Statuti della Repubblica Fiorentina, a cura di Pinto, Giuliano/Salvestrini, Francesco/Zorzi, Andrea,

* Band 1 Statuto del Capitano del Popolo degli anni 1322-1325, Band 2 Statuto del Podestà dell’anno 1325 (= Documenti di storia italiana 2, 6). Olschki, Florenz 1999. CVIII, 308, VI, 426 S. Besprochen von Gerhard Dilcher. ZRG GA 119 (2002)

DilcherStatuti20010912 Nr. 10275 ZRG 119 (2002) 33

 

 

Statuti della Repubblica Fiorentina, a cura di Pinto, Giuliano/Salvestrini, Francesco/Zorzi, Andrea, Band 1 Statuto del Capitano del Popolo degli anni 1322-1325, Band 2 Statuto del Podestà dell’anno 1325 (= Documenti di storia italiana 2, 6). Olschki, Florenz 1999. CVIII, 308, VI, 426 S.

 

Die beiden ansprechend aufgemachten Bände geben eine Edition der beiden wichtigsten (in Latein verfaßten) Florentiner Statuten wieder, die der Historiker Romolo Caggese im Jahr 1910 bzw. (unterbrochen durch Weltkrieg) 1921 herausgegeben hatte. Wie Pinto im Vorwort kurz anspricht und Salvestrini in einer längeren editorischen Einführung ausführlich darlegt, handelt es sich eher um eine Pflichtübung des bedeutenden Historikers am Anfang seiner akademischen Karriere. Caggese war in einem damaligen „Historikerstreit“ über die theoretischen Ausgangspunkte und die methodische Durchführung einer mittelalterlichen Wirtschaftsgeschichte Italiens, vor allem der Beziehung von „città e campagna“, heftig engagiert, so daß er nicht einmal dazu kam, die versprochene Einführung zur Edition zu verfassen und zu publizieren. Eine solche bieten jetzt die editorische Einführung von Salvestrini und der Überblick über die Rechtsquellen des spätmittelalterlichen Florenz von Zorzi, beides ausführliche und gründliche Studien auf dem neuesten Stand der Forschung. Sie ergeben, daß die Edition von Caggese zwar in vielfacher Hinsicht nicht die Anforderungen einer kritischen Edition erfüllt, ein Editor der wichtigen Rechtsquelle wie späterer noch ganz unedierter hat sich aber seither nicht gefunden. (Von dem ersten Statut ist sogar eine neue Handschrift aufgetaucht, ein Kurzbeispiel einer kritischen Edition ist von Salvestrini beigefügt, eine kritische Edition ist begonnen). So bietet die alte Edition die beste brauchbare Übersicht und erste Arbeitsgrundlage. Zorzis kenntnis- und überblicksreiche Studie vermittelt ein Bild der Fülle normsetzender Tätigkeit städtischer und ländlicher Kommunen, von Zünften und Korporationen im spätmittelalterlichen Oberitalien. Ein wenn auch knapper Index ist nunmehr hinzugefügt.

Die beiden Statuten stellen ein eindrucksvolles Beispiel der großen Welle von städtischen Rechtsetzungsakten italienischer Städte des 13. Jahrhunderts dar. Sie sind nach den beiden wichtigsten Amtsträgern der Kommune benannt, dem die Stadtbevölkerung (im spezifischen Sinne des popolo) repräsentierende Capitano del Popolo und dem für jeweils ein halbes Jahr als Rechtsprechungs- und Regierungsorgan bestellten Podestà, meist ein auswärtiger Adliger. Sie hatten verschiedene Kompetenzen, für deren Bereich die Statuten Regelungen aufstellen. Die Abgrenzungen sind auf den ersten Blick oft nicht deutlich. Jedenfalls werden in den Statuten die Amtsbefugnisse für beide Ämter und zahlreiche Amtsgehilfen definiert. Beim Capitano del Popolo findet sich viel städtisches „Verwaltungsrecht“, etwa die Lebensmittelversorgung und die Gewerbeverfassung (die aber größtenteils von weitgehend autonomen Genossenschaften ausgeübt wird) betreffend. Beim Podestà geht es mehr um die rechtliche Ordnung, etwa Verfahren und Strafrecht. Zentrale Rechtsbereiche bedurften offenbar keiner statutarischen Ordnung, weil sie vom Juristenrecht des ius commune befriedigend geregelt waren. Die Notare werden häufig erwähnt und spielen in der rechtlichen Regelung des stadtbürgerlichen Lebens offensichtlich eine erhebliche Rolle, die sich aber nur indirekt in den Statuten niederschlägt. Vieles, was in beiden Statuten normiert ist, würde in Deutschland unter dem Titel „Policeyordnungen“ eingeordnet werden können – die aber, etwa für Frankfurt am Main, noch als gesetze (Edition Armin Wolf) bezeichnet werden, also ebenfalls als nicht genauer differenziertes Statutarrecht.

Die beiden großen Statutenbände vermitteln ein lebendiges, wenn auch nicht erschöpfendes Bild der Rechts- und Verfassungsordnung der bedeutendsten Stadt der Toskana. Die Regelungen, die normativ im Ansatz und fast erzählend sind in der Ausführlichkeit, mit der die Wirklichkeit ins Auge gefaßt wird, zeigen immer wieder eines in großer Deutlichkeit: Die prekäre politische Balance, auf der die Stadtverfassung der spätmittelalterlichen oberitalienischen Kommune beruht. Der „gebotene Friede“ ist von coniurationes von unten und von der Macht der Magnaten von oben bedroht. Die Straf- und Strafverfahrensvorschriften, die sich in den Statuten finden, dienen vor allem der Verteidigung der städtischen Friedens- und Verfassungsordnung, der Unterbindung von Aneignung kommunaler Ressourcen und von Bereicherung aus öffentlichen Mitteln. Aber auch Konflikte aus dem Alltagsleben der kleinen Leute gilt es, von vornherein auszuräumen: Ordnung der Märkte, der Straßen, der Verhältnisse zum Lande (campagna); herrenlos vorgefundene Esel sind umgehend zu melden!

Interessant wäre es, den einerseits ausführlichen Vorschriften (manche Vorschriften füllen mehrere Seiten!), aber auch sehr genauen, normativ-präskriptiven (statutum et ordinatum est), oft aber auch erläuternd-begründenden (quoniam ... videtur ... quod) Stil dieser Gesetzgebung genauer zu analysieren. Schließlich stellt die schon angesprochene Grundfrage dieser Rechtsordnungen, wie sich konkret die städtische Statutar- und Verfassungsordnung mit dem Juristenrecht des ius commune verbunden hat, der Forschung eine große Aufgabe. Die beiden hier wieder vorgelegten Statutenbücher, weit ausführlicher als deutsche Stadtrechte, doch nicht weniger komplex und schwer durchschaubar in ihrem Aufbau, weisen nachdrücklich auf diese große Aufgabe einer Rechtsgeschichte des Mittelalters hin. Die erwähnte Einführung von A. Zorzi gibt eine wichtige Analyse der heutigen Forschungssituation.

 

Frankfurt am Main                                                                                         Gerhard Dilcher