Endemann, Traute, Geschichte des Konstanzer Arbeitskreises

. Entwicklung und Strukturen 1951-2001 (= Veröffentlichungen des Konstanzer Arbeitskreises für mittelalterliche Geschichte aus Anlass seines fünfzigjährigen Bestehens 1951-2001 1). Thorbecke, Stuttgart 2001. 256 S., 20 Abb. Besprochen von Gerhard Köbler.

Endemann, Traute, Geschichte des Konstanzer Arbeitskreises. Entwicklung und Strukturen 1951-2001 (= Veröffentlichungen des Konstanzer Arbeitskreises für mittelalterliche Geschichte aus Anlass seines fünfzigjährigen Bestehens 1951-2001 1). Thorbecke, Stuttgart 2001. 256 S., 20 Abb.

 

Der Konstanzer Arbeitskreis für mittelalterliche Geschichte ist ein sich durch Kooptation ergänzender eingetragener Verein (von im Jahre 2001 knapp 40 Mitgliedern) mit dem Zweck der Förderung der mittelalterlichen Geschichtsforschung vor allem durch Ausrichtung von Arbeitstagungen und Veröffentlichung von Forschungen. Die Arbeitssitzungen finden seit 1957 regelmäßig zweimal jährlich auf der Insel Reichenau im Bodensee, außerdem in Konstanz sowie seit 1964 in Hessen (Frankfurt am Main, Gießen, Marburg) statt. Die Veröffentlichung der Arbeitsergebnisse erfolgt seit 1954 in der Reihe Vorträge und Forschungen (seit 1963 mit Sonderbänden für Monographien).

 

Institutioneller Vorgänger war ein von der Stadt Konstanz beschlossenes, (am 30. Oktober) 1951 mit Theodor Mayer (24. 8. 1883-26. 11. 1972 als Leiter verwirklichtes städtisches Institut für Landschaftskunde des Bodenseegebiets bzw. Landschaftsgeschichte des Bodenseegebiets bzw. geschichtliche Landesforschung des Bodenseegebiets (seit 1958 Konstanzer Arbeitskreis für mittelalterliche Geschichte). Es geht konzeptionell zurück auf Tagungen im Rahmen des Kriegseinsatzes der Historiker und davor auf von Theodor Mayer organisierte Tagungen im Rahmen der Westdeutschen Forschungsgemeinschaft der dreißiger Jahre des 20. Jahrhunderts. Personell bildete Otto Feger (1905-1968) den entscheidenden Kristallisationspunkt.

 

Otto Feger hatte nach der Schule in Frankreich, der Schweiz, Deutschland und den Vereinigten Staaten von Amerika (Indiana) Rechtswissenschaften in den Vereinigten Staaten von Amerika (Cleveland/Ohio), der Schweiz (Freiburg im Üchtland) und Deutschland (Berlin) studiert und war 1928 in Freiburg im Üchtland mit einer Dissertation über das Vertragsrecht in der Völkerbundssatzung promoviert worden. Im Juli 1933 war er aus einer Tätigkeit bei Arbeitsämtern in Baden und Württemberg entlassen, 1935 mit einem Berufsverbot (als Wirtschafts- und Steuersachverständiger) belegt worden. Der Betrieb zweier Lichtspielhäuser hatte ihm 1935 die Aufnahme eines Studiums der Geschichte in Freiburg im Breisgau ermöglicht, das er mit der wohl von dem von 1934 bis 1938 in Freiburg im Breisgau als ordentlicher Professor für mittelalterliche Geschichte tätigen Theodor Mayer angeregten, von Clemens Bauer betreuten Dissertation zur älteren Siedlungsgeschichte des hinteren Wiesentals 1941 abgeschlossen hatte.

 

In Freiburg im Breisgau hatte Otto Feger auch den mit Theodor Mayer befreundeten, seit 1938 in Freiburg im Breisgau wirkenden Rechtshistoriker Franz Beyerle kennen gelernt, der den seit 18. Juli 1939 zur Wehrmacht und danach zum Kriegsdienst eingezogenen Juristen und Historiker an Franz Knapp, Bürgermeister und Rechtsrat (später Oberbürgermeister) Konstanzs, als Leiter des Standtarchivs Konstanz empfohlen hatte. Im Juli 1942 war ein Arbeitsvertrag abgeschlossen worden, der Otto Feger eine Anstellung nach Kriegsende zugesichert hatte. Außerdem war Otto Feger in Freiburg im Breisgau mit Karl Siegfried Bader zusammengetroffen, der nach dem Ausscheiden aus dem Justizdienst (1933) in Freiburg im Breisgau als Rechtsanwalt gewirkt und zusätzlich das fürstlich fürstenbergische Archiv in Donaueschingen betreut hatte und sich auf Anregung Theodor Mayers bei Franz Beyerle habilitierte.

 

Nach Kriegsende war Otto Feger Anfangs August nach Konstanz gekommen, um seine Tätigkeit als Stadtarchivar aufzunehmen Unter dem 3. Oktober 1945 hatte er dem Stadtrat für Kultur (Bruno Leiner) in einem dreiseitigen Schreiben die anscheinend von diesem erstmals angesprochene Gründung eines Instituts für Kunst, Kultur und Geschichte des Bodenseegebiets vorgeschlagen. Dem hatte der Stadtrat am 9. Mai 1946 mit der Maßgabe zugestimmt, dass der Stadt keine namhaften Kosten entstehen dürften.

 

Nach verschiedenen, auch von persönlichen Interessen bestimmten Wirrungen (und nach einem Zusammentreffen des angeblichen Belastungszeugen Otto Feger mit Theodor Mayer vor der Spruchkammer des Landkreises Höchstadt an der Aisch am 8. September 1947) hatte die französische Militärregierung am 9. Oktober 1947 mitgeteilt, dass keine grundsätzlichen Bedenken gegen die Gründung eines historischen Forschungsinstituts bestünden. Am 19. Dezember 1947 hatte Otto Feger einen ersten Versuch unternommen, den als Mitläufer des Nationalsozialismus eingestuften Theodor Mayer, mit dem er im Frühjahr 1939 über eine wissenschaftliche Frage in Konflikt geraten war, als ehemaligen Präsidenten der Monumenta Germaniae Historica für die Leitung des geplanten Instituts zu gewinnen. Am 23. Januar 1948 hatte der Stadtrat die von Otto Feger vorbereitete Satzung genehmigt. Am 29. September 1949 hatte Theodor Mayer dem von Franz Beyerle und Karl Siegfried Bader unterstützten Otto Feger seine grundsätzliche Bereitschaft zur Übernahme der Leitung mitgeteilt.

 

Nach dieser durch wörtlichen Abdruck zahlreicher einzelner Schriftstücke veranschaulichten Vorgeschichte geht die Verfasserin zur Geschichte des Städtischen Instituts über. Sie zeigt, wie Theodor Mayer als methodischen Weg für das von ihm angestrebte krisenfeste Geschichtsbild die geschichtliche Landesforschung verstand. Sie lässt miterleben, wie unter dieser Zielsetzung Theodor Mayer bereits am 1. und 2. Oktober 1952 auf der Insel Mainau eine erste Tagung über Grundfragen der alemannischen Geschichte veranstaltete.

 

Nach weiteren Tagungen in Zeil, Mainau, Donaueschingen, Reichenau, Mainau, Reichenau, Lindau wurde 1957 die Insel Reichenau als insula felix fester Sitz. Mit ihr ist der Ruhm verbunden, den führende deutsche Geschichtswissenschaftler in fünfzig Jahren dank ihrer hervorragenden Leistungen gewonnen haben. Wer immer jemals auch nur von ferne daran teilhaben durfte, kann das mit bescheidenen Mitteln gewonnene großartige Ergebnis nur aufrichtig bewundern.

 

Aufgeteilt auf zwei Kapitel stellt die Verfasserin diese Entwicklung, an der sie selbst von 1964 bis 1967 als wissenschaftliche Mitarbeiterin, seit 1967 in der Geschäftsführung, seit 1978 als Mitglied des Arbeitskreises und seit 1983 als Geschäftsführerin teil hat, übersichtlich und ausgewogen dar. Der organisatorischen Verfestigung diente dabei vor allem die Gründung des eingetragenen Vereins vom 30. März 1960. Personell gelang die Fortführung nach dem Ausscheiden Theodor Mayers (1968) durch den Einsatz Josef Fleckensteins, Peter Classens und Helmut Beumanns sowie später Johannes Frieds, Harald Zimmermanns, Peter Moraws und Jürgen Petersohns.

 

Die Geschichte des Konstanzer Arbeitskreises ist die Geschichte eines großen, die Entwicklung des Faches insgesamt mitbestimmenden Erfolgs. Ihre einzelnen Stationen hat die Verfasserin getreu und gut lesbar dargestellt. Ihre wichtigsten einzelnen Träger enthält das im Anhang wiedergegebene Verzeichnis der Mitglieder (1960-2001 Theodor Mayer, Hans-Georg Beck, Helmut Beumann, Karl Bosl, Heinrich Büttner, Eugen Ewig, Otto Feger, Paul Egon Hübinger, Walter Schlesinger, Franz Steinbach, Peter Classen, Josef Fleckenstein, Walther Lammers, Hans Patze, Wilhelm Ebel, Reinhard Wenskus, Helmut Maurer, Arno Borst, Berent Schwineköper, František Graus, Manfred Hellmann, Reinhard Schneider, Karl Schmid, Traute Endemann, Harald Zimmermann, Otto Paul Clavadetscher, Friedrich Hausmann, Heinrich Koller, Johannes Fried, Peter Moraw, Jürgen Petersohn, Alfred Haverkamp, Peter Johanek, Hagen Keller, Hansmartin Schwarzmaier, Otto Gerhard Oexle, Karl Kroeschell, Ivan Hlaváček, Ernst Schubert, Rudolf Schieffer, Gerd Althoff, Alexander Patschovsky, Michel Parisse, Thomas Zotz, Joachim Ehlers, Werner Maleczek, Matthias Werner, Bernd Schneidmüller, Rainer C. Schwinges, Stefan Weinfurter, Franz-Josef Felten, Theo Kölzer, Peter Kurmann, Heribert Müller und Karl-Heinz Spieß), ihre wichtigsten Arbeitsfelder (z. B. Grundfragen der alemannischen Geschichte, Freiheit, Königtum, Städtewesen, Lehnswesen, Landgemeinde, 12. Jahrhundert, Alpen, gesellschaftliche Struktur der Städte, die Welt zur Zeit des Konstanzer Konzils, der deutsche Territorialstaat im 14. Jahrhundert, Investiturstreit und Reichsverfassung, deutsche Ostsiedlung, Friedrich II., Burgen, Mönchtum, Episkopat und Adel zur Gründungszeit des Klosters Reichenau, Geschichtswissenschaft und Archäologie, Recht und Schrift, von der Spätantike zum Frühmittelalter, geistliche Ritterorden, Grundherrschaft, Gilden und Zünfte, Geschichtsschreibung und Geschichtsbewusstsein, Schulen und Studium, spätmittelalterliches Königtum, kommunale Bündnisse, fürstliche Residenzen, Mentalitäten, Wahlen und wählen, monastische Reformen, abendländische Freiheit, Landnahme, Friedrich Barbarossa, Politik und Heiligenverehrung, Friede, deutscher Königshof, Hoftag und Reichstag, Herrschaftsrepräsentation im ottonischen Sachsen, Toleranz, Raumerfassung und Raumbewusstsein, Juden und Christen zur Zeit der Kreuzzüge, Formen und Funktionen öffentlicher Kommunikation, Schwaben und Italien im Hochmittelalter, Armut, zwischen Nichtadel und Adel, Deutschland und der Westen Europas, spätmittelalterliches Landesbewusstsein, das Reich und Polen) das umfängliche Verzeichnis der Vorträge und Protokolle.

 

Möge die glückliche, mit 20 denkwürdigen photographischen Amateuraufnahmen bebilderte Geschichte eine ebenso günstige Fortsetzung in einer erfolgreichen Zukunft haben.

 

Innsbruck                                                                                           Gerhard Köbler