Tempi passati
Tempi passati. Die Reichsstadt in der Erinnerung. Erste Tagung des Arbeitskreises „Reichsstadtgeschichtsforschung“ Mühlhausen 11. bis 13. Februar 2013 hg. v. Wittmann, Helge (= Studien zur Reichsstadtgeschichte Band 1). Michael Imhof Verlag, Petersberg 2014. 288 S., 71 Farbabb., 41 S/W-Abb. Besprochen von Ulirich-Dieter Oppitz.
Im Herbst 2011 gründeten Archivarinnen und Archivare ehemaliger Reichsstädte in Mühlhausen/Thüringen einen Arbeitskreis ‚Reichsstadtgeschichtsforschung‘, der im März 2013 seine erste Tagung in Mühlhausen durchführte, dessen Vorträge im vorliegenden Band gedruckt sind. Im Vorwort wird überzeugend dargelegt, welche Ziele sich dieser neue Kreis von Forschern und Forscherinnen gesetzt hat. Seit 1960 gab es die von Dr. Otto Borst (damals Esslingen) ‚Arbeitsgemeinschaft für die Geschichte der oberdeutschen Reichsstädte‘. Dieser Kreis hat zwischenzeitlich seinen Schwerpunkt als ‚Forum Stadt – Netzwerk historischer Städte e.V.‘ gefunden und widmet sich überwiegend architektonischen Problemen. Der neue Arbeitskreis möchte sich stattdessen der Geschichtsforschung ehemaliger Reichsstädte zuwenden. Wenn auch der Schwerpunkt bisher auf den Reichsstädten in Norddeutschland liegt, so ist dies durch die Gründungsmitglieder bedingt, jedoch ist erkennbar, dass die Fragestellungen auch aus der Sicht süddeutscher Städte und Städte der Schweiz erforscht werden. Erfreulicherweise wird die Arbeit für die nächsten zehn Jahre durch die in Nordhausen begüterte Friedrich-Christian-Lesser-Stiftung finanziell unterstützt. Dadurch ist die finanzielle Basis gerade in der schwierigen Phase des Anlaufes gesichert. Bereits die Vorlage des Tagungsbandes der Tagung 2013 im Jahre 2014 zeigt, dass sich der neue Arbeitskreis intensiv seinen Projekten widmet. Als Thema der Tagung 2013 hatte sich der Arbeitskreis der Erinnerung an die eigene reichsstädtische Vergangenheit gewidmet. Zwölf Beiträge zeigen für die Städte Dortmund, Frankfurt, Hamburg, Lübeck, Mühlhausen, Nordhausen, Speyer, Ulm, Wetzlar, Bad Wimpfen und Worms in welcher Form diese Städte bei den verschiedenen Anlässen an ihre reichsstädtische Vergangenheit erinnern. Außerhalb der Bundesrepublik Deutschland sind die böhmische Stadt Eger und die eidgenössischen Städte Bern und Zürich in die Betrachtung einbezogen. Gerade für Bern und Zürich ist gut der Unterschied zu den anderen Reichsstädten dargestellt: für diese beiden Städte endete die Zugehörigkeit zum Reich mit den westfälischen Friedensverträgen. André Hollenstein weist in seinem Beitrag auf die besondere Situation der kleineren Städte in den Kantonen Aargau und Thurgau, wie etwa Winterthur, hin, die durch ihre zwischen Habsburg und dem Reich umstrittene Lage jeweils nur für kurze Zeit die Reichsfreiheit erlangten. Anders als Bern und Zürich hielten Solothurn und Schaffhausen zumindest symbolisch an der reichrechtlichen Symbolik bis 1681 bzw. 1714 fest. Karel Halla zeigt die besondere Entwicklung der Stadt Eger und des ihr zugehörigen Umlandes zwischen Böhmen und dem Reich mit den engen Verbindungen zu Eger. Besonders eindrucksvoll ist die Zeit von 1945/1946 dargestellt, in der ein vollständiger Bevölkerungsaustausch jegliche Erinnerung an die Jahrhunderte andauernde Grenzlage auslöschen sollte. Die Präsenz einer großen Vergangenheit in einer dürftigen Gegenwart ist von dem Autor anschaulich beschrieben. Simon Palaoro schildert am Beispiel Ulms (S. 99-114) auf der Grundlage seiner Promotion reichsstädtische-republikanische Politikmodelle im frühen 19. Jahrhundert. Seine Arbeit ist zwischenzeitlich als ‚Forschungen zur Geschichte der Stadt Ulm, Bd. 33‘, Stuttgart 2013, erschienen. Die Zusammensetzung des Arbeitskreises bietet wohl auch für die Zukunft die Gewähr für sachkundige Beiträge, welche die jeweiligen Jahresthemen anschaulich ausfüllen. Dem Unternehmen ist für die nächsten Jahre ein gutes Gelingen zu wünschen. Ein Überblick über die Autorinnen und Autoren beschließt den Band, der mit illustrativen Abbildungen reichhaltig ausgestattet ist, so dass die textlichen Ausführungen durch zugehörige Illustrationen gut ergänzt werden.
Neu-Ulm Ulrich-Dieter Oppitz