Deller, Patrick, Der „nach dem Vertrage

“ vorausgesetzte Gebrauch (§ 459 Absatz 1 Satz 1 BGB). Eine kaufrechtliche Untersuchung unter Berücksichtigung rechtshistorischer wie rechtsvergleichender Grundlagen (= Rechtshistorische Reihe 210). Lang, Frankfurt am Main 2000. 280 S. Besprochen von Hans-Peter Benöhr. ZRG GA 121 (2004)

Deller, Patrick, Der „nach dem Vertrage“ vorausgesetzte Gebrauch (§ 459 Absatz 1 Satz 1 BGB). Eine kaufrechtliche Untersuchung unter Berücksichtigung rechtshistorischer wie rechtsvergleichender Grundlagen (= Rechtshistorische Reihe 210). Lang, Frankfurt am Main 2000. 280 S.

 

Seit der Schuldrechtsreform gilt, ähnlich wie nach dem bisherigen § 459 Absatz 1 Satz 1 BGB a. F., nun nach § 434 Abs. 1 Satz 2 n. F.: „Soweit die Beschaffenheit nicht vereinbart ist, ist die Sache frei von Sachmängeln, 1. wenn sie sich für die nach dem Vertrag vorausgesetzte Verwendung eignet ...“ P. Deller stellt sich in der von Bürge betreuten Saarbrücker Dissertation die Aufgabe, „den Spuren nachzugehen, auf denen die gesetzliche Vorschrift des vorausgesetzten Gebrauches letztlich fußt“, und gleichzeitig Windscheids Lehre von der Voraussetzung im Kaufrecht nachzuzeichnen.

 

Windscheid begründete die Haftung des venditor ignorans, der weder eine Garantie übernommen noch dolos gehandelt hatte, mit der Lehre von der Voraussetzung. Der Käufer, der eine Sache kauft, die einer vorausgesetzten Eigenschaft entbehrt oder einen nicht vorausgesetzten Fehler hat, könne das Fehlende mit der actio empti, die diesbezüglich stellvertretend für die condictio sine causa stehe, verlangen (20f.). Windscheid berief sich namentlich auf D. 18, 1, 45 (gebrauchte Kleider) und D. 19, 1, 21, 2 (Tujenholz). Hat die Lehre, nach den Worten Kipps, auch überwiegend Ablehnung erfahren, so kann P. Deller als Anhänger der Lehre von der Voraussetzung im Gewährleistungsrecht immerhin Kuhlenbeck, Bechmann und Rudolf Leonhard aufzählen. P. Deller findet sodann den Ausdruck „Voraussetzung“ in mehreren Entscheidungen des Reichsoberhandelsgerichts, des Reichsgerichts und anderer Obergerichte zum gemeinen Recht, referiert diese aber außerordentlich knapp (45ff.).

 

Anschließend erörtert P. Deller einzelne Kodifikationen (Preußen S. 57ff., Österreich, Frankreich, Baden, Sachsen) und Entwürfe (Bayern, Hessen, Dresden), das schweizerische Recht und dann „Windscheid und das Bürgerliche Gesetzbuch“ (159ff.). P. Deller bespricht damit die Quellen für Windscheids Lehre, Windscheids Einwirkung auf die Gesetzgebung, die Resonanz in der Lehre, die Spuren in der Judikatur. Gleichzeitig fragt P. Deller ständig danach, unter welchen Bedingungen enttäuschte Käufererwartungen berücksichtig wurden. Jedenfalls stellt er jeweils sehr knapp Entstehung und Inhalt der Kaufvorschriften, die diesbezügliche Lehre und die Rechtsprechung dar. Gleichzeitig geht es mit wiederum zu knappen Berichten um so unterschiedliche Fragen wie: Willenserklärungen, Vergleich, Sachmängelgewährleistung, dabei insbesondere: „der nach dem Vertrage vorausgesetzte Gebrauch“, „Rechtsgrund und Wesen der Gewährleistung“ und „die Lehren von der Geschäftsgrundlage“.

 

Nach den mitgeteilten BGB-Materialien erklärte schon der Kübelsche Teilentwurf den „nach dem Vertrage vorausgesetzten Gebrauch“ für erheblich. Die dem zu Grunde liegenden Erwägungen des Dresdner Entwurfs und die Kübelsche Begründung werden von P. Deller nicht herangezogen. Erst in der Vorkommission des Reichsjustizamtes wurde das Problem diskutiert, und es wurde klargestellt, dass bloß subjektive Kriterien nicht gemeint seien, sondern dass der vorausgesetzte Gebrauch zum „Bestandteil des Vertrages geworden sein“, jedoch eine „Zusicherung“ nicht darstellen müsse (166). In der zweiten Kommission wurde die Sachmängelhaftung des Verkäufers auf einen „Irrtum im Beweggrund“ des Käufers zurückgeführt. Nach damals weitverbreiteter Übereinstimmung bedeutete der „nach dem Vertrage vorausgesetzte Gebrauch“ eine Neuerung des Bürgerlichen Gesetzbuchs gegenüber dem gemeinen Recht (182ff.), und nach Ansicht vieler ging diese angebliche Neuerung auf Windscheids Lehre zurück, die jedoch von der überwiegenden Meinung wegen der von ihr hervorgerufenen Rechtsunsicherheit und des zu weitgehenden richterlichen Entscheidungsspielraums abgelehnt wurde.

 

Der kursorische Durchgang durch so viele Quellen von der Antike bis zum UN-Kaufrecht führt zu dem Ergebnis, dass die Fragen nach Windscheids Einfluss auf § 459 Absatz 1 Satz BGB a. F. und nach den Anforderungen an den „nach dem Vertrage vorausgesetzten Gebrauch“ nicht sicher zu beantworten seien (235). Es ist sehr anerkennenswert, dass P. Deller seine interessanten Ausgangsfragen und die umfassende Materialsammlung mit dieser offenen Antwort abschließt.

 

Berlin                                                                                                             Hans-Peter Benöhr