Rechtes in Art. 137 Abs. 5 WRV nicht zu den Rechtsinstitutsgarantien zu zählen sein soll. Auch der Körperschaftsstatus dient, wie das Bundesverfassungsgericht zu Recht hervorgehoben hat, in erster Linie der Entfaltung des Selbstbestimmungsrechts und auch hier sind die normativen Voraussetzungen für eine Selbstgestaltung von Rechtsbeziehungen zu schaffen. Zwar werden die einzelnen Körperschaftsrechte bisher im wesentlichen aus der Tradition abgeleitet, aber eine gesetzgeberische Ausgestaltung scheint auch hier nicht ausgeschlossen.

 

Für die Rechtshistorie ist freilich weniger die dogmatischen Neubestimmung als vielmehr die Darstellung der Vorläufer, der Entstehung und der rechtsgeschichtlichen Wurzeln der Lehre von den Einrichtungsgarantien in den beiden ersten Teilen der Arbeit von Interesse, immerhin 170 Druckseiten. Auch die Ausführungen zu den einzelnen Einrichtungsgarantien, die dann folgen, enthalten überdies rechtshistorisch gehaltvolle Anteile. Mager stellt dabei zunächst die Entstehung und die verschiedenen Varianten der Lehre von den Einrichtungsgarantien insbesondere unter der Weimarer Reichsverfassung dar, beschreibt aber auch ihr Wiederaufleben in der Bundesrepublik. Zu Recht wird die Formulierung der Lehre durch Carl Schmitt als wirkungsmächtigster Ansatz in das Zentrum der Ausführungen gestellt. Plausibel ist die Ansicht der Verfasserin, daß die Lehre Carl Schmitts insbesondere auf dessen verengtem Grundrechtsbegriff beruht, der Schmitt dazu nötigte, für die Wirkungsweise wichtiger Garantien der Weimarer Reichsverfassung, die über bloße liberale Abwehrrechte hinaus gingen, eine Erklärung zu finden. Aufschlussreich sind allerdings auch die Darstellungen der Lehren Gustav Boehmers, Karl Loewensteins, Ernst Rudolf Hubers und Bodo Dennewitzens. Die unterschiedlichen Erkenntnisinteressen und Erklärungsansätze werden sensibel herausgearbeitet. Aufschlussreich ist aber auch die Darstellung der Vorläufer der Lehre von den Einrichtungsgarantien unter der Weimarer Republik bei Friedrich Giese und Karl Renner. Vielleicht hätte die Arbeit Friedrich Kleins, „Institutionelle Garantien und Rechtsinstitutsgarantien“ (1934), noch etwas eingehender gewürdigt werden können als dies auf S. 63-65 geschieht. Freilich wird dies nicht ganz zu Unrecht damit gerechtfertigt, daß dieser Schrift die praktische Wirkung versagt blieb, weil „das Ende der Weimarer Reichsverfassung“ gekommen war (S. 65). Im Anschluss an die Darstellung der Lehre von den Einrichtungsgarantien unter der Weimarer Reichsverfassung wird dann das Wiederaufleben und die weitere Entwicklung in der Staatsrechtslehre der Bundesrepublik Deutschland dargestellt (S. 69-93).

 

Im folgenden zweiten Teil wird dann historisch weiter ausgegriffen und nach den rechtsgeschichtlichen Wurzeln der Lehre von den Einrichtungsgarantien gesucht. Hier werden nacheinander das Rechtsinstitut als Erscheinungsform des Volksrechts und als Ordnungsbegriff bei Savigny, als rechtliche Verfasstheit eines weltanschaulich bestimmten Lebensverhältnisses bei Friedrich Julius Stahl, die Institutionenlehre Maurice Haurious und das institutionelle Recht Erich Kaufmanns behandelt. Zu letzterem ließe sich einwenden, daß Kaufmann an sich in den Diskussionszusammenhang der Weimarer Republik gehört, und schon im ersten Teil Platz gehabt hätte. Freilich geht es bei Kaufmann mehr um rechtstheoretische Grundlagen als um rechtsdogmatische, womit Mager diese Abweichung von der chronologischen Ordnung rechtfertigt. Zu den drei Erstgenannten wird gründlich herausgearbeitet, daß der Institutionsbegriff bei Hauriou auf die Analyse der tatsächlichen Voraussetzungen für die Entstehung und Geltung von Recht zielt und rein rechtssoziologischer, nicht rechtssystematischer Natur ist, wohingegen Hauriou anders als Savigny und Stahl „weder die Einheit des Rechtssystems noch dessen Lebendigkeit oder organische Entwicklung aus sich selbst heraus“ behauptet. Hingewiesen wird auch richtig auf die beschränkte Bedeutung der Institutionenlehre Haurious für die Lehre von den Einrichtungsgarantien in ihrer Schmittschen Ausprägung. Mager arbeitet auch heraus, daß sich das konkrete Ordnungs- und Gestaltungsdenkens Schmitts vom institutionellen Rechtsdenken durch die beliebige Instrumentalisierbarkeit gegenüber deren Traditions- oder Werteorientierung auszeichnet (S. 166). Daher ist es auch überzeugend, wenn sie am Schluss ihrer rechtshistorischen Erwägungen skeptisch über die Verbindung zwischen der Lehre von den Einrichtungsgarantien und dem konkreten Ordnungsdenken Carl Schmitts urteilt. Insgesamt werden die historischen Wurzeln der Lehre von den Einrichtungsgarantien sensibel analysiert. Wünschenswert wäre aus rechtshistorischer Sicht vielleicht noch die Suche nach ähnlichem institutionellem Denken in anderen Disziplinen, die hier aufgrund bewusster Selbstbeschränkung unterbleibt. Fraglich ist etwa, ob es Verbindungen zwischen institutionellem Denken in der Weimarer Rechtswissenschaft und der Lehre von den Schöpfungsordnungen in der zeitgenössischen evangelischen Theologie gibt. Dies ist freilich zugegebenermaßen ein besonders aus der Sicht des Kirchenrechtlehrers geprägtes Anliegen. Im übrigen schmälert es in keiner Weise den Respekt vor der rechtsdogmatischen Neuorientierung und der Darlegung der Entwicklungslinien der Lehre von den Einrichtungsgarantien durch Ute Mager.

 

Erlangen                                                                                                           Heinrich de Wall