Heather, Peter, Die Wiedergeburt Roms
Heather, Peter, Die Wiedergeburt Roms. Päpste, Herrscher und die Welt des Mittelalters, aus dem Englischen v. Freundl, Hans/Schatterer, Heike. Klett-Cotta, Stuttgart 2014. 544 S., Abb.
Wenn dieses intelligent geschriebene und kurzweilig zu lesende Buch falsch verstanden werden sollte, dann liegt das an Fehlleistungen seiner beiden Übersetzer: Wer „The Restauration of Rome“ als „Wiedergeburt“ übersetzt, hat den Sinnunterschied zur „Wiederherstellung“ als einem bewussten politischen Akt eben nicht verstanden. Und wer „Barbarian Popes and Imperial Pretenders“ mit einem idyllischen Untertitel wiedergibt, in dem dann noch von einer „Welt des Mittelalters“ die Rede ist, über die sich das Buch im Wesentlichen ausschweigt, der erweckt falsche Vorstellungen und drückt sich um die nicht völlig triviale Frage herum, was eigentlich „Barbarian Popes“ gewesen sein könnten. Nur: Genau dieser Fragestellung geht der Verfasser, hoch angesehener Spezialist für die Spätantike und die Zeit der sog. Völkerwanderung, nach. Seine Frage ist ebenso leicht gestellt wie schwer zu beantworten: Was eigentlich machte den Erfolg der Franken und ihres ersten Kaisers, Karls des Großen aus? Warum gelang eine einigermaßen stabile Großreichsbildung nach dem Ende des (West-)Römischen Reiches erst um 800? Und warum scheiterten die Anläufe in der Zwischenzeit, vor allem diejenige des Oströmers Justinian und des Ostgoten Theoderich?
Die Antwort findet Heather in einer durch und durch konventionell erscheinenden Erzählung. Nur: Wie er erzählt und wie er durch ebenso naheliegende wie stilistisch spektakuläre Wertungen landläufige und feststehende Ansichten durcheinander würfelt und wirbelt, das ist angelsächsische Geschichtsschreibung vom Feinsten. Und alleine deswegen lohnt sich die Lektüre, wenngleich der Ertrag des sachlich Neuen eher bescheiden ausfallen mag.
Seine Grundthese ist es, dass „eine Restauration stabiler imperialer Macht in wahrhaft römischen Maße nur möglich war, wenn frisches Blut aus einem Teil Europas, den die Römer als ‚barbarisch‘ bezeichnet hatten, einige der imperialen Werkzeuge nutzte, um ein völlig neuartiges Imperium zu schaffen“ (S. 15f.). (Erneuter Zwischenruf an die Übersetzer: Warum muss „restoration“ an dieser Stelle denkbar unbeholfen mit „Restauration“ übersetzt werden statt mit „Wiederherstellung“ o.ä.?) Weder Theoderich (zu ihm und seiner Geschichte S. 17-132) noch Justinian (S. 133-246) verfügten über diese Möglichkeit. Vor allem der Oströmer steht deutlich obenan auf der Liste der von Heather nicht geschätzten Herrscherpersönlichkeiten. Dabei würdigt er seine Rechtsreformen und das Bemühen um Kodifizierung fair und plausibel „als epochale Maßnahme“ (S. 148). Nur moralisch und in der wenig wählerischen Verwendung politischer Mittel lässt Heather an Justinian wenig Gutes. Das liegt auf einer Wellenlänge mit anderen jüngeren Biographen dieses Kaisers und zeigt, dass man generell gut daran tut, genauer auf die Quellen zu sehen, in diesem Falle auf Prokops „Kriegsgeschichte“.
Karl der Große also (zu ihm S. 247-347) gilt auch Heather als der „Vater Europas“, aber eben vor allem der Zusammenarbeit mit einem politisch sich neu ausrichtenden Papsttum (dazu S. 349-469), dessen Entwicklung freilich erst im Hochmittelalter jene Dynamik annahm, welche die These des Verfassers wirklich stützt. Denn das ist der Schwachpunkt des Bandes: die Rolle des Papsttums bis zum Vierten Laterankonzil 1215 zu verlängern, ja verlängern zu müssen, um in ihm die Inkarnation des geistlichen Führungsanspruchs über das gesamte Römische Europa ausfindig machen zu können. Das zweite römische Reich, wie Heather es nennt (S. 470 u.v.a.m.), musste so gesehen außerhalb des ersten entstehen, und es sollte lange dauern, bis es sich unter der ideologischen Führung Innozenz‘ III. und seiner Zeitgenossen stabilisiert hatte.
Ein lesenswerter, fast essayistisch leicht geschriebener Band, den man als Überblick gerne konsultiert, dessen leitende These weitere Diskussionen verdient und der den schreibenden Historikern und Historikerinnen unserer Sprache als stilistisches Vorbild wärmstens ans Herz gelegt sei.
Osnabrück Thomas Vogtherr